Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 20. Februar 2025, Teil 4
Redaktion
Wien (Weltexpresso) - DER PFAU – BIN ICH ECHT? hat eine Hauptfigur dessen Beruf es ist, in jedem Kontext perfekte Figur abzugeben. Er muss Emotionen beherrschen oder noch besser, sie gar nicht mehr empfinden. Bestand eine Initialidee darin, mit Matthias einen Menschen zu kreieren, wie ihn unser kapitalistisches Wirtschaftssystem am liebsten hätte: Der Mensch dessen einziges Trachten es ist, perfekt zu funktionieren? Selbstentfremdung durch die Arbeit ist in Matthias auf einen extremen Punkt gebracht. Welche Gedanken hatten Sie zur Hauptfigur?
BERNHARD WENGER: Matthias funktioniert nach den Normen der Gesellschaft, er weiß ganz genau, was es braucht, um bei einem Auftrag der perfekte Sohn oder der perfekte Partner zu sein. Er ist charmant, auf seine Aufträge perfekt vorbereitet und innerhalb dieser Settings weiß er auch zu reagieren. Sein Privatleben hingegen, das er unvorbereitet und ohne genaue Anweisungen leben muss, funktioniert nicht so. Sein Problem ist, dass er im echten Leben jeden Tag jemand anderen spielen muss. Mitarbeiter:innen von Rent-A-Friend-Agenturen geht es wie nicht Schauspieler:innen, die am Set oder auf der Bühne stehen, und alle rundherum wissen, dass es gespielt ist. Es wissen nur die Kund:innen und die Mitarbeiter:innen der Agenturen selbst Bescheid. Man würde ja im echten Leben nie damit rechnen, dass jemand gemietet ist. Daher tauchen Mitarbeiter:innen von Rent-A-Friend-Agenturen so tief in ihre Aufträge ein, weil es eigentlich kein Spielen, sondern ein Leben dieser Figuren ist. So wie Menschen in anderen Berufsgruppen, musste sich Matthias abhärten und emotional verschließen, um keine Gefühle aufzubauen, wenn er einen Vater, Sohn, Partner …, was auch immer spielt. Durch dieses emotionale Verschließen ist es bei Matthias so weit gekommen, dass er nicht mehr weiß, wie er echte Emotionen empfinden und leben kann.
Der perfekte Andere zu sein ist ein Beruf dieser Zeit, in der es auch eine Herausforderung geworden ist, am perfekten Selbst zu arbeiten.
BERNHARD WENGER: Genau. Es geht natürlich auch darum, dass wir alle im täglichen Leben ständig Rollen einnehmen. Beruflich wie privat hat sich das bei vielen Menschen aber schon extrem ausgeweitet. Gerade auf Social Media werden oft andere Rolle eingenommen und Leute stellen ihr Privatleben viel glamouröser, besser, erfolgreicher, positiver dar, als es tatsächlich ist. Die wenigsten Leute posten Negatives auf Social Media, man will sich immer von der besten Seite zeigen. Und das geschieht auch im echten Leben. Auf die Frage „Wie geht es dir?“ antwortet ja kaum jemand ehrlich. Selten würde man zugeben, einen schlechten Tag zu haben, man sagt eher „Danke gut, und dir“? Ich glaube, dass unsere Gesellschaft in dieser Hinsicht immer artifizieller und oberflächlicher wird. Rent-A-Friend-Agenturen sind die Erweiterung all dessen.
Ihr Setting ist verankert in einer Überflussgesellschaft, in der der Mangel nur noch emotionaler, psychischer oder intellektueller Natur ist. Aber selbst das, was man sich vermeintlich nicht kaufen kann, lässt sich in Form von Serviceleistung zu Geld zu machen. Welche Inspirationsquellen gab es zur Agentur My Companion?
BERNHARD WENGER: Ich bin 2014 auf Rent-A-Friend- oder Friend-For-Hire-Agenturen aufmerksam geworden, die schon fast seit zwei Jahrzehnten in Japan existieren. Sie sind dort aufgrund der großen Isolation und Einsamkeit der Menschen entstanden. Menschen, die niemanden haben, können jemanden mieten, um auf einen Kaffee zu gehen, um sich auszutauschen. Die Ursprungsidee war es, Menschen zu helfen. Aber wie es oft so ist, werden diese Agenturen sehr häufig auch dafür eingesetzt, um sich besser zu präsentieren, Lügen zu vertuschen, Macht zu demonstrieren, sein Image aufzupeppen. In unserer Gesellschaft würde das genauso funktionieren. Unsere Welt, besonders die meiner Generation, ist sehr stark von Social Media geprägt. Oberflächlichkeit wird immer stärker und durch Corona wurde Isolation auch bei uns mehr zum offenen Problem. Es gibt bereits eine internationale Agentur, wo man auch in Wien Personen mieten kann. Dabei geht es eher noch darum, jemanden für Stadtspaziergänge zu mieten, um dessen „eigenes“ Wien zu entdecken oder um mit einem „Freund aus Wien“ etwas trinken zu gehen. Ich glaube, es wird da nicht Halt machen und sich auch bei uns weiter durchsetzen.
Wie hat sich Ihre Recherche in Japan gestaltet?
BERNHARD WENGER: Ich war 2018 zur Recherche in Japan, um Mitarbeiter:innen von Agenturen kennenzulernen und sie zu ihrem Beruf und ihren Aufträgen zu interviewen. Ich habe viele Details darüber erfahren, wie die Aufträge funktionieren, wie sie sich Mitarbeiter:innen vorbereiten und wofür die gemietet werden. Teilweise waren die Aufträge sogar viel zu absurd, um sie glaubhaft in einen Film einzubauen. Eine Person hat sich mir gegenüber sehr geöffnet und erzählt, dass sie durch die Ausübung dieses Berufs immer mehr vor dem Problem steht, nicht mehr zu wissen, wer sie eigentlich selbst ist. Ich fand diesen Aspekt so faszinierend und tragisch, dass ich ihn für meine Hauptfigur übernommen und darum die skurrile Geschichte gebaut habe.
Sie haben erwähnt, dass Social Media besonders in einer jüngeren Generation eine wachsende Oberflächlichkeit befeuern. Gleichzeitig zeigen Sie im letzten Auftrag eine Feier in einem Schloss bei einer konservativen, sehr old school wirkenden Gesellschaft. Auch wenn Fake und Reales heute immer schwieriger zu unterscheiden ist, zeigt diese Episode auch, dass die Gesellschaft immer vom Schein bestimmt war und in Codes und Oberflächlichkeiten lebt.
BERNHARD WENGER: Es betrifft natürlich nicht nur jüngere Generationen. Besonders in der gesellschaftlichen „Oberschicht“ ist es – und war es immer schon – sehr wichtig, sich bestens vor anderen zu präsentieren. In einer Gesellschaftsschicht, in der Geld keine Rolle spielt und der Schein nach außen gewahrt werden muss, wird dieses Service genutzt. Diese Agenturen sind sehr hochpreisig, es ist ein Luxus, den sich nicht jeder leisten kann. Daher beleuchte ich im Film auch diesen Teil der Gesellschaft. Soziale Anerkennung und Bewunderung wird durch Rent-A-Friend-Agenturen ein käufliches Gut.
Was sich verändert hat, liegt nicht nur in der Monetarisierung aller Lebensbereiche, es haben sich die Frauen und deren Haltung geändert. Während die Ehefrau des Unternehmers am Schlossfest felsenfest hinter ihrem Mann steht, bringen die Frauenfiguren Sophia, Ina, Vera oder die Installateurin herkömmliche Funktionsweisen ins Wanken. Welche Rollen spielen Ihre Frauenfiguren? Wie sehr möchten Sie auch andere, für das patriarchale System ungewohnte Ordnungen, ins Spiel bringen?
BERNHARD WENGER: Diese herkömmlichen Funktionsweisen sind meiner Meinung nach auch veraltete Funktionsweisen. Über die Frauenfiguren im Film fließen Eigenschaften ein, die Matthias nicht hat. Sowohl Sophia als auch Ina wissen, was sie wollen. Matthias weiß das nicht. Matthias verkörpert eine Unsicherheit, ein Verloren-Sein. Im Gegenzug gibt es selbstbewusste Frauenfiguren, die ein klares Ziel vor Augen haben. Wie etwa Sophia: In einer langjährigen Beziehung ist es ja oft ein langer Entscheidungsprozess, bis man bereit ist, sich zu trennen. Wir steigen in PFAU – BIN ICH ECHT? an einem Punkt in die Geschichte ein, wo Sophia schon bewusst ist, dass sie sich trennen muss, den Schritt aber noch nicht getan hat. Offen bleibt, wie anders er einmal war oder was in seinem Inneren noch von einem früheren Matthias übrig ist. Das Maß an Oberflächlichkeit, das er jetzt erreicht hat, hält Sophia nicht mehr aus. Ina hat eine gewisse Ähnlichkeit zu Matthias, was die Verlorenheit im Leben betrifft. Sie scheint aber glücklich zu sein damit, wie sie ist und hat auch eine klare Haltung, was ihn, als ihren love interest angeht. Vera ist eine Figur aus einer älteren Generation, die sich durch einen Impuls, der Matthias während der Ausführung seines Auftrags passiert, bewusst wird, dass sich in ihrer eingefahrenen Beziehung nichts ändern wird und versucht, aus diesen Mustern auszubrechen.