Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 31. Juli 2025, Teil 9

Redaktion

Paris (Weltexpresso) - Mit traurigem Blick und Ringen unter den Augen kommt sie zu spät zur Arbeit, kippt um und sucht sich abends Vodka in Plastikflaschen aus dem Versteck, nachdem ihre drei Söhne im Bett sind. Am nächsten Morgen vergisst sie die Handbremse zu ziehen, der Wagen mit den Kindern rollt in ein anderes Auto. Aufgrund dieses Vorfalls verliert Suzanne (Valérie Bonneton) das Sorgerecht für ihre Kinder und erhält die gerichtliche Auflage, sich in einer Entzugsklinik behandeln zu lassen. Dort angekommen, muss sie das Handy abgeben und Regeln akzeptieren. Ein Telefon gibt`s auf dem Flur, Ausgang nur mit Erlaubnis, bei der Rückkehr Alkoholtest. 


Erst leidet die Endvierzigerin unter Entzugserscheinungen, fügt sich dann langsam in den Alltag ein und trifft auf Frauen jeden Alters und jeder sozialen Schicht, wie Chantal (Sophie Leboutte), die bereits den
elften Entzug hinter sich hat und immer noch an einen Erfolg glaubt, irgendwann. Und da sind noch Alice und Diane, zwei Frauen mit starken Charakteren. Alice (Sabrina Ouazani, bekannt aus „La Source des Femmes“) die im Silberdress auf lustiges Partygirl macht, mit ihren Aggressionsausbrüche alle verwirrt und insgeheim darunter leidet, dass sie im Heim aufgewachsen ist und nie ihre Mutter kennengelernt hat. Ganz anders die mondäne Diane (Michèle Laroque), deren Schauspielkarriere unter ihrer Alkoholsucht leidet und am Hang zum Champagner scheitert. Ihre Tochter will nichts mehr mit ihr zu tun haben und verbietet ihr den Umgang mit dem Enkel.

Therapeuten, Psychologen und Pfleger kümmern sich liebevoll um die oft schwer zu bändigenden Patientinnen. Vor allem Denis (Clovis Cornillac), Sportlehrer des Zentrums und seit zwölf Jahren trockener Alkoholiker, bemüht sich, die Damen bei Laune zu halten. Er hat den verrückten Plan, sie für die Dünenrallye, einem gefürchteten und berüchtigten Autorennen in der marokkanischen Wüste, zu begeistern, um so Zusammenhalt und Eigenverantwortung zu festigen. Mit viel Verständnis und noch mehr Geduld bereitet er sie auf das Ereignis vor, bringt ihnen in neun Wochen bei, wie man Zelte aufbaut, Öl wechselt und Reparaturen durchführt, den Kompass nutzt und wie die Mechanik des Autos funktioniert. Entdeckt er aber eine Dose Bier, ist nicht mehr mit ihm zu spaßen.

Parallel zu den Vorbereitungen lernen die Frauen, die Krankheit nicht mehr zu leugnen, sondern zu akzeptieren. Sie werden auf ein soziales Leben ohne Alkohol vorbereitet, dazu gehört auch Apéritifs in gelöster Laune ohne Alkohol zu genießen. In Therapierunden reden sie über die Ursache ihres Trinkens und da kommt vieles zur Sprache, gehört für viele doch ein Glas Wein, ein Gläschen Schnaps oder ein Bier zur „Lebensart“. Gründe sind leicht zu finden – Einsamkeit, Scham, Lebensangst, Verletzlichkeit, mangelnde Anerkennung, Depression, Beziehungsstress, Vergessen wollen. Für Diane ist Alkohol so etwas wie Detox, außerdem verweist sie kapriziös auf ihren Blutzucker. Alice kann einfach nicht aufhören, wenn sie mal an der Bar sitzt und Suzanne war nach dem Tod ihres Mannes unglücklich und überfordert. Als Mutter empfindet sie es als schrecklich, dass sie ihre Kinder nicht kontaktieren darf. Als sie bei einem Anruf erfährt, dass sie auch nach dem Entzug nur am Wochenende und unter Aufsicht die Kinder besuchen kann, knallen ihr die Sicherungen durch. Sie fährt nach Hause und betrinkt sich. Das Schlimmste verhütet Denis, der das Häuflein Elend findet und versucht ihr neuen Mut zu machen. Er setzt sich auch für sie ein, so dass sie in der Klinik bleiben darf.

Endlich ist er da, der Abreisetag nach Marokko. Auf dem Schiff betrinkt sich Chantal und so starten Suzanne als Fahrerin, Alice als Co-Pilotin und Diane das Abenteuer ohne sie. Abends im Camp erwartet sie Denis, der ihren Trip am Monitor verfolgt. Die Biwaks ersetzen die Sitzungen beim Psychiater. Nach einigen Querelen und Anfangsschwierigkeiten sind die drei ein eingeschworenes Team, verweigern locker
lächelnd den Willkommensdrink und halten zusammen, auch wenn mal ein Rad unkontrolliert durch die Wüste rollert, sie den Weg verlieren, am falschen Registrierungspunkt landen oder im strömenden Regen hocken. Eine Reise, in der sie in magisch-schöner Wüstenlandschaft weibliche Solidarität leben und erleben, eine Reise, die sie zu sich selbst führt und ungewohnte Stärke und Selbstbewusstsein verleiht. Der Blick hat sich geändert zu einem optimistischen in die Zukunft, ihre Zukunft, auch wenn die Reise so ganz anders endet als geplant.

 ÜBER DEN FILM
Wenn es um Alkoholsucht geht, dann wird es oft als männliches Thema dargestellt wie in Henri Verneuils „Ein Affe im Winter“ (mit Jean-Paul Belmondo und Jean Gabin), in Barbet Schroeders “Barfly“ (mit Mickey Rourke) bis hin zu „Der Rausch“ von Thomas Vinterberg (mit Mads Mikkelsen). Im Gegensatz dazu greift DIE GUTEN UND DIE BESSEREN TAGE von Elsa Bennett und Hippolyte Dard dieses Tabu-Thema entschlossen auf und nimmt den weiblichen Rausch und seine Folgen unter die Lupe.

Das Regieduo, bekannt durch Zusammenarbeit bei Serien wie „L´île prisonnière“, vermeidet Klischees und den üblichen Druck auf die „Tränendrüse“, ohne dabei Leid, Zweifel und Verzweiflung zu verbergen und realisiert seinen ersten Spielfilm mit inszenatorischer Kühnheit. Die Handlung verbindet Humor und Traurigkeit, setzt in einem fulminanten Mix aus bitter-süßem Sozialdrama und dokumentarischer
Anmutung auf Kraft und Willen der drei Protagonistinnen. Sie bieten mit Resilienz auch Krisen und Schicksalsschlängen die Stirn und kämpfen darum, sich aus dem Teufelskreis von Sucht, Entzug und Rückfall zu befreien.

Neben den professionellen Hauptdarstellern wirken einige alkoholabhängige Frauen mit, was dem Film zusätzliche Authentizität und Menschlichkeit, manchmal eine wunderbare Portion Selbstironie verleiht.
„Ich möchte, dass sich der Blick auf sie ändert“ sagt Denis zu Suzanne. Und in diesem Satz versteckt sich die Botschaft des Films: Hoffnung zu vermitteln, ohne Verharmlosung der Probleme. Es ist nie zu spät, es gibt die Chance, sich ein Stück Würde und Selbstachtung zurück zu erobern, auf sich stolz zu sein. DIE GUTEN UND DIE BESSEREN TAGE schafft es mit Leichtigkeit, glaubwürdig und publikumsnah ein unbequemes und verdrängtes Thema bewegend an die Öffentlichkeit zu bringen, schlicht und einfach mit dem Herzen.


Foto:
© Verleih


Info:

Stab

Regie Elsa BENNETT, Hippolyte DARD

Drehbuch Elsa BENNETT, Hippolyte DARD, Louis-Julien PETIT


Besetzung

Suzanne Valérie BONNETON

Diane Michèle LAROQUE

Alice Sabrina OUAZANI

Denis Clovis CORNILLAC

Chantal Sophia LEBOUTTE

Docteur Mathys Myriem AKHEDDIOU

Colette Laurence COTTET

Théo Manuel GINION

Yohan Corentin CAMUS

Jonas Felix BRIAND

Huguette Isabelle DE HERTOGH

Linda Stéphanie CHAMOT

Nora Christelle DELBROUCK

Sandrine Ingrid HEDERSHEIDT

Länge: 104 Minuten

Produktionsland/Jahr: Frankreich 2024

Abdruck aus dem Presseheft