Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 28. August 2014

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Heute vor 265 Jahren wurde in Frankfurt Johann Wolfgang Goethe geboren, den man hier niemals den 'von Goethe' nennt. Denn der bürgerliche Name Goethe adelt schon alleine. Allein, wann gab es den letzten Film über ihn? Sein ungeliebter Konkurrent Schiller dagegen, dem Dominik Graf in DIE GELIEBTEN SCHWESTERN ein spannendes filmisches, funkelndes Denkmal setzt, zieht nun als deutsche Auswahl für den Oscar 2015 in Hollywood ein. Dazu noch mehr.

 

 

CAN A SONG SAVE YOUR LIFE?

 

Ja, kann man auf diese Frage nur antworten. Wenigstens das Leben von Gretta. Dieser Film mit den bekannten Schauspielern, allen voran Keira Knightley als Gretta (Kick it like Beckham, Fluch der Karibik, Stolz und Vorurteil, Abbitte, eine dunkle Begierde, Anna Karenina) und Mark Ruffalo als Musikproduzent Dan (The Kids are allright, Shutter Island, Marvel's The Avengers), das ist so ein Film, der sehr viel mehr hält, als er versprochen hat. Wenigstens in unseren Augen. Denn da wäre es nicht von weltbewegender Bedeutung, was eine junge Musikerin in New York treibt und eben auch nicht, mit wem sie es treibt oder nicht treibt.

 

Aber das ist, bevor man in einem sehr dunklen Club in East Village mit eigenartigen Gestalten und viel Alkohol, Gretta singen hört. Singen? Die junge Frau ist gerade nach New York gekommen und bei einem Freund untergeschlupft, der sie mitnimmt in diesen Club und sie gegen ihren Willen und längeres Widerstreben einfach als Gitarristin und Sängerin auf der Bühne ankündigt. Während wir noch ihre Peinlichkeit mitfühlen - das Publikum klatschte sie inzwischen auf die Bühne und dann: Gott, welch dünnes Stimmchen und ungelenktes Gitarrenspiel -, erleben wir, wie ein einziger unter den Gästen aufmerkt, mit den Fingern den Rhythmus mittrommelt und schon hören wir, was sich in seinem Kopf abspielt: denn Grettas Stimme ist mit opulenten Orchestertönen unterlegt. Dan hat es einfach im Kopf instrumentiert und das Lied geht richtig unter die Haut. Das ist filmisch eine hinreißende Szene.

 

Dan ist also der ziemlich vom Whiskey benebelte Musikproduzent, der eine eigene Plattenfirma hat, wie er sagt, und sie als großes Talent herausbringen will. Schnell, auf jeden Fall schneller als die staunende Gretta, bekommen wir Zuschauer mit, daß das Genie Dan tatsächlich eines war, eine tolle Karriere mit toller Firma hingelegt hatte, bis er den Erfolg in Alkohol ertränkte und alles zum Mißerfolge wurde, seine von ihm gegründete Firma ihm längst nicht mehr gehört, er aber immer noch so auftritt, als sei es seine. Eine interessante Charakterstudie über den Erfolg und was er mit sensiblen Menschen macht, machen kann.

 

Das ist der eine Strang, nämlich wie jetzt Gretta und Dan trotz dieser Widrigkeiten den Klang, den Grettas Stimme in Dans Kopf auslöste, für alle hörbar machen, noch dazu auf eine CD pressen. Dazu gleich mehr. Denn diese Geschichte ist mit einer anderen, dem zweiten Strang, verwoben. Gretta war mit ihrem Freund Dave aus der Provinz nach N.Y. gekommen, da beide hier als Musiker reüssieren wollten. Tatsächlich bekam der Freund (Adam Levine) einen Solo-Vertrag von einem bedeutenden Plattenlabel und gleich viel Geld auf die Hand und Helfershelfer seitens des Studios, vor allem Helfershelferinnen! So richtig schöne jungen Frauen ohne jegliche musikalische Qualität. Dave kann dem nicht widerstehen und verläßt Gretta.

 

Nein, wir erzählen jetzt die beiden ineinanderlaufenden Stränge nicht weiter. Stattdessen von einem wunderlichen Kinoerlebnis, nämlich welche Bedeutung dieses Underdogpaar Gretta und Dan für den Zuschauer gewinnen. Das liegt eindeutig am eindrucksvollen Spiel der beiden. Wenn der Begriff nicht so abgegriffen wäre, müßte man 'am authentischen Spiel' der beiden hinschreiben. Denn sie verkörpern ihre Rollen so wahrhaftig, daß niemals das Gefühl von Rollen überhaupt aufkommt, sondern sie einfach Gretta und Dan werden. Im Fall von Mark Ruffalo ist dessen filmische Bandbreite bekannt. Dies allerdings wird im Fall der Keira Knightley die wirklich große Überraschung. Sie ist bisher immer als Heroine, als besondere Frau in zugespitzten dramatischen Verhältnissen, besetzt worden. Großes Kino also. Als schlichte Gretta mit der Gitarre ist sie eine Entdeckung! Darum haftet dem Film auch nichts Kitschiges oder Klischeehaftes an.

 

Das zweite wunderliche Kinoerlebnis ist die musikalische Idee, die die beiden vom Leben Zusammengewürfelten, in eine dann riesenhaft erfolgreiche CD pressen. Sie spielen mit kleiner Band, zu der Gretta singt, auf allen möglichen Plätzen New Yorks, Hintergrundgeräusche inklusive. Das sieht im Film toll aus und hört sich sehr speziell an. Für ein Studio hätten sie gar kein Geld gehabt, es wollte sie ja auch kein Studioboß herausbringen. Die CD nun verkaufen sie per Internet für einen Dollar rund um die Welt. Die CD entwickelt sich zum Verkaufserfolg, womit viele Fliegen mit einer Klappe, sprich Film geschlagen wurden. Ein sehr angenehmer Kinobesuch also.