hundiSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 13. Februar 2025, Teil 2

Redaktion 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Einen Hund vor Gericht zu stellen, wirft einige Fragen auf. Kann sich zum Beispiel ein gewalttätiges Individuum ändern? Wir fühlen uns ein wenig an Samuel Fullers DER WEISSE HUND VON BEVERLY HILLS (1982) erinnert, der dieselben Fragen über einen Hund stellte, der zum Rassisten abgerichtet worden war.
In diesem Film ist die Gewalt allgegenwärtig, und wir sind uns nicht ganz sicher, wie sie begonnen hat. War es der Hund, der gebissen hat, oder die Frau, die ihn angegriffen hat? War es der Schlag von Avril gegen einen Mann oder die gewalttätigen Worte gegen sie kurz zuvor? Alles ist ständig verschwommen und eskaliert. Inspiriert wurde ich von Romain Garys Buch „White Dog“ (1970), das Fuller für seinen Film adaptierte. In diesem Roman geht es um einen Schwarzen Hundetrainer, der es sich zur Aufgabe macht, einen rassistischen Hund mit allen Mitteln zu korrigieren. Avril tut das Gleiche: Sie ist davon besessen, diesen Hund von seiner angeblichen Frauenfeindlichkeit zu heilen. Ich fand das witzig und pathetisch – als ob sie, indem sie Cosmos verändert, alle Misogynie auf der Welt verschwinden lassen könnte.


Sie untersuchen den Aspekt der persönlichen und sozialen Verantwortung angesichts von Gewalt, insbesondere durch die Beziehung zwischen Avril und ihrem Nachbarn, einem Jungen, der körperlich misshandelt wird. Welche Fragen hat das für Sie aufgeworfen?

Ursprünglich war die Idee, eine sehr starke Beziehung zwischen einem kleinen Jungen und einer Frau zu schaffen, die nicht mütterlich ist, was man selten im Film sieht. Avril wird zur Freundin des Jungen,
aber auch zu einer Bezugsperson für ihn. Sie sind füreinander der Rettungsanker. Joachim ist ein Opfer, in dem Sinne, dass er keine Kontrolle über sein Leben hat – aber er ist trotzdem ein starker
Mensch, ein bisschen unsympathisch, vulgär und provokant. Er versteckt sich hinter einer Fassade. So sehe ich Kinder, die Opfer von Gewalt geworden sind. Von Menschen, die ich kenne, oder durch
dünne Wände hindurch, habe ich von Gewalt mitbekommen. Wenn so etwas passiert, weiß man nicht, was man tun soll. Man braucht Zeit, um wirklich zu verstehen, was vor sich geht, welche Rolle man spielt und was man tun kann. Es ist eine beunruhigende Situation. 

 Wie haben Sie an den Gerichtsszenen gearbeitet, die mit einer gewissen Theatralik und überzogenen Figuren spielen?

Es war wie die Organisation eines Konzerts. Wir hatten jeden Tag 80 Zuschauer – alles hochmotivierte Statisten. Und die Schauspieler haben das Beste aus ihnen herausgeholt! Ich wollte, dass die Charaktere sehr klar definiert sind – so wie in einem Buch, das ich liebe, „Garp und wie er die Welt sah“ von John Irving, das ein bisschen wie ein Märchen ist. Aber ich wollte auch, dass es sich wie ein Dokumentarfilm anfühlt, denn in der Schweiz, wo ich fünf Jahre lang gelebt habe und wo wir gedreht haben, bin ich vielen Persönlichkeiten begegnet, die so bunt und einzigartig sind.

Die Anwältin des Klägers, gespielt von Anne Dorval, ist eine Karikatur, nicht unähnlich Éric Zemmour
 oder Donald Trump – Politiker, die alles übertreiben, mit den Ängsten der Menschen spielen und sich
manchmal lächerlich machen. Diese surreale extreme Rechte macht mir Angst. Das Gefühl, dass alles nur ein großer Witz ist, obwohl es das nicht ist ... Ich musste einen Weg finden, um all die verschiedenen Comic-Typen wie Instrumente zusammenspielen zu lassen. Jean-Pascal Zadi, der den Tierverhaltensforscher spielt, hat nicht den gleichen Ton wie François Damiens. Er ist eher der „Junge von nebenan“, in den sich alle verlieben, wie Drew Barrymore. Was mich betrifft, so musste ich als Avril der rote Faden sein, der sich durch den Film zieht. Ich sollte weniger übertrieben als die anderen, aber trotzdem burlesk sein. Ich konnte es mir leisten, alberne Grimassen zu schneiden, was in den heutigen Komödien eher den Männern vorbehalten zu sein scheint. Ich dachte an Stand-up-Comedian Louis C.K., der in seinen Fernsehserien von urbanen zu poetischen Szenen, von vulgären zu ernsten Szenen wechseln kann, ohne dass man das Gefühl hat, dass er dadurch inkonsequent ist.


Sie haben von Märchen gesprochen. Die bonbonfarbenen, pastelligen Farben Ihres Films erinnern ein wenig an diese Ästhetik. 

Ich finde, dass Komödien oft nicht sehr schön sind. Ich wollte, dass es Farbspritzer gibt, die Freude machen, aber ich wollte auch Kontraste und lauernde Schatten. Das Gerichtsgebäude hatte in der Farbpalette des Films einen besonderen Stellenwert, mit seinen helleren, aber auch weicheren Farben. Es ist wie ein geschützter Raum, der bewahrt wird. Denselben Ansatz haben wir auch beim Ton verfolgt: Die Atmosphäre ist gedämpft, ohne Straßengeräusche. Ich wollte, dass die Stimmen hervorgehoben werden.


An einigen Stellen, an denen man als Zuschauer eher ein komödiantisches Element erwartet, wird es plötzlich sehr emotional.

In diesem Film gibt es eine Menge Vorurteile zu überwinden. Manche Figuren sind Gefangene ihres eigenen Images. Wie Dariuch. Oft verbergen sich hinter Leuten wie ihm, die eine Show abziehen, auch Probleme und Tiefgang. Eine meiner Lieblingsszenen ist die, in der Lorene, die portugiesische Haushälterin, von der wir glauben, dass sie in der Opferrolle gefangen ist, wütend auf Avril wird. Wir haben sie bis zu diesem Zeitpunkt kaum sprechen hören, so dass wir nicht einmal glauben, dass sie dazu fähig ist.


Diese falschen Erwartungen ermöglichen es, das Publikum mit seinen eigenen Widersprüchen zu konfrontieren, selbst wenn es sich beim Lachen unwohl fühlt.


Ich mag es, dass sich die Leute unwohl fühlen. Ich mag es, vulgär zu sein und ein wenig zu schockieren. Dadurch fühle ich mich als Frau frei. Aber vor allem möchte ich den Zuschauern genug Raum lassen, damit sie sich die Zeit nehmen und sich selbst in Frage stellen können, um das Risiko einzugehen, ihre eigenen Urteile auf den Kopf zu stellen. Und ich möchte sie zum Lachen bringen.

Foto:
©Verleih

Info:
Stab

REGIE.     Lætitia Dosch
DREHBUCH    Lætitia Dosch, Anne Sophie Bailly


Besetzung 
Avril Lucciani.      Lætitia Dosch
Dariuch Michovski       François Damiens
Marc                   Jean-Pascal Zadi
Roseline Bruckenheimer         Anne Dorval
Lorene Furtado                 Anabela Moreira
Joachim                           Tom Fiszelson
Richter                              Mathieu Demy
Jérôme                              Pierre Deladonchamps
Hund Cosmos                   Kodi

Abdruck aus dem Presseheft