mothers babyDie 75. Internationalen Filmfestspiele Berlin, BERLINALE 2025, Vor dem Wettbewerb Teil 13

Claudia Schulmerich

Berlin (Weltexpresso) – Das ist ein Film, der es in sich hat und der erst einmal so was von normal anfängt. Da ist ein Ehepaar aus Wien, die vierzigjährige Julia ( Julia Jentsch) ist eine erfolgreiche Dirigentin, die in allen berühmten Konzertsälen zu Hause ist. Von ihm wissen wir nur, daß er Georg (Hans Löw) heißt und ihr Mann ist und daß sich beide lieben und sich schon so lange ein Kind wünschen, aber trotz aller, auch künstlicher Versuche, keines bekommen. Dann hören sie von Dr. Vilfort, Fruchtbarkeitsspezialist und Träger einer privaten Kinderwunschklinik. Der macht ihnen Hoffnung und empfiehlt, ihn nur mal machen zu lassen. Und tatsächlich wird Julia schwanger und wir erleben mit ihr die Strapazen der Geburt eines kleinen Jungen, der aber blitzschnell hinausgetragen wird.

 

Sehr interessant, daß sich hier beim Zuschauen die Meinungen teilten. Die einen dachten an Waschen und Kontrolle der Körperfunktionen des Kindes, die anderen befanden es als Totgeburt. Erst einmal können die Eltern das Kind nicht sehen, es wird von Atemnot und Sauerstoffmaske gesprochen, dann aber wird es tags drauf endlich den Eltern übergeben.

 

Was ist nur los, denkt Georg, da haben sie sich so auf ein Kind gefreut und dann baut Julia so ab. Sie freut sich überhaupt nicht. Aber es ist keine Geburtsdepression, die es viel häufiger gibt, als man denkt. Es ist die innere Unsicherheit von Julia, die dieses Kind nicht als eigenes empfinden kann. Da ist eine Fremdheit, irgendetwas stimmt nicht, sagt ihr ihr Gefühl. Sie wendet sich an den selbstsicheren Dr. Vilfort und nun sind wir über viele Minuten Zeuge, wie sich dieser Mann verwandelt. Dabei bleibt er in seinem Verhalten gleich. Nur empfinden wir mit Julia, das aus der vordergründigen Nettigkeit, mit der der Wunderdoktor alles auf sich nimmt, daß sie das Kind bekam, etwas Verschleierndes, etwas Hinterhältiges, ja etwas Diabolisches wird. Sie will ja nur ihre Geburtsakte einsehen, die auf einmal verschwunden ist, genauso wie andere Unterlagen, nach denen sie sucht. Alles wird vor ihr verschlossen, weshalb sie in die Klinik einbricht.

 

Sehr seltsam auch die Aktion mit dem rosafarbenen Axolotl, der in einem kleinen Aquarium als Geschenk des Arztes von Gerlinde ins Haus gebracht wird. Sie ist die Assistentin des Arztes, die die Geburt eingeleitet und begleitet hatte und vergeblich Julia die ganze Zeit versichert, es sei alles in Ordnung. Dieser Axolotl, für den Georg einen Partner/Partnerin dazukauft, hat ein biologisches Geheimnis. Seine potentiellen Verletzungen, wie der Verlust von Gliedmaßen und anderem, wachsen nach, werden wiederhergestellt.

 

Zu Hause ist Georg kreuzunglücklich, denn seine Begeisterung über das Baby teilt seine Frau nicht. Der ist es zu still, es liegt einfach da, nimmt zwar die Muttermilch, aber Julia vermißt am Kind die Lebendigkeit. Später wird sie wissen, daß es ihre eigenen unsicheren Gefühle sind, ob das ihr eigenes Kind ist, die verhindern, daß sie es annimmt und liebt. Denn normalerweise sind es die weinenden Kinder, die unzufrieden ihren Frust mitteilen und als schwierig gelten. Georg wird die negative Haltung seiner Frau, die sich auch sonst gehen läßt, zu viel. Er zieht mit dem Kind zu seiner Mutter in der Gewißheit, daß Julia ein Fall für die Psychiatrie ist. Mit Tabletten soll ihre angebliche Verrücktheit geheilt werden.

 

Währenddessen ist Julia weiterhin auf der Suche nach der Wahrheit über die Geburt und dieses Baby. Bei einem Spaziergang mit der Freundin lernt sie eine Frau kennen, hinter der Schweres liegt. Sie hatte ein gesundes Kind geboren, das im Krankenhaus, es war genau die Geburtsklinik von Dr. Vilfort, plötzlich den Kindstod starb. Das gibt es immer wieder und ist ein schrecklicher Vorgang, der hier gemildert wird, weil diese Frau, erneut schwanger, ein gesundes Kind gebar, das lebt.

 

Während wir noch rätseln, ob dieses das Julia untergeschobene Kind sei, was aber zeitlich gar nicht möglich ist, kommt erneut die Frage auf, spinnt diese Julia oder ist was dran an ihren Gefühlen, daß das nicht ihr Kind ist. Woran merkt überhaupt eine Mutter, ob es ihr Baby ist, was ihr nach der Geburt in den Arm gelegt wird. Wir kennen alle die Geschichten von den in der Klinik vertauschten Babys nach der Geburt, wo sich erst im Jugend- und Erwachsenenalter Zweifel einstellen, weil Ähnlichkeiten oder anders fehlen. Und auch das ist übertrieben, es stellen sich kaum Zweifel ein, solches Vertauschen wird in der Regel nur von außen aufgedeckt.

 

Ein Aspekt, auf den Julias Unsicherheit Auswirkungen hat, ist, daß das Baby namenlos bleibt. Denn einen Namen zu geben, ist die erste Individualisierung des kleinen Kindes und als sie dies verweigert, nennt Georg den Kleinen Adrian.

 

Die Regisseurin macht mit ihrer verunsicherten und die Wahrheit suchenden Protagonistin ein Riesenfaß auf. Wie gut, daß sie das alles im Vagen läßt, nicht weitersucht, von wem denn das Baby sein könnte, wenn Julias Empfinden richtig wäre. Und als Julia die Wahrheit aufdeckt, ist sie auch zufrieden. Wir sehen in der Schlußeinstellung, daß sie wieder ihre Konzerte dirigiert – übrigens Dank an so viel wunderschöne klassische Musik im Film – und vielleicht ihr Leben mit Georg und mit Kind glücklich weiterführt. Vielleicht auch nicht

Foto:
©Berlinale

Info:
Stab
 Regie.   Johanna Moder
Buch.     Johanna Moder,  Arne Kohlweyer
Kamera.   Robert Oberrainer

Besetzung
Marie Leuenberger (Julia)
Hans Löw (Georg)
Claes Bang  (Dr. Vilfort)
Julia Franz Richter  (Gerlinde)