Bildschirmfoto 2025 04 19 um 01.03.16Nachtrag: Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 10. April 2025, Teil 11

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Der Film ist ein kleines Juwel. Dazu später mehr. Er war im Mal Seh’n Kino mit der Anwesenheit des Regisseurs Jannis Alexander Kiefer zwecks anschließender Diskussion angekündigt. Daraus wurde nichts – oder doch: sogar viel mehr. Denn die verblüfften Zuschauer konnten verfolgen, wie das Konstrukt im Film, wo der wichtige Part der Amerikaner nie durch lebendige Personen dargestellt wird, sondern durch Telefongespräche, sich nun auch im anschließenden Regisseursgespräch die selbe Situation wiederholte: kein anwesender Kiefer, aber die Gastwirtin im Film, die Schauspielerin Gisa Flake, effektvoll das Handy ans Mikrophon haltend (Foto!), so daß die Stimme des Regisseurs volltönend im Kinosaal ertönte und sich anschließend eine witzige, inhaltsreiche Diskussion per Telefon ergab.


Bildschirmfoto 2025 04 19 um 01.03.51Und das kam so: vor dem Film kündigte Kinoleiter Gunter Deller an, daß Jannis Alexander Kiefer (der Name wird nun immer voll ausgeschrieben, denn: den Mann muß man sich merken) gerade mitgeteilt habe, daß sein Zug nach Mainz umgeleitet werde, er sich von dort aber sofort auf den Weg nach Frankfurt mache. Nach den 96 Minuten Film war er aber immer noch nicht da. Was tun? Davor war dem Kino schon bekannt geworden, daß die Schauspielerin Gisa Flake, die im Film die Wirtin spielt, in Frankfurt drehe - wo man fröhliche Dicke brauche, wie sie selbst betonte - und Zeit habe, zu kommen. Sie war also da. Nun konnten Gunter Deller und sie per Handy den Kontakt zu Jannis Alexander Kiefer herstellen, der aber lieber selbst zurückrufen wollte, was geschah.

Er ließ das Publikum nicht im Unklaren, daß er sich im Zug erst einmal in ein Abteil begeben müsse, wo er laut reden könne, und auch, daß er sich dem Frankfurter Hauptbahnhof nähere, aber das Entscheidende war, daß eine so lebendige und auch ausführliche Diskussion mit dem Regisseur folgte, die, so behaupten wir, bei seiner Anwesenheit auf der Bühne so nicht zustande gekommen wäre. Fast schien es, als ob die Nichtanwesenheit das Fragebedürfnis der Zuschauer und seine Mitteilsamkeit gesteigert habe. Seien wir ehrlich: Daran hat Gisa Flake ihren großen Anteil! Die bog sich nämlich nach allen Seiten, um sowohl mittels des Handy in ihren Händen, wie auch dem an das Handy gehaltenen Mikrophon, klar, auch durch ihre Hände, fließende Kommunikation möglich zu machen. Dabei sprach sie aber auch noch, denn so manche Frage aus dem Publikum war über’s Telefon nicht zu verstehen und auch manche Antworten von Jannis Alexander Kiefer benötigten die Interpretation von Gisa Flake und auch, wenn das nicht der Fall war, lieferte sie trotzdem. Auf jeden Fall war das ein Heidenspaß, der aus dieser Regisseursbefragung erwuchs.

Um was es ging? Nein, das war natürlich nicht zweitrangig, die Anzahl der Drehtage, wie überhaupt das Drehen das Interesse weckte, einschließlich des Etats, aber so mancher Zuschauer dachte im Nachhinein, er hätte lieber erst die Anmerkungen und Erklärungen des Regisseurs gehabt und dann danach den Film gesehen. Das haben Filme, die man als kleines Juwel bezeichnet, so an sich.

Also im Film werden wir in Wiesenwalde willkommen geheißen. Da gibt es eine gewitzte, rührige neue Bürgermeisterin (Meike Droste), die hat Hollywood nach Wiesenwalde geholt; die amerikanische Produktion drehen hier einen Film, der mit dem Zweiten Weltkrieg zu tun hat. Oder kommt einem das nur so vor, daß es eigentlich um den Einzug der Amerikaner nach der Niederlage Deutschlands geht, der am 8. Mai 1945 und der Kapitulation, heute sinnigerweise Befreiung Deutschlands tituliert, erfolgte und in wenigen Tagen den 80sten Jahrestag feiert. Übrigens standen damals die Amerikaner auch in Thüringen, befreiten das KZ Buchenwald, aber im Sommer 1945 wurde die Grenze zwischen den von Russen und Amerikanern besetzten deutschen Gebiete nach Westen verschoben: die Zonengrenze war geboren. Aber das hat mit dem Film nur insoweit zu tun, als das märchenhafte Wiesenwalde im Osten Deutschlands liegt.

Doch der für die Dreharbeiten benötigte Panzer (englisch: tank) landet im Garten der Bürgermeisterin, wo er wirklich nichts zu suchen hat. Guter Anlaß für nicht abreißende Telefoniererei mit der amerikanischen Filmcrew, was nichts nützte, weshalb Susanne selbst vorstellig wird. Vom Sohn Tobi (Johannes Scheidweiler), den sie als Fahrer bei den Amis unterbringen konnte, kann sie nicht viel erwarten. Dem sieht man nicht an, daß er so eine taffe Mutter hat und macht sich auch nichts draus, daß er gar keinen Führerschein besitzt, weil er bei der Fahrprüfung durchgefallen war. Der läßt sich an Hoffnung und mangelnder Eignung sowie Naivität nur noch übertreffen durch Wolffi (Alexander Schuster), der sich in der Telemann-Klause, da, wo Jenny (Gisa Flake) den Laden schmeißt, stolz in seiner NS-Uniform zeigt: das Kürzel NS ist weithin bekannt, aber wissen junge Leute heute noch, daß die Soldaten in der Wehrmacht erfaßt waren, Wehrmachtsuniformen trugen?

Die vielen Geschichten, die sich aus der Grundgeschichte, daß hier ein Film gedreht wird, wir also auch einem fiktiven Film im wirklichen Film beiwohnen, kann man gar nicht weitererzählen, weil es so viele kleine funkelnden Episoden gibt, die aneinandergereiht so ein kleines Dorf als Nukleus aller Sehnsüchte und Erwartungen der Einwohner, aber auch aller Ängste und Eingeständnisse von Schuld dieser aufzeigen.

Wir dürfen den Journalisten Bert (Roland Bonjour) nicht vergessen, den ehemalige Dorfbewohner und Liebhaber der Bürgermeisterin. Der kommt nämlich zurück ins Dorf, weil er sich von den Dreharbeiten der Amerikaner guten Schreibstoff erhofft. Die Amerikaner! So viel Hoffnung. Aber nichts dahinter? Ob sie für die Stromausfälle verantwortlich sind oder die alte DDR, ist nicht so auszumachen, wie überhaupt manches im Dunkeln bleibt, was aber nicht schadet, denn so macht man sich seine eigenen Gedanken, was hier los ist in Wiesenwalde oder anderenorts! Eigenartig, daß es so viele patente ältere Frauen gibt. Männer nicht. Die sind meist jung, auf jeden Fall unbedarft. 

 

Foto:
©Verleih


Info:
2024, DEUTSCHLAND 96 MIN
21:9 5.1 - DOLBY SURROUND COLOR - DIGITAL
DEUTSCH & ENGLISCH
Stab

REGIE: JANNIS ALEXANDER KIEFER
DREHBUCH: THERESA WEININGER & JANNIS ALEXANDER KIEFER

 

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