Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 29. Mai 2025, Teil 1
Margarete Ohly-Wüst
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – 1950 ist Anatole ″Zsa-Zsa″ Korda (Benicio del Toro) einer der reichsten europäischen Industriellen durch seine Beteiligungen an der Rüstungs- und Luftfahrtbranche. Sein neustes Unternehmen und seine weitreichenden, komplexen und rücksichtslosen Geschäftspraktiken haben ihn nicht nur zum Feind konkurrierender Unternehmen, sondern auch von Regierungen aller Ideologien weltweit gemacht. Das lässt ihn in das Visier eines Konsortiums unter der Führung des intriganten Tycoons Excalibur (Rupert Friend) geraten.
Gerade überlebt Zsa-Zsa wieder einen Anschlag auf sein Leben bei seinem sechsten Flugzeugabsturz. Da er nicht allzu viel von seinen neun Söhnen hält, hat er seine einzige Tochter Liesl (Mia Threapleton), die als Novizin in der Abgeschiedenheit eines Klosters lebt und kurz vor ihrem endgültigen Gelübde als Nonne steht, zu seiner Alleinerbin – auf Probe - erklärt. Liesl ist vor allem daran interessiert, ob ihr Vater für den Tod seiner ersten (von bisher drei) Frauen verantwortlich ist, denn es wird ihm nachgesagt, dass er für den Tod alle seiner Frauen verantwortlich sei.
Zsa-Zsa zeigt gleich einmal seiner Tochter am Beispiel von neun Schuhkartons die Bausteine des sogenannten Phönizischen Meisterstreichs, bei denen es sich um ein mehrere Mammutbauten umfassendes Infrastrukturprojekt für den fiktiven Staat Phönizien handelt.
Um Zsa-Zsa zu Fall zu bringen, beginnen gleichzeitig seine Feinde unter Führung des Bürokraten Excalibur die Börsenkurse so zu manipulieren, dass Zsa-Zsas Kalkulation für seine Projekte hinten und vorne nicht mehr aufgehen. Deshalb muss Korda quer durch Phönizien reisen, um die Verträge mit seinen Geschäftspartnern neu zu verhandeln.
Er nimmt Liesl mit zu den Verhandlungen mit Prince Farouk (Riz Ahmed), da er sich in der Endphase eines jahrzehntelangen, karrierebestimmenden Projekts (Korda Land and Sea Phoenician Infrastructure Scheme) befindet, der umfassenden Erschließung einer potenziell reichen, aber lange brachliegenden Region. Leider ist aus verschiedenen Gründen ein kurzes Stück der wichtigen Eisenbahntrasse nicht fertig gestellt worden.
Während er mit Liesl und Bjorn Lund (Michael Cera), dem norwegischen Privatlehrer seiner Söhne, der vor allem an Insekten interessiert ist, das moderne Phönizien durchstreifen und versuchen alle Probleme zu beheben, treffen sie auf die potentiellen Partner und versuchen so, das rapide wachsende finanzielle Defizit des Projektes zu beheben.
Dabei ist nicht nur weiterhin Zsa-Zsa Kordas Leben bedroht, da gleichzeitig auch das Risiko für sein Privatvermögen unkalkulierbar geworden ist, denn neben seiner Cousine Hilda (Scarlett Johansson) hält Zsa-Zsas entfremdeter Halbbruder Nubar (Benedict Cumberbatch) immer größere Anteile an den Projekten.
So begeben sich Zsa-Zsa und Liesl auf eine riskante Reise, bei der zahlreiche ungelöste Konflikte zutage treten und langjährige Loyalitäten auf eine harte Probe gestellt werden, gleichzeitig aber versucht auch Liesl, den ungeklärten Mord an ihrer Mutter (Charlotte Gainsbourg), der zehn Jahre zurückliegt, aufzuklären…
″Der phönizische Meisterstreich″ ist eine Tragikomödie des Regisseurs Wes Anderson, der auch selbst das Drehbuch nach einer Story von ihm und Roman Coppola geschrieben hat. Die Dreharbeiten fanden von März bis Juni 2024 im Studio Babelsberg statt. Dort ist Anderson kein Unbekannter, denn er hat bereits seine Filme ″The Grand Budapest Hotel″ (2014), ″The French Dispatch″ (2021) – auch mit Benicio del Toro in der Hauptrolle - und ″Asteroid City″ (2023) mit Scarlett Johansson und Tom Hanks in den Studios gedreht.
Der Film wurde mit 10,4 Millionen Euro vom Deutschen Filmförderfonds gefördert, dazu kamen noch 1,5 Millionen Euro vom Medienboard Berlin-Brandenburg. Als Kameramann fungierte erstmals der mehrfach Oscar-nominierte Bruno Delbonnel. Die Filmmusik komponierte Oscar-Preisträger Alexandre Desplat (u.a. für ″Grand Budapest Hotel″), mit dem Wes Anderson schon in sechs Filmen zusammen gearbeitet hat. Die Tragikomödie hatte ihre Weltpremiere am 18. Mai 2025 bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes, wo er im Wettbewerb um die Goldene Palme konkurriert hat.
Im hier besprochenen Film sind wieder Benicio del Toro als Zsa-Zsa Korda und erstmals Mia Threapleton (die Tochter von Kate Winslet) als Schwester Liesl und Michael Cera als Bjorn Lund die Hauptcharaktere des Thrillers.
Wie immer in den Filmen von Wes Anderson gibt es das Who’s Who in den weiteren Rollen mit Riz Ahmed, Scarlett Johansson, Tom Hanks, Benedict Cumberbatch und Rupert Friend. Daneben sind teilweise in winzigen Rollen Schauspieler zu sehen, die regelmäßig in Andersons Filmen auftreten wie Willem Dafoe, Bryan Cranston, Imad Mardnli, Mohamed Chahrour, Mathieu Amalric, Jeffrey Wright und Charlotte Gainsbourg. Natürlich fehlt auch Bill Murray in einem Cameo als Gott nicht.
″Der phönizische Meisterstreich″ setzt in der Charakterzeichnung der Hauptpersonen gekonnt Humor und Charme ein. Im Zentrum steht dabei Benicio del Toro als Zsa-Zsa Korda, der andauernd versucht, seine Gegner über den Tisch zu ziehen. Dummerweise hat er damit nicht allzu viel Erfolg, denn er versucht gleichzeitig, seine Tochter von seinen guten Absichten zu überzeugen. Der Schauspieler begeistert als abgebrühter Geschäftsmann, den selbst Mordversuche in einem Flugzeug nicht aus der Ruhe bringen können, der dann aber wegen Liesl gezwungen ist, auch seine besseren Seiten zu entdecken.
Mia Threapleton steht als Nonne del Toro nicht nach, denn sie spielt ihre Rolle als Liesl ziemlich trocken aber mit viel Passion und Kuriosität. Daneben hat Michael Cera vermutlich die meisten Lacher, wenn er – im Original mit skandinavischem Akzent – im falschen Moment wieder ein Insekt aus der Tasche zieht.
Hervorzuheben ist auch ein Basketball-Match zwischen Tom Hanks als Leland und Bryan Cranston als Reagan auf der einen Seite und Riz Ahmeds Prince Farouk auf der anderen Seite, mit dem dann die Verhandlungen abgeschlossen werden sollen. Ein weiteres Highlight ist dann gegen Ende, wenn sich Benedict Cumberbatch als Halbbruder Nubar eine ausgedehnte Schlägerei mit del Toros Zsa-Zsa mit Lampenschirm-Ständern und anderen Haushaltsgegenständen liefert.
Die Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) hat die Tragikomödie mit dem Prädikat ″besonders wertvoll″ ausgezeichnet, da in seinem neuen Film Regisseur Wes Anderson seine Sonderstellung als Meister des filmischen Tableaus beweist. Jede einzelne Einstellung ist so reich an Details, an Farben und ungewöhnlichen Blickwinkeln, dass es eine wahre Freude ist, in diese klar abgezirkelte und gleichzeitig verspielte Bilderwelt einzutauchen.
Insgesamt ist ″Der phönizische Meisterstreich″ ein sehenswerter, wenn auch etwas seltsamer Film, der rasante, kurzweilige Unterhaltung bietet und in der Charakterzeichnung gekonnt Humor und Charme verbindet. Durch die zusätzlichen Heist-Plots und dem typischen Humor, die besonders gut zum Stil des Regisseurs passen, ist der Film für Wes Anderson Fans ein unbedingtes Muss.
Foto 1: Mia Threapleton als Liesl und Benicio del Toro als Zsa-Zsa Korda © 2025 TPS Productions / Focus Features
Foto 2: Michael Cera als Bjorn und Benicio del Toro als Zsa-Zsa Korda © 2025 TPS Productions / Focus Features
Foto 3: Michael Cera als Bjorn und Mia Threapleton als Liesl © 2025 TPS Productions / Focus Features
Foto 4: v.l.n.r. Michael Cera als Bjorn Lund, Benicio Del Toro als Zsa-Zsa Korda und Mia Threapleton als Liesl © 2025 TPS Productions / Focus Features
Info:
Der phönizische Meisterstreich (USA, Deutschland 2025)
Originaltitel: The Phoenician Scheme
Genre: Tragikomödie, Action, Abenteuer, Spionage
Filmlänge: ca. 101 Min.
Regie: Wes Anderson
Drehbuch: Wes Anderson
nach einer Story von Wes Anderson & Roman Coppola
Darsteller: Benicio del Toro, Mia Threapleton, Michael Cera, Scarlett Johansson, Tom Hanks, Bryan Cranston, Mathieu Amalric, Benedict Cumberbatch, Rupert Friend, Riz Ahmed, Charlotte Gainsbourg, Antonia Desplat, Imad Mardnli, Mohamed Chahrour, Max Mauff, Volker Zack, Jeffrey Wright, Richard Ayoade, Hope Davis, Bill Murray u.a.
Verleih: Universal Pictures Germany
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 29.05.2025