Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 2. Oktober 2025, Teil 7
Margarete Ohly-Wüst
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das junge rothaarige Waisenmädchen Momo (Alexa Goodall) lebt in den Ruinen eines alten römischen Amphitheaters in einer südeuropäischen Stadt. Ihre besondere Fähigkeit ist, anderen Menschen zuzuhören, so dass diese ihnen ihre tiefsten Geheimnisse und größten Probleme erzählen.
Momo hat zwei besonders gute Freunde und zwar den Straßenfeger Beppo (Kim Bodnia), der regelmäßig im Amphitheater für Ordnung und Sauberkeit sorgt, und den jungen Fremdenführer Gino (Araloyin Oshunremi), mit dem Momo am liebsten ihre Tage verbringt und der als Touristenführer immer wunderbare Geschichten erzählen kann. Ginos alleinerziehenden Mutter Liliana (Jennifer Amaka Petterson) muss sich gleichzeitig um die Pizzeria ihres verstorbenen Mannes und um ihre beiden jüngeren Kinder kümmern. Dadurch ist sie rund um die Uhr eingespannt.
Eines Tages wird Liliana von einer geheimnisvollen grau-gekleideten Frau namens Jackie (Laura Haddock) besucht, die ihr eine Strategie vorschlägt wie sie Zeit sparen kann, die sie dann später einmal mit ihrer Familie nutzen kann. Auch andere Bewohner der Stadt werden von ähnlich aussehenden Agenten angesprochen und erhalten entsprechende Zeitsparuhren.
Niemand ahnt, dass dahinter ein mächtiger internationaler Konzern steckt, der allen Menschen die Zeit stehlen will, die diese geheimnisvollen grau-gekleideten Männer und Frauen der Grey Corporation zum Überleben brauchen.
Plötzlich hat niemand mehr Zeit, die schönen Seiten des Lebens zu genießen und niemand besucht mehr Momo im Amphitheater. Momo trifft auf Jackie, die ihr - durch Momos Fähigkeiten gut zuhören zu können - die Absichten des Konzerns verrät, und die deshalb mit dem Entzug ihrer gesammelten Zeit bestraft wird. Danach wird Momo von den grauen Männern unter der Führung von Richter (Claes Bang) verfolgt.
Doch dann taucht eine geheimnisvolle Schildkröte namens Kasiopeia bei Momo auf, deren besondere Fähigkeit ist, dass sie eine halbe Stunde in die Zukunft sehen kann. Damit hilft sie Momo den grauen Männern und Frauen zu entkommen und führt sie zu Meister Hora (Martin Freeman), dem Hüter der Zeit.
Gemeinsam wollen die Beiden es mit den Zeit-Dieben aufnehmen, doch dazu muss Meister Hora schlafen, um die Zeit anzuhalten, und vorher Momo in die Geheimnisse der Zeit einweihen. Momo erhält eine Stundenblume und hat nun maximal eine Stunde Zeit, um den Safe mit der ersparten Zeit zu öffnen und sie den Menschen zurück zu geben. Wird ihr gemeinsamer Plan aufgehen? Ein spannender Wettlauf beginnt…
Momo ist ein im Jahr 1973 erschienener Roman von Michael Ende (1929 - 1995). Der Titel bezeichnet die Hauptperson der Geschichte, der Untertitel lautet: Die seltsame Geschichte von den Zeit-Dieben und von dem Kind, das den Menschen die gestohlene Zeit zurückbrachte. Das Buch ist mit weltweit über sieben Millionen verkauften Exemplaren einer der erfolgreichsten Werke Endes. Er wurde 1974 mit dem Deutschen Jugendbuchpreis ausgezeichnet. Momo ist neben den beiden Jim Knopf Romanen (1960 + 1962) und Die unendliche Geschichte (1979) auch der bekannteste Roman des Autors.
Die hier besprochene Film ist die zweite Kinoverfilmung nach Michael Endes Roman. Der erste Film kam im Juli 1986 in die deutschen Kinos, Regisseur war Johannes Schaaf, die Hauptrollen wurden von Radost Bokel als Momo, Mario Adorf als Nicola, Armin Mueller-Stahl als Chef der grauen Herren, John Huston als Meister Hora sowie von Michael Ende selbst in einem Cameo als Mann im Zugabteil gespielt. Dieser Film gilt – bei aller Kritik – auch heute noch als ein Filmklassiker. Danach wurde die Story noch mindestens zweifach verfilmt, wie 2001 als Zeichentrickfilm und 2003 als TV-Serie.
Jetzt wurde das Buch also noch einmal für die große Leinwand adaptiert. Bei dieser (englischsprachigen) Verfilmung hat Christian Ditter Regie geführt. Er war auch selbst für das Drehbuch verantwortlich. Der Film wurde nicht in Italien, sondern in Kroatien und Slowenien gedreht. Man erkennt jederzeit den Kirchturm der kroatischen Stadt Rovinj.
Natürlich musste das Drehbuch etwas dem Zeitgeist angepasst werden, so wird die Zeit von den grauen Männer und Frauen (!) nicht mehr geraucht, sondern als Spray inhaliert. Die Zeit wird nun mithilfe von Armbändern gestohlen – weiß leuchtend für gesparte, rot für verschwendete Zeit. Dabei gilt schon das Spielen mit den eigenen Kindern, seiner Fantasie freien Lauf lassen oder die kurze Pause auf der Arbeit als vergeudete Zeit.
Auch sonst wurde die Story dem Zeitgeist angepasst. So werden den Kindern nicht mehr Puppen und ähnliches Spielzeug angeboten, sondern sie erhalten digitales Spielzeug in Form von fliegenden Roboterfreunden. Dazu bekommen Kinder und Erwachsene leuchtende Kontaktlinsen, mit denen sie die Live-Streams im Fernsehen verfolgen oder auch selbst als Influencer auftreten können. Besonderen Wert wird dabei auch auf die Hintergrundwerbung der Grey Corporation gelegt.
Momos Freund Gino hat jetzt auch keine Zeit mehr für das Mädchen, weil er inzwischen ein bekannter Fernsehstar mit einer eigenen Show und über 200 Millionen Followern ist. Doch er bringt keine eigenen Ideen mehr ein, sondern er wird von einem Autorenteam und einem strengen Zeitplan andauernd beschäftigt gehalten.
Da der Film in Englisch gedreht wurde, ist auch das Schauspieler-Team ziemlich international. Die Engländerin Alexa Goodall bringt als Momo mit wilder Haarmähne die überzeugende Ausstrahlung einer Tagträumerin mit der Superkraft des Zuhörens mit. Daneben ist auch die Figur von Meister Hora besonders gelungen, den Martin Freeman verkörpert Hora mit Gelassenheit und liebevoller Grandezza und stellt dann auch fest, dass ihm die Stunde Schlaf ausgesprochen gut getan hat. Auch niedlich ist die Schildkröte Kasiopeia (die hier zu Meister Hora gehört). Sie spricht in diesem Film nicht, sondern gibt ihre Information und Kommentare in Leuchtschrift auf dem Panzer weiter.
Leider haben die weiteren Charaktere auch nicht Momos Jugendfreund Gino oder Beppo der Straßenkehrer nicht genug Screentime, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Das gilt leider auch für die englische Darstellerin Laura Haddock als Jackie und für den von bekannten dänischen Schauspieler Claes Bang gespielten Richter, dem Bösewicht und Boss der grauen Menschen und der Zeitdiebe.
Ganz sicher ist ″Momo″ ein märchenhafter Roman und später dann auch ein wichtiges Stück deutsche Kinogeschichte. Dabei ist die Story gerade heute wieder besonders aktuell, da es doch regelmäßig die Devise gibt, dass alles möglichst schnell erledigt werden soll. Statt den Augenblick zu genießen wird zum nächsten Hype gerannt und 1000 Dinge gleichzeitig getan, um ja nichts zu verpassen.
Auch wenn man als Zuschauer nicht alle Neuerungen im hier besprochenen Film gut findet mag, wird gerade das Thema des Zeitdiebstahls und dem damit verloren gegangenen Zusammenhalt der Menschen hervorragend herüber gebracht. Dazu ist es Kameramann Christian Rein auch gelungen, viele zauberhafte Bilder einzufangen.
Insgesamt ist mit einigen Abstrichen eine faszinierende, wunderschöne, zeitlose und sehenswerte Romanverfilmung von Michael Endes Klassiker entstanden, die es im Großen und Ganzen geschafft hat, die Themen aus dem Roman der heutigen Zeit anzupassen. Denn auch heute noch vereint der Film Fantasie, Zeit-Kritik und emotionale Tiefe. Es lohnt, sich die Neuverfilmung im Kino anzusehen. Man sollte ihn aber nicht unbedingt mit der ersten Verfilmung von 1986 vergleichen.
Foto 1: Alexa Goodall als Momo © Constantin Film Distribution / Rat Pack Filmproduktion
Foto 2: Kim Bodnia als als Beppo © Constantin Film Distribution / Rat Pack Filmproduktion
Foto 3: Martin Freeman als Meister Hora © Constantin Film Distribution / Rat Pack Filmproduktion
Foto 4: Laura Haddock als Jackie © Constantin Film Distribution / Rat Pack Filmproduktion
Info:
Momo (Deutschland 2025)
Originaltitel: Momo
Genre: Fantasy, Kinder- und Jugendfilm, Romanverfilmung
Filmlänge: ca. 91 Min.
Regie: Christian Ditter
Drehbuch: Christian Ditter
basierend auf dem Bestseller ″Momo″ (1973) von Michael Ende
Darsteller: Alexa Goodall, Araloyin Oshunremi, Kim Bodnia, Claes Bang, Laura Haddock, Jennifer Amaka Pettersson, David Schütter, Martin Freeman, Skylar Blu Copland, Maxwell Smith u.a.
Verleih: Constantin Film
FSK: ab 0 Jahren
Kinostart: 02.10.2025