Deutsches Filmmuseum Frankfurt von Mittwoch, 1. Oktober, bis Freitag, 31. Oktober
Romana Reich
Berlin (Weltexpresso) – In Frankfurt tut sich im Film so viel, daß man aus Berlin glatt neidisch werden könnte – und wird! Und das nicht nur zu Buchmessenzeiten, zu denen die Alain Resnais Reihe aber doch läuft.
Im Februar dieses Jahres präsentierte Alain Resnais seinen 20. Spielfilm AIMER, BOIRE ET CHANTER (FR 2014) auf der Berlinale, Weltexpresso berichtete darüber, und die Filmwelt hoffte, auch in den kommenden Jahren noch neue, verspielte Werke des 92-jährigen Regisseurs zu sehen – doch am 1. März 2014 starb Resnais. Das Kino des Deutschen Filmmuseums erinnert mit einer Auswahl von neun Spielfilmen an das vielschichtige Werk eines der innovativsten und einflussreichsten Regisseure des französischen Kinos.
Alain Resnais wurde 1922 in der westfranzösischen Küstenstadt Vannes geboren. Früh interessierte er sich für Film und Theater: Er trat mit einer Theatergruppe auf und machte eine Ausbildung zum Schnittmeister. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann seine Regiekarriere mit essayistischen Dokumentarfilmen über Künstler (VAN GOGH, FR 1948) und Kunstwerke (GUERNICA, FR 1950). 1955 folgte der erste Höhepunkt seiner Karriere – NUIT ET BROUILLARD, ein unvergängliches Meisterwerk der Erinnerung und Mahnung an den Holocaust. Mit HIROSHIMA, MON AMOUR (FR 1959) schuf er, was neben ihm nur Regisseuren vom Format eines Jean-Luc Godard, Orson Welles oder Wsewolod Pudowkin gelang: ein Spielfilmdebüt, das die Möglichkeiten des Mediums Kino neu auslotete und es in seiner Entwicklung voranbrachte. Für seine Verdienste um die Filmkunst erhielt er 1995 den Goldenen Löwen in Venedig und 2007 den Silbernen Bären.
FILMREIHE
Mittwoch, 1. Oktober, 20:30 Uhr; Freitag, 3. Oktober, 18 Uhr
HIROSHIMA MON AMOUR
Frankreich 1959. R: Alain Resnais
D: Emmanuelle Riva, Eiji Okada. 89 Min. DCP. OmeU
Eine Französin reist für einen Filmdreh nach Hiroshima, vierzehn Jahre nach dem verheerenden Atombombenabwurf auf die Stadt. Dort beginnt sie eine Affäre mit einem japanischen Architekten, der wie sie verheiratet ist. Als erstem Menschen überhaupt offenbart sie ihm ihre Geschichte: Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges war sie wegen ihrer Beziehung zu einem Deutschen als Kollaborateurin gefangen genommen worden. Resnais’ Debütfilm entstand nach einem Drehbuch von Marguerite Duras, das in der Off-Erzählung Vergangenes, Unbewusstes und Gegenwärtiges so fließend verbindet wie Resnais’ Inszenierung, die den Tonfilm in die Moderne
überführte.
Donnerstag, 2. Oktober, 20:30 Uhr (Blu-ray. OmU)
Samstag, 4. Oktober, 20:30 Uhr (35 mm. DF)
L’ANNÉE DERNIÈRE À MARIENBAD Letztes Jahr in Marienbad
Frankreich 1961. R: Alain Resnais. D: Delphine Seyrig, Giorgio
Albertazzi. 94 Min. Blu-ray. OmU / 35mm. DF
Die reale Welt existiert in L´ANNÉE DERNIÉRE À MARIENBAD nur an der Oberfläche der Dinge, die Grenzen zwischen Realität und Traum sind aufgehoben: Ein Mann versucht während eines Aufenthaltes in einer schlossartigen Anlage eine Frau davon zu überzeugen, dass sie sich bereits im vorigen Jahr getroffen und einander versprochen haben. HIROSHIMA MON AMOUR
Sonntag, 5. Oktober, 20:30 Uhr; Freitag, 10. Oktober, 18 Uhr
LA GUERRE EST FINIE Der Krieg ist vorbei
Frankreich 1966. R: Alain Resnais
D: Yves Montand, Ingrid Thulin. 121 Min. 35mm. OmU
Der spanische Untergrundkämpfer Diego führt den Kampf gegen das faschistische Franco-Regime im Pariser Exil fort. Allmählich kommen ihm Bedenken ob der Methoden und nicht zuletzt auch der Ziele seiner Aktionen. Über die junge Nadine kommt er mit einer revolutionären Gruppe in Kontakt, die eine bewaffnete Aktion in Spanien plant. Seine Versuche, sie davon abzubringen, misslingen. Als der spanische Geheimdienst Diego enttarnt, kommt ihm seine Geliebte Marianne zu Hilfe.
Samstag, 11. Oktober, 20:30 Uhr; Mittwoch 15. Oktober, 20:30 Uhr
STAVISKY
Frankreich 1974. R: Alain Resnais
D: Jean-Paul Belmondo, Charles Boyer. 120 Min. 35mm. OmeU
Der titelgebende Alexandre Stavisky war eine schillernde Figur im Frankreich der Zwischenkriegszeit: ein charmanter Hochstapler, der sich durch Finanzbetrügereien ein Millionenvermögen verdiente. Er erwarb Nachtclubs und organisierte Glücksspiele, mit denen er großen Einfluss auf die französische Gesellschaft nahm. Resnais‘ Film zeigt die letzten Monate im Leben Staviskys auf dem Höhepunkt seines Einflusses. Flashbacks und Vorausdeutungen auf seinen skandalumwitterten Tod 1934 sowie die Ankunft Leo Trotzkis in Frankreich ergänzen das Geschehen.
Freitag, 17. Oktober, 18 Uhr; Samstag, 18. Oktober, 20:15 Uhr
MON ONCLE D’AMERIQUE Mein Onkel aus Amerika
Frankreich 1980. R: Alain Resnais
D: Gerard Dépardieu, Nicole Garcia. 126 Min. 35mm. OmeU
Der Wissenschaftler Henri Laborit, der auch am Drehbuch mitwirkte, stellt Forschungserkenntnisse vor, wonach das menschliche Verhalten im Kern von den vier Elementen Konsum, Belohnung, Strafe und Handlungshemmung bestimmt wird. Zur Veranschaulichung dienen die Lebensläufe dreier Menschen, eines Radioprogrammdirektors, einer Schauspielerin und eines katholisch erzogenen Bauernsohnes, der an seiner führenden Position in einer Textilfabrik scheitert. Der starren Versuchsanordnung zum Trotz schuf Resnais berührende menschliche Porträts, in die er dokumentarische Aufnahmen und Szenen mit den Lieblingsschauspielern der jeweiligen Protagonisten einstreut.
Sonntag, 19. Oktober, 20:30 Uhr
SMOKING
Frankreich 1993. R: Alain Resnais
D: Sabine Azéma, Pierre Arditi. 140 Min. 35mm. OmU
Mit SMOKING / NO SMOKING adaptierte Resnais das Bühnenstück Intimate Exchanges von Alan Ayckbourn für das Kino. Er erzählt in jedem der beiden Filmteile sechs Varianten einer Geschichte aus dem Leben von insgesamt neun verschiedenen Charakteren. Ausgangspunkt beider Teile ist die Frage, die sich Celia Teasdale, verheiratet mit dem Leiter einer Schule im englischen Dorf Hutton Buscel, bei der Gartenarbeit stellt, nämlich ob sie eine Zigarettenpause einlegen soll. In SMOKING entscheidet sie sich dafür und trifft so auf den Hausmeister der Schule, Lionel Hepplewick.
Mittwoch, 22. Oktober, 20:30 Uhr
NO SMOKING
Frankreich 1993. R: Alain Resnais
D: Sabine Azéma, Pierre Arditi. 144 Min. 35mm. OmU
In NO SMOKING verzichtet Celia Teasdale auf ihre Zigarettenpause und begegnet so anstelle des Hausmeisters Lionel einem Freund ihres Mannes, Miles Coombes. Dieser teilt ihr mit, dass ihr Mann Toby wegen seiner Alkoholsucht entlassen werden soll. Miles selbst ist mit der untreuen Rowena verheiratet und heimlich in Celia verliebt. NO SMOKING konzentriert sich auf das Verhältnis zwischen Miles und Rowena. Der Film wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit einem César für die beste Regie.
Donnerstag, 23.Oktober, 20:30 Uhr
VOUS N’AVEZ ENCORE RIEN VU Ihr werdet Euch noch wundern
Frankreich 2012. R: Alain Resnais
D: Sabine Azéma, Hippolyte Girrardot. 115 Min. DCP OmU
VOUS N´AVEZ ENCORE RIEN VU ist eine Adaption der Theaterstücke Eurydice und Cher Antoine ou l’amour raté von Jean Anouilh, die ineinander verschränkt werden. Nach dem Tod des Theaterautors Antoine d’Anthac erhalten seine Freunde eine Einladung zur Totenwache. Per Video teilt ihnen der Verstorbene seinen letzten Wunsch mit. Sie sollen für ihn eine Entscheidung treffen: Eine junge Theatertruppe möchte von Antoine die Erlaubnis zur Aufführung seines Stücks Eurydice. Alle Versammelten haben über die Jahre hinweg einmal in seinem Stück mitgewirkt, und schon bald schlüpfen sie in ihre alten Rollen. Eine Hommage Resnais‘ an die Schauspieler, die über die Jahre mit ihm zusammengearbeitet haben.
Freitag, 24. Oktober, 18 Uhr; Sonntag, 26. Oktober, 20:45 Uhr
ON CONNAÎT LA CHANSON Das Leben ist ein Chanson
Frankreich 1997. R: Alain Resnais
D: Sabine Azéma, André Dussolier. 120 Min. 35mm. OmU
Mehrere Figuren verlassen ihr Büro und durchqueren einen kleinen Friedhof. Resnais zeigt seine Ehrerbietung für den französischen Chanson, indem seine Figuren an jeweils passenden Stellen lippensynchron zu einem kurzen Ausschnitt aus bekannten Liedern singen. Die Handlung führt verschiedene Personen zusammen, eine davon ist die Fremdenführerin und Geschichtsstudentin Camille, die sich in einen Immobilienmakler verliebt.
Donnerstag, 30. Oktober, 17:45 Uhr; Freitag, 31. Oktober, 20:30 Uhr
LES HERBES FOLLES Vorsicht Sehnsucht
Frankreich 2009. R: Alain Resnais
D: Sabine Azéma, André Dussolier. 104 Min. 35mm. OmU
Ein Dieb stiehlt der Zahnärztin und begeisterten Pilotin Marguerite auf offener Straße die Handtasche. Kurz darauf findet der arbeitslose Georges das leere Portemonnaie. Darin entdeckt der verheiratete Mann zwei Ausweisfotos von Marguerite: mit ernstem Blick auf dem Personalausweis, fröhlich lächelnd auf ihrem Pilotenschein. Seine Versuche, sie zu kontaktieren, scheitern, doch eines Abends ruft sie selbst bei ihm an. Er lehnt ein Treffen ab. Doch die Tatsache, dass er sie nicht vergessen kann, steigert sich schon bald zur Besessenheit.