Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 26. November 2025, Teil 7

Redaktion

Rom (Weltexpresso) - Den Anfang nahm Rückkehr nach Ithaka vor etlichen Jahren in einem Gespräch von Uberto Pasolini mit einem Freund, dem Schriftsteller und Drehbuchautor John Collee, über seine Leidenschaft für diese Geschichte. Pasolini, der in Rom geboren wurde, kannte Homers Epos seit seiner Kindheit. „Wo auch immer man im Mittelmeerraum herkommt, Homer ist der erste literarische und kulturelle Bezugspunkt. Ich bin mit den Geschichten der griechischen Mythen und den vielen Geschichten über den Trojanischen Krieg aufgewachsen. Sie waren immer und sind auch heute noch ein wesentlicher Bestandteil der mediterranen Kultur. “

Die beiden sprachen über Pasolinis besonderes Interesse an den familiären Beziehungen in der Odyssee. „Als Kind ist man natürlich eher von den magischen Aspekten der Geschichte beeindruckt“, sagt er. Als Erwachsener richtete sich Pasolinis Interesse mehr auf die Frau und den Sohn, zu denen der vom Krieg gezeichnete Odysseus zurückkehrt. „Ein König und Soldat, der nach Hause zurückkehrt, darauf wollten wir uns konzentrieren. Als ich selbst Vater wurde und Verpflichtungen gegenüber meiner Frau und meinen eigenen Kindern hatte, interessierte mich die Beziehung zwischen einem abwesenden Vater und einer Familie, die auf seine Rückkehr wartet. Ich selbst habe wegen meiner Arbeit viele Jahre im Ausland verbracht, daher hat mich diese Geschichte tief im Inneren angesprochen. Ich wollte die Geschichte eines verwundeten Soldaten erzählen, der nach Hause zurückkehrt und unter der Last der Gewalt leidet, die er erlebt hat und an der er beteiligt war.“

Pasolini arbeitete zunächst mit John Collee an ersten Fassungen des Drehbuchs, später dann mit dem Dramatiker und Drehbuchautor Edward Bond, um den Fokus auf das Drama und das Thema des Krieges zu verstärken.


ODYSSEUS UND PENELOPE

Bald kam Uberto Pasolini mit Ralph Fiennes über das Projekt ins Gespräch, mit dem er seit der gemeinsamen Arbeit an A Dangerous Man(1991) befreundet war. Über einige Jahre diskutierten die beiden darüber, dass Fiennes den Film inszenieren und die Hauptrolle spielen sollte. Dann schlug Fiennes vor, dass Pasolini selbst die Regie von Rückkehr nach Ithaka übernehmen sollte. Pasolini zögerte; er hatte gerade die Dreharbeiten zu Nowhere Special abgeschlossen, einem intimen Vater-Sohn-Film. „Rückkehr nach Ithaka hatte in Bezug auf Spektakel und Komplexität ein völlig anderes Ausmaß. Aber Ralph insistierte, und er war sehr überzeugend.“

„Die Figur des Odysseus hat mich schon immer fasziniert“, sagt Fiennes, der ebenfalls seit seiner Kindheit mit Homers Epen vertraut war. Seine Verbindung damit, sagt er, sei mit den Jahren immer tiefer geworden. „Uberto konzentriert sich auf die Rückkehr des Odysseus nach Ithaka. Er lässt die Göttin Athene und andere Elemente weg, um den Hauptfiguren eine Art psychologische Realität zu verleihen. Odysseus verändert sich. Im Laufe der Geschichte durchläuft er viele verschiedene Phasen.“ Fiennes war es auch , der Juliette Binoche für die Rolle der Penelope vorschlug. „Wir haben Juliette angesprochen“, erzählt Pasolini, „und sie hat die Gelegenheit, wieder mit Ralph zusammenzuarbeiten, sofort ergriffen.“

Neben Fiennes und Binoche besetzte Pasolini den amerikanischen Schauspieler Charlie Plummer als Telemachos, den Sohn. Der niederländisch-tunesische Schauspieler Marwan Kenzari spielt Antinoos, Penelopes liebeskranken Verehrer, und der italienische Schauspieler Claudio Santamaria Eumaios. Für die Rolle der Eurykleia, Odysseus‘ Dienerin, die ihn an seinen Narben erkennt, konnte er die legendäre spanische Schauspielerin Ángela Molina gewinnen. 


HELDEN

Pasolinis Odysseus ist ein zutiefst zerrissener Mann. Er ist erschöpft. Er sieht, wie Freier seine Insel zerstören, seine Frau bedrängen, seine Untertanen knechten, vergewaltigen oder töten, seine Schatzkammern leeren. Er ist sich nicht sicher, wer seine Frau und sein Sohn in seiner Abwesenheit geworden sind. Und er wird von den Schrecken alter Schlachten niedergedrückt. „Wir nennen ihn einen griechischen Helden“, sagt Fiennes, „aber in der Welt unseres Films war er zehn Jahre lang Soldat in einem schrecklichen Krieg. Er beging Gewalttaten. Und das Töten frisst einen auf, es erfüllt einen mit Hass. Ubertos Odysseus ist ein Mann, der eine ungeheure Last mit sich trägt.“

„Sicherlich ist Rückkehr nach Ithaka ein Film darüber, was Krieg mit Menschen macht“, sagt Pasolini. „Es ist ein Film über die Schwierigkeit, Gewalt loszuwerden, die sich in den Menschen festgesetzt hat. Der Schrecken des Krieges durchdringt eine Gesellschaft, auch wenn sie weit entfernt von der Front ist. Leider erleben wir das derzeit überall auf der Welt wieder, auch in Europa und im Nahen Osten. Zu Beginn des Films gibt es eine Stelle, an der Eumaios und die Hirten über den Trojanischen Krieg sprechen. Und der junge Philetios sagt: ‚Man sagt, dass nun jeder Krieg so sein wird. Die Toten von Troja, ihre Geister, werden kommen und zusehen.“


TELEMACHOS

Homer untersucht das Drama eines vaterlosen Sohnes in erster Linie im Hinblick auf Telemachos‘ eigenes Identitätsgefühl und seine Beziehung zu seiner Mutter, sagt Pasolini. Aber für ihn war es wichtig, dass Telemachos zu Beginn von Rückkehr nach Ithaka auf der Insel war, statt im Mittelmeer nach seinem Vater zu suchen. Vater und Sohn empfinden den Schmerz des Verlustes gleichzeitig, obwohl sieauf der Insel lange getrennt bleiben.

„Ich glaube definitiv nicht, dass Telemachos denselben Glauben an die Rückkehr seines Vaters hat wie seine Mutter“ sagt Charlie Plummer. „Aber unter all dem Schmerz, den Fragen und der Isolation, diesem erdrückenden Gefühl, steckt ein kleiner Junge, der sich auf seinen Vater freut, auf die Vorstellung, dass sein Vater nach Hause kommt, ihn umarmt und als seinen Sohn anerkennt. Aber dieser Wunsch ist unter so vielen Schichten der vergangenen Jahre begraben, in denen es keine Antwort darauf gab, wo der Vater ist oder warum er nicht da ist. Es gibt eine riesige Wut in Telemachos. Und trotzdem, glaube ich, gibt es diesen Wunsch und diese Hoffnung, dass sein Vater zurückkehren und der Mensch sein wird, von dem er immer geträumt hat.“


EUMAIOS

Claudio Santamaria spielt Eumaios, den Hirten und treuen Untertanen des Odysseus, der seinen König unwissentlich bei sich aufnimmt. „Eumaios ist ein treuer Charakter“, sagt Claudio Santamaria. „Seine Loyalität entspringt sowohl tiefer Hochachtung als auch einem gegebenen Versprechen. Er will die Hoffnung nicht aufgeben, dass sein König aus dem Krieg zurückkehrt. Ich stellte mir ihn als einen Mann vor, der darum kämpft, seine Würde und seine Integrität zu bewahren und den letzten Rest Menschlichkeit auf der Insel am Leben zu erhalten.“


Was für Eumaios offensichtlich ist, dass sein unbekannter Gast von einem großen seelischem Schmerz gequält wird. „Letztlich geht es um einen Mann, der unter einem Posttraumatischen Syndrom leidet. Er kehrt aus dem Krieg zurück, aber der Krieg lässt einen nie los, wenn er einem einmal begegnet ist. Ich hatte das noch nie aus dieser Perspektive betrachtet. Dieser Mann kehrt zurück und ist gezwungen, erneut zu töten, gegen seinen Willen. Für mich ist das einer der zentralen Sätze im Films, wenn Figur Eumaios, als er Odysseus erkennt, zu ihm sagt: ‚Du musst den Krieg vergessen, er ist weit weg, er ist viele Jahre her.‘ Und Odysseus antwortet „Aber der Krieg ist überall, ich sehe ihn überall, alles spricht zu mir vom Krieg, alles ist da, damit es wieder geschieht.‘ Und in diesem Moment erkennt ihn Emaios.“