bessereSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 31. Juli 2025, Teil 10

Redaktion

Paris (Weltexpresso) - Was war der Ausgangpunkt für die Geschichte?

Elsa Bennett: Die Realisierung dieses Films war für mich eine Notwendigkeit. Ich wollte das Thema Alkoholismus bei Frauen behandeln und ihnen helfen, ihr Schweigen zu brechen, eine Tür öffnen zu diesem gesellschaftlichen Tabu, obwohl es sich in Wirklichkeit eine echte Gefahr für die Gesundheit ist. Die Besonderheit des weiblichen
Alkoholismus besteht darin, dass er sehr oft mit Scham, Schande und Schuldgefühlen erlebt wird. Noch immer suchen zu viele Frauen keine Hilfe aufgrund des großen sozialen, beruflichen und familiären Drucks.

Hippolyte Dard: Alkohol ist in der Tat in vielen Familien präsent, auch in meiner eigenen. Bei unseren Recherchen haben wir festgestellt, dass es Filme über männlichen Alkoholismus gibt, dagegen praktisch keine über Frauen.



Was ist das Besondere an Alkoholismus von Frauen und wie wollten Sie ihn im Film darstellen?

EB: Weder die Familien noch die Gesellschaft erkennen das Leid der Frauen. Eine große Anzahl von Frauen fühlt sich mit ihrer Sucht sehr allein gelassen. Zur Vertiefung des Themas haben wir Laurence Cottet konsultiert, eine ehemalige Alkoholikerin, die heute Vorträge über ihren Ausstieg aus der Sucht hält. Durch sie erhielten wir Zugang zu Suchtkliniken, wo wir Frauen trafen, die freiwillig über sich erzählten. Wir entdeckten Menschen, die einen langen, oft mit Fallstricken übersäten Weg gingen. Alkohol ist überall zugänglich, es ist schwierig, sich dem Konsum zu entziehen. Da besteht die Gefahr, nach Verlassen des Zentrums schnell rückfällig zu werden. Es ist ein echter Kampf, der Versuchung nicht nachzugeben. Wir müssen fragen: Was sind die Ursachen und wie kann man ihnen begegnen? Die immense Einsamkeit dieser Menschen muss durchbrochen werden, indem man von ihrem Schicksal erzählt, indem man sie filmt. DIE GUTEN UND DIE BESSEREN TAGE nenne ich eine dramatische Komödie.


Wie haben Sie den komödiantischen Aspekt in die Geschichte gebracht?

EB: Es war schwierig, beim Schreiben mit Louis-Julien Petit die Linie beizubehalten. Dabei durften wir die Frauen nicht verletzen oder das Thema ins Lächerliche ziehen. Auf der anderen Seite sollte unser Film Hoffnung vermitteln, deshalb wurden komödienhafte Szenen sehr überlegt in die Erzählung eingefügt.

HD: In den Drogenbehandlungszentren sind die Patienten oft ohne Energie, besonders am Anfang. Für uns war es jedoch wichtig, kleine komische Situationen einzustreuen, denn Komik ist zum Leben notwendig.

EB: Die Komödienfragmente sollen unsere Geschichte zugänglich machen, aber auch eine Vorstellung davon geben, was Resilienz sein kann. Denn Resilienz heißt auch, die Freude am Leben und den Kontakt zu anderen wieder zu finden. Die Komödie ermöglicht es, bestimmte Botschaften auch leichter rüberbringen. Dadurch finden diese Frauen mehr Gehör und Verständnis, vor allem in ihrem näheren Kreis. Überraschenderweise zeigten viele der Frauen in diesen Zentren auch Humor, Ironie und eine gewisse Form der Selbstironie. Wenn sie über ihren Alkoholismus sprachen, ließen sie die Dramatik außen vor, erzählten auch von absurden Situationen unter Alkoholeinfluss. Und ich fühlte mich berechtigt, auch mal lachen zu dürfen, ohne das Thema zu verraten.


Erzählen Sie uns etwas über die drei Hauptfiguren - Suzanne, Diane und Alice.

HD: Suzanne ist eine Frau, deren Alltag dem der meisten von uns entspricht. Sie kann unsere Nachbarin, Mutter oder Schwester sein. Was ihr passiert, kann jedem passieren.
Diane ist mehr eine Dame der Gesellschaft, wird mehr bevorzugt und geschätzt. Sie ist ein Symbol dafür, dass Alkoholismus absolut alle sozialen Schichten betrifft.
Alice ist eine Figur, die die Vitalität der Jugend widerspiegelt, denn es gibt in diesen Zentren sehr viel junge Frauen. Sie wurde adoptiert, was ihrem Leben einen Bruch versetzte und sie fragil macht, ohne dass sie sich dessen bewusst ist. Sie ist eigentlich eine gutmütige Person, überschreitet aber ihre Grenzen, wenn sie zu viel trinkt. All diese Frauen haben eines gemeinsam: Sie trinken, um ihr Leiden zu kaschieren.



Ihre drei Schauspielerinnen, Valérie Bonneton, Michèle Laroque und Sabrina Ouazani strahlen eine sehr unterschiedliche Energie aus. Inwiefern war das für den Film wichtig?

EB: Wir mussten mit sehr starken Kontrasten zwischen unseren drei Heldinnen arbeiten, damit möglichst viele sich mit ihnen identifizieren können. Jede Geschichte ist einzigartig und sehr persönlich. Gerade deshalb findet man einen Zugang. Und unsere drei beim Publikum beliebten Schauspielerinnen sorgten für besonderen Reiz
und Neugier.

HD: Diese Figuren sind aktive und auf ihre Weise unabhängige Frauen. An einem Punkt ihres Lebens sind sie gezwungen, sich um zu orientieren, mit anderen gemeinsam das Leben zu teilen und damit zurecht zu kommen. Heilung ist nur durch Zusammenhalt und Öffnung anderen gegenüber möglich. Alkoholismus führt durch
Konzentration auf sich selbst und Abgrenzung in eine Sackgasse.



Es gibt auch eine männliche Stimme, verkörpert durch Clovis Cornillac als Coach. Welche Rolle hat er?

EB: Denis, die von Clovis gespielte Figur, steht für die Menschlichkeit, mit der die Pfleger ihre Patienten behandeln. Suchttherapeuten, Ärzte, Krankenschwestern und -pfleger in den Suchtkliniken rackern sich jeden Tag für ihre Patienten ab, ohne jemals die Hoffnung zu verlieren. Das ist eine Form der Selbstaufopferung und ultimativen Selbstverwirklichung. Clovis war perfekt für die Rolle, da er über einen großen Sympathiefaktor verfügt und man ihm die aufrichtige Menschlichkeit abnimmt. Er brachte sogar noch mehr Tiefe und Authentizität in die Figur ein als im Drehbuch stand.

HD: Ja, wir brauchten eine emotionale männliche Figur, die instinktiv, praktisch und pragmatisch eine andere Komponente in das Leben der Frauen einbringt und einen anderen Blick auf sie ermöglicht.



Warum haben Sie sich dafür entschieden, diesen Frauen die Automechanik, eine Männerdomäne, näher zu bringen?

HD: Wir haben uns gefragt: Was können diese Frauen Originelles machen, das wir nicht schon gesehen haben? Wir hatten von Autorennen für Frauen gehört, von Rallyes in der Wüste.
Und plötzlich kamen wir auf die Idee, alkoholkranke Frauen auszuwählen und sie ans Steuer zu setzen! Es ist skurril und kreativ, aber vor allem ist dieses Rennen eine Selbstüberwindung und ein Schritt in die Selbstverwirklichung, eine Leistung, auf die sie stolz sein können.


Die Schauplätze sind in diesem Lebensabschnitt sehr wichtig für die Frauen. Es gibt zwei: das geschlossene des Zentrums, sozusagen die innere Welt, auf der anderen Seite die Freiheit, den fernen Horizont, die äußere Welt mit der Wüste. Warum diese Struktur?

HD: Uns gefiel die Idee eines nicht zu großen und überschaubaren Zentrums. 
Das symbolisiert die „einschließende“ Seite der Krankheit. Und dann, auf dem Weg der Genesung, entdeckt man die Außenwelt neu, symbolisiert durch die Freiheit der Wüste mit einer Horizontlinie soweit das Auge reicht. Wir haben uns entschieden, den ersten Teil des Films im Zentrum zu drehen, mit dem Nordlicht wegen der etwas
kälteren Farbe. Das ist der Beginn des Kampfes. Es ist ein Regenhimmel. Diese Stimmung entspricht dem inneren Zustand dieser Frauen, sie sehen die Sonne nicht mehr. Und dann sieht man das Licht in einer Ecke, am Ende des Tunnels. Das Leben da draußen. Wir trafen Frauen, die gerne die Autorallye machen wollten, weil sie eine echte Veränderung in ihrem Leben anstrebten.

EB: Es kam darauf an, diese unsichtbare Linie zwischen innen und außen zu erhalten. Wir wollten zeigen, dass sie selbst „draußen“ immer noch in der Krankheit gefangen sind, noch nicht alles geklärt ist. Um sie nicht zugunsten der Handlung zu verlieren, mussten wir ihnen durch den Blick der Kamera nahe bleiben.



„Sucht ist keine Frage des Willens“. Was bedeutet dieser Satz im Film?

EB: Alkoholismus und Sucht sind in der Tat nicht nur eine Frage des Willens. Ab einem bestimmten Punkt liegt das Problem auf einem physiologischen und chemischen Prozess im Körper. Alkohol beginnt, ein synthetisches Dopamin zu produzieren, das der Körper nicht mehr selbst herstellt. Während des Entzugs wird dem Körper dieses Dopamin entzogen, dieses „Glückshormon“, was die depressiven Episoden nach dem Alkoholentzug forciert. Es ist stärker als man selbst, Süchtige können diese Wirkung nicht allein bekämpfen, müssen sediert werden, um diese Tortur zu überstehen. 80 % der Frauen werden nach der Entlassung wieder rückfällig.



Inwieweit waren in der Vorbereitung die Besuche in den Entzugskliniken entscheidend?

EB: Für die Schauspielerinnen und uns war die Auseinandersetzung mit der Realität dieser Frauen wichtig. Die Berichte über ihren Werdegang erschütterten und bestärkten uns, den Film zu machen. Mit den ungeschminkten Gesichtern der Schauspielerinnen ist Ihr Film auch ein Film der Gesichter. Wie haben Sie daran gearbeitet?

EB: Das Thema wurde sofort am Anfang mit ihnen besprochen. Es war sehr wichtig, ihre Zustimmung für bestimmte Szenen zu erhalten. Sie mussten sich an einen unbekannten Ort begeben, an den Ort einer bestimmten Entblößung. Ihr enormes Vertrauen, ihre Hingabe war bewundernswert.

HD: Es ging darum, ein gewisses körperliches Loslassen zu zeigen. 



Wie groß war der Anteil an Improvisation?

EB: Beim Casting für die Nebenrollen habe ich die Schauspielerinnen improvisieren lassen, das war so beeindruckend, dass wir diese Improvisationen in der einen oder anderen Form in den Film aufgenommen haben. Wir hatten plötzlich Zugang zu etwas sehr Intimen, das über den Film hinausging. Anhand dieser „Beichten“ konnten wir sehen, dass es sehr unterschiedliche Arten von Alkoholismus gibt. Zu Beginn spielten  
fast alle ihren Alkoholkonsum herunter. In diesen Sequenzen bewegten wir uns an der Grenze zum Dokumentarfilm.



Welche Bedeutung hat die Musik?

HD: Wir haben Musik gespielt, die uns und die Leute anspricht. Das Publikum sollte sofort mitgenommen werden, sodass es mit uns und unseren Figuren singt. Auch hier geht es um das Prinzip des Teilens mit den Zuschauern.

EB: Wir erzählen von einem zeitlichen Prozess, der es dem Zuschauer ermöglicht, zu sagen: „Hier, es geht ihnen besser“. Man musste in diesem Moment der Geschichte ihre Fortschritte sehen, wie sie nach und nach aus der Sucht herauskommen, wieder Hoffnung schöpfen. Im Vordergrund steht die Notwendigkeit alles auf politischer,
medizinischer und gesellschaftlicher Ebene zu tun, um diesen Frauen zu helfen, die überfordert sind. Wir sollten die Prävention in den Mittelpunkt der Debatte stellen, ebenso wie die Frage nach der Anzahl der Betreuungseinrichtungen. Scham und Schuldgefühle müssen aufhören, damit diese Frauen wieder Hoffnung auf Heilung schöpfen können, ihren Platz im Leben wiederfinden.

HD: Es ist keine Frage von Happy End, sondern tatsächlich geht es um „bessere Tage“.



Ihr Film handelt auch von Solidarität?

EB: Wir alle brauchen diese soziale, familiäre, berufliche Solidarität auf allen Ebenen. An der mangelt es heute in allen Schichten der Gesellschaft. Wir sollen uns alle verantwortlich fühlen, wenn Menschen in unserem Umfeld großes Leid erfahren. In einer idealen Welt sollte jeder von uns in der Lage sein, Achtsamkeit für den anderen
zu entwickeln.



Ist DIE GUTEN UND DIE BESSEREN TAGE ein Film, der das Leben liebt?

HD: Auf jeden Fall. Das Ziel ist, Menschen neue Hoffnung zu geben, Selbstvertrauen aufbauen. Man muss das Leben lieben, auch wenn Hindernisse unüberwindbar scheinen.

EB: Unser Film ist eine Hommage an alle Frauen und ihren tagtäglichen Kampf.

Foto:
© Verleih


Info:
Stab

Regie Elsa BENNETT, Hippolyte DARD

Drehbuch Elsa BENNETT, Hippolyte DARD, Louis-Julien PETIT

Besetzung

Suzanne Valérie BONNETON

Diane Michèle LAROQUE

Alice Sabrina OUAZANI

Denis Clovis CORNILLAC

Chantal Sophia LEBOUTTE

Docteur Mathys Myriem AKHEDDIOU

Colette Laurence COTTET

Théo Manuel GINION

Yohan Corentin CAMUS

Jonas Felix BRIAND

Huguette Isabelle DE HERTOGH

Linda Stéphanie CHAMOT

Nora Christelle DELBROUCK

Sandrine Ingrid HEDERSHEIDT

Länge: 104 Minuten

Produktionsland/Jahr: Frankreich 2024

Abdruck aus dem Presseheft