Der Hessische Film- und Kinopreis 2014 in Frankfurts Alter Oper am 10. Oktober, Teil 8
Claudia Schulmerich und Robert Matta
Frankfurt(Weltexpresso) – Mit der Besten Schauspielerin, hier nur aus den Fernsehspielen, ging der Preissegen los und das ist auch richtig so, denn die anwesenden Personen, die Prominenten interessieren das Publikum am meisten. Dabei war an dem Abend tatsächlich der Eindruck richtig, daß man erst Laudator werde und dann im nächsten Jahr den Preis in einer der Kategorien erhalte.
Allerdings machte das Matthias Brandt viel schneller. Dazu gleich mehr. Erst kamen die Frauen dran, von denen Jasna Fritzi Bauer für SCHERBENPARK, Alwara Höfels gleich für zwei Filme: in DIE FISCHERIN und in DR. Gressmann zeigt Gefühle nominiert war und als Dritte Franziska Walser in NIE MEHR WIE IMMER. Und dann kam Matthias Brandt als Laudator dran. Zuvor aber hatte einer, dessen Namen wir verschweigen wollen, der als Beste Schauspielerin auserwählten Alwara Höfels die Frage gestellt, sie spiele doch so überzeugend Frauen in höchster Intensität, daß man sich frage: „Wie kommt man da wieder runter“ und wohl den Übergang von der Rolle der ekstatischen Filmfigur zu sich selbst, also dem Menschen Alwara Höfels meinte. Schweigen. Langes Schweigen auf der Bühne und dann die kurze und heftig beklatschte Antwort: „Es ist ein Beruf!“
Im Verlauf des Abends kam dann der zu ehrende Schauspieler Matthias Brandt sehr viel später dran. Hier binden wir die zwei Schauspieler-Fernsehpreise zusammen. Nominiert waren neben Brandt für MÄNNERTREU, Golo Euler in TATORT – IM SCHMERZ GEBOREN und DIE FISCHERIN, auch hier zwei Rollen als Nominierung, und Francis Fulton-Smith in DIE SPIEGEL-AFFÄRE, wo er den damaligen Verteidigungsminister Franz Josef Strauß verkörpert, buchstäblich verkörpert, denn er mußte für die Rolle 25 kg zunehmen, füllt sie aber nicht nur deswegen vollkommen aus.
Daß der von uns vielgeliebte Schauspieler Matthias Brandt für seine Rolle des Karrieristen, der durch der Kanzlerin Merkel Merkspruch als nächster Präsidentshaftskandidat gilt, dann aber tief fällt, von der Jury als Bester Schauspieler ausgesucht wurde, finden wir nicht in Ordnung. Brandt ist in anderen Rollen sehr viel überzeugender und wir interpretieren die Preisvergabe doch auch als Hinweis darauf, daß man zum Hessischen Filmpreis die Großen der Zunft einladen will, die aber auf Grund einer Laudatorentätigkeit alleine nicht kämen, wenn sie aber zu Preisträger werden, dann auch als Laudator zur Verfügung stehen. Für diesmal aufjeden Fall wäre Fulton-Smith die überzeugendere Wahl gewesen, wie gesagt, es sei denn, man hätte Matthias Brandt für sein bisheriges Lebenswerk auszeichnen wollen, denn er ist ein wunderbarer Darsteller, auch dann, wenn es einmal nicht Höchstform ist. Mit seiner Dankesrede – über die Dankesreden haben wir bisher lieber geschwiegen, obwohl sie im erträglichen Maß blieben – übertraf er dann aber im Unterhaltungswert alle anderen Ausgezeichneten. Dazu verhalf ihm ein düsteres Kapitel seiner Karriere.
Dieser Preis, sagte Brandt fast ein bißchen thriumphierend, sei nichts anderes als eine Wiedergutmachung und sozusagen auch fällig gewesen, habe man ihm doch zu Beginn seiner Karriere am Hessischen Staatstheater– dem absoluten Tiefpunkt seiner Erfolglosigkeit – mangelnde Eignung und überhaupt nur das Schlechteste nachgesagt.Großes Gelächter, erstens mag manes kaum glauben, aber zweitens erinnert sich überhaupt niemand mehr daran.
Nicht vergessen wollen wir, daß Claudia Michelsen die Laudatio auf Matthias Brand hielt. Sie gehört zu den bekanntesten – und auch besten – Fernsehgesichtern, viel zu selten in deutschen Spielfilmen besetzt. Sie ist auch in ihrer wörtlichen Rede überlegen und schwungvoll und gab dem Kollegen gute Worte auf den Weg, ohne sich anzubiedern oder durch übertriebenes Lob unglaubwürdig zu werden. In der Tat, das empfanden wir an diesem Abend wiederholt, es ist ganz schön schwierig, eine Laudatio so hinzubekommen, daß man ihr gerne zuhört, ohne das leicht peinlich zu finden. Hier auf jeden Fall gelang es besonders. Fortsetzung folgt.
INFO:
II HESSISCHER FERNSEHPREIS
JURY HESSISCHER FERNSEHPREIS:
Liane Jessen (Fernsehspielchefin, Hessischer Rundfunk)
Herbert Knaup (Schauspieler)
David Ungureit (Drehbuchautor)
Tanja Ziegler (Produzentin)
Christel Schmidt (Jury-Vorsitz, Co-Geschäftsführerin Hessische Filmförderung - Hessischer Rundfunk Filmförderung)
HESSISCHER FERNSEHPREIS: BESTE SCHAUSPIELERIN
Preisträgerin: ALWARA HÖFELS
Preisgeld: undotiert
Laudatio: Matthias Brandt
Ausgezeichnet für ihre Rollen in
DIE FISCHERIN, Regie: Jan Ruzicka, 88 Minuten, Deutschland 2013
DR. GRESSMANN ZEIGT GEFÜHLE, Regie: Niki Stein, 89 Minuten, Deutschland 2014
Jurybegründung:
Alwara Höfels kann man schwer auf einen Rollentypus festlegen – sie ist einfach eine Spezialistin der Vielseitigkeit. So unterschiedlich ihre Frauenfiguren auch angelegt sind, sie wirken direkt, stark, präsent, lebensnah und immer glaubhaft.
Wenn sie sich als sexy Unterschicht-Dolores lebenshungrig und lautstark durch die Nacht kämpft, erdet sie die schräge Komödie DR. GRESSMANN ZEIGT GEFÜHLE. Ihre Meike in DIE FISCHERIN wird zwischen zwei unterschiedlichen Lebensentwürfen fast zerrieben. Einerseits erfolgreiche Businessfrau in Berlin, die Kind, Job und Partner prima unter einen Hut bringt, andererseits die Tochter, die zurück in der Heimat verzweifelt um die Liebe ihres Vaters ringt. Am Bodensee, wo sie als Fischerin hart anpacken muss, ist die selbstbewusste Szene-Meike aus Berlin meilenweit weg.
Alwara Höfels oszilliert zwischen diesen Polen. Es ist faszinierend, wie sie übergangslos vom Berliner Slang zum Bodensee-Dialekt wechselt, als wäre es ihr eigener. Alwara Höfels gibt ihren Figuren etwas Starkes, ohne dabei ihre Schwächen und Widersprüche zu verleugnen. Und so schenkt sie uns Frauenfiguren, die nicht nur glaubhaft auf dem Bildschirm sind, sondern auch gut im Haus nebenan leben könnten.
HESSISCHER FERNSEHPREIS: BESTER SCHAUSPIELER
Preisträger: Matthias Brandt
Preisgeld: undotiert
Laudatio: Claudia Michelsen
Ausgezeichnet für seine Rolle in MÄNNERTREU
Regie: Hermine Huntgeburth, 88 Minuten, Deutschland 2014
Jurybegründung:
Wann immer Matthias Brandt in einem Film auftritt, geschieht etwas Besonderes. Scheinbar reicht seine Präsenz schon aus, um plötzlich alles glänzen zu lassen und das Publikum zum lustvollen Hinsehen zu zwingen.
Der Film MÄNNERTREU ist hochklassig besetzt bis in die Nebenrollen – hier spielt wirklich die Champions League. Und dennoch ragt Brandt aus diesem hervorragenden Ensemble heraus, ebenso wie die von ihm gespielte Figur des Georg Sahl aus den ihn umgebenden Charakteren herausragt. Wie er diesen Journalisten spielt, der sich anschickt, Bundespräsident zu werden, macht es absolut glaubhaft, dass die Menschen – vor allem die Frauen – seiner Anziehungskraft erliegen und sich ihm hingeben.
Dabei wandelt Brandt als Sahl auf dem sehr schmalen Grat zwischen unausstehlicher Arroganz und totaler Faszination. Indem Brandt Sahls Wissen um seine Außenwirkung stets mitdenkt und mitspielt, verleiht er dieser Figur eine ungeheure Spannung und Ambivalenz. Jede Geste, jede Mimik Sahls scheint kalkuliert zu sein und darauf bedacht, wie sie auf andere wirkt. Und Brandt lässt uns mit kleinen und kleinsten Hinweisen an dieser Selbstkontrolle teilhaben und durchbricht sie immer wieder – gerade wahrnehmbar genug, um sie zu erkennen. Wie kaum ein Zweiter versteht Matthias Brandt sich darauf, mit dem Zucken einer Augenbraue oder dem Unterdrücken eines als selbstgefällig erkannten Lächelns Inneres nach außen zu kehren und so das Publikum teilhaben zu lassen an der Menschwerdung seiner Figur.