Nachtrag: Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 22. Mai 2025, Teil 9
Holger Twele
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Journalisten in Krisengebieten und insbesondere Kriegsreporter riskieren in ihrem Job oft ihr Leben. Manche werden berühmt, wie etwa die Kriegsfotografin Lee Miller (1907–1977), an die Ellen Kuras 2023 in ihrem Spielfilm „Die Fotografin“ erinnerte. Nicht selten werden sie auch zu tragischen Figuren, so unterschiedlich und mitunter undurchsichtig ihre Motivation für ihre Aufgabe sein mag. Eher die Regel ist, dass sie bei ihrer täglichen Arbeit in moralische Konflikte geraten und sich selbst hinterfragen müssen oder sollten. Was darf oder soll man zeigen? Was geben die Redaktionen in Auftrag und was nehmen sie einem ab? Ist man mehr neutraler Beobachter oder wird man der Parteinahme oder gar der Spionage bezichtigt? Wer hat und nutzt die Macht über die gezeigten Bilder und Reportagen? Und nicht zu vergessen: Werden die Menschen und Helfer vor Ort für die eigenen Zwecke benutzt und bei Gefahr im Stich gelassen, wie es nicht nur in Afghanistan der Fall gewesen ist?
Gemessen an den wahren Größen in diesem heiklen und gefährlichen Geschäft ist die Hauptfigur Leo im Debütspielfilm „Good News“ von Hannes Schilling eher ein unbeschriebenes Blatt. Das bringt Leos eigene Fehler umso deutlicher zum Ausdruck, weil er kein Medienstar ist, der über jeden Verdacht erhaben ist. Der deutsche Journalist hat in seiner Heimat die Zelte abgebrochen, seine Frau und seine Tochter verlassen in der Hoffnung, in Thailand endlich journalistischen Erfolg zu haben. Das sollte ihm gelingen, wenn er es schafft, im Süden von Thailand über eine geheime Rebellengruppe zu berichten. Dort kämpfen Separatisten in den mehrheitlich von malaiischen Muslimen bewohnten Provinzen gegen die seit Jahren herrschende Militärregierung des Landes, in denen der Buddhismus Staatsreligion ist. Den Kontakt zu den misstrauischen Rebellen sucht Leo mit Hilfe seines thailändischen Freundes Mawar, dem er als Gegenleistung verspricht, ihm später ein besseres Leben in Deutschland zu ermöglichen. So einfach wie sich Leo das Unterfangen vorgestellt hatte, ist es aber nicht. Die zunehmende Geldnot und die anhaltenden Misserfolge bewegen Leo schließlich zu einem folgenschweren Fehler. Er verfasst einen Artikel über die Begegnung mit den Rebellen, der jedoch frei erfunden ist. Kurz darauf taucht der Fotograf Julian im Auftrag von Leos Redaktion auf, um Fotos von diesen zu machen und er kennt dabei offenbar keine Skrupel. Auch Malwar beginnt, den Versprechungen seines Freundes zu misstrauen. Bei einem erneuten Versuch der Kontaktaufnahme geraten Leo und Julian im Urwald in unmittelbare Lebensgefahr.
Regisseur Hannes Schilling hatte zunächst Audiovisuelle Medien in Berlin studiert und danach bis 2014 Regie an der Filmuniversität Babelsberg. Seinen Debütspielfilm, der 2024 beim Filmfestival Max Ophüls Preis seine Premiere hatte und als „gesellschaftlich relevanter Film“ ausgezeichnet wurde, hat er ganz in Schwarzweiß und im Breitwandformat gedreht. Ersteres unterstreicht den universellen und parabelartigen Charakter der Geschichte, letzteres die untrennbare Verbindung zwischen dem Individuum und seiner Umwelt sowohl in Bezug auf menschliche Beziehungen als auch auf die Natur. Diese nimmt im Urwald einen geradezu übermächtigen Einfluss auf das Geschehen. Die oft mit Handkamera aufgenommenen Bilder unterstreichen den subjektiven Charakter der Wahrnehmung und erzeugen einen Sog, dem man sich als Zuschauender kaum entziehen kann, zumal die aufgeworfenen moralischen Fragestellungen sich keineswegs nur auf die Arbeit von Journalisten beziehen. Wie weit zu gehen ist man bereit, um persönliche und berufliche Ziele zu erreichen?
Hannes Schilling hat seinen Spielfilm 2021 bei einem Studienaufenthalt an der Prince of Songkla-Universität im Süden Thailands vorbereitet. Die Idee dazu kam ihm jedoch bereits zwei Jahre zuvor bei einem Studentenaustauschprogramm in Südafrika, wo er an einem Kurzdokumentarfilm über das Leben einer schwarzen Familienmutter arbeitete, die aus den Townships stammt und als Putzfrau in der weißen Oberschicht arbeitet. Dabei wurde ihm bei den Dreharbeiten klar, dass er seine Freunde in mögliche Gefahr brachte, sie zwar unabdingbar für das Projekt benötigte, ihr Vertrauen aber nicht missbrauchen wollte. Ein Dilemma, das insbesondere Medienschaffende betrifft, das Wechselspiel von Medienmacht und Erwartungshaltungen des Publikums eingeschlossen. Darauf verweist der hintersinnige und ambivalente Titel „Good News“.
Foto:
© Falco Seliger, Jost Hering Filme, UCM.ONE
Info:
Good News (Deutschland 2024)
Genre: Drama, Thriller
Filmlänge: 75 Min.
Regie: Hannes Schilling
Drehbuch: Ghiath Al Mhitawi, Hannes Schilling
Kamera: Falco Seliger
Schnitt: Marie Fontanel, Paul Gröbel
Ton: Alexander Wolf, Anastasiia Nasonkina
Darsteller: Ilja Stahl (Leo), Sabree Matming (Marwan), Dennis Scheuermann (Julian) u. a.
Produktion: Jost Hering Filme
FSK: ab 12 Jahren (beantragt)
Verleih: UCM.ONE
Kinostart: 22. Mai 2025