Eine aufschlußreiche, auch peinliche Dokumentation über das Haus Hannover in der ARD, Teil 3: Verstrickung in die NS-Rüstungsindustrie und NS-Kriegswirtschaft

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Mit diesem zweiten Kapitel über die Verstrickung in das NS-System wechselt der Aktionskreis der Welfen zur NS-Kriegswirtschaft, deren einziger Zweck die Kriegsvorbereitung und die Produktion für den Endsieg ist.

 

Überlieferte Moral, vornehme Zurückhaltung, menschliche Skrupel werden weggewischt, es wird auf die dunkle Aktivseite, die des NS-Terrors gewechselt.

 

Zunächst noch ein Zwischenspiel: die Arisierung der Porr AG.- Zum Verständnis: die Porr AG 'war damals Österreichs größte Baufirma'. 'Der Herzog kauft im Juli 1938 etliche Aktien von jüdischen Anteilseignern. Wieder weit unter dem eigentlichen Wert'. Hierzu findet sich ein dokumentierter zynischer Vermerk: „Ich wundere mich, dass man die Sache heutzutage nicht viel billiger haben könnte'. 'Die Aktien wären eigentlich pro Stück 250 Reichsmark wert gewesen. E.A. bezahlte lediglich 107 RM'. 'Die jüdischen Aktionäre wurden unter Zwang dazu gebracht, die Aktien an den Herzog zu verkaufen'. 'Bis 1944 sind diese Aktien das Doppelte wert'. Das wären also umgerechnet anstatt der vorherigen 3,7 Mill. Euro dann 7,4 Millionen.

 

Heinrich Hannover, der Bruder des heutigen Oberhauptes der Familie der Welfen, der selbst eine Stellungnahme verweigerte: 'Das war Deutschland, Diktatur, entweder sterben oder leben'. Aber: 'Bis in die 90er Jahre gehörten Porr-Aktien zum Vermögen des Welfenhauses'.

 

Die Ausweitung der Welfengeschäfte bewegt sich ab 1938 Richtung Teilhabe an einem Rüstungsbetrieb. Der Name der Firma: Flugzeug- und Metallbauwerke Wels, kurz FMW. In diesem Fall handelte es sich um eine Teilhabe an einem Betrieb, an der auch der Sohn (Offizier an der Ostfront) partizipierte. 'Es handelt sich hier um keine Arisierung, sondern um einen normalen Erwerb mit rechtlichen Mitteln'.- In jenen Tagen wurden Flugzeugtragflächen gebaut. 'Ein Millionengeschäft'.

 

Zwei damalige Lehrlinge, nun ins hohe Alter gekommen, zeigen im Film auf die Orte, an denen Gebäude standen. Der eine, Alfred Wimmer, erzählt über das, was er gesehen hat: 'Es war Kriegszeit. Da wurden die hergebrachten Flugzeuge schon repariert'. Ort war die B-Halle, die Ausbesserungshalle. Hier kamen Züge von 10-15 Waggons voll beladen mit defekten Flugzeugen an. 'Die Flugzeugwerke in Wels, Oberöstereich sind einer der wichtigsten Flugzeugbetriebe im Süden des Reichs'. Der Umsatz beträgt umgerechnet bis zu 60 Mill Euro pro Jahr.

 

Sabine Leitfellner, Historikerin, bringt im Wiener Landesarchiv 'mehr über dieses geheime Flugzeugwerk in Erfahrung'. Bislang gab es keine Kenntnisse über die Beteiligung der Welfen. 'Sie werden in diesem Film zum ersten Mal veröffentlicht'. Die Firma, die 'ursprünglich Landmaschinen' gebaut hat, wird 'ein Jahr nach dem Erwerb...in die Flugzeug- und Metallbauwerke umgewandelt' (Aug. 1939). Sprecherkommentar: 'Ein Monat nach dieser Umwandlung überfällt Deutschland am 1.Sept.1939 Polen'. - 'Der Angriff gelingt nur, weil auch die Deutsche Luftwaffe das wehrlose Land bombardiert'. - 'Hitler braucht die Unterstützung der Rüstungsindustrie'.


'Am Krieg verdienen damit auch die Welfen'. Heinrich Hannover bekennt die Tatsache des Gewinnerwerbs aus der Kriegsbeteiligung offen ein.

 

'Rüstungsproduktion für den Krieg. Nur möglich durch die Ausbeutung ausländischer Zwangsarbeiter'. Alfred Steinbichler, der andere damalige Lehrling, jetzt wieder am Ort, berichtet von Gruppen, die zur Schicht gingen, z.B. russische Mädchen (20-30 junge Frauen) – waren 'sehr tüchtig und nett'. Eine war Lehrerin in Kiew, von der anderen wusste man, dass sie Ukrainerin ist. Offen berichtet er: 'Eine deutsche Kolonne ist eingefahren nach Kiew und die haben die ganzen Frauen, die so arbeitsmäßig ausschauten, mitgenommen'.

 

Stadtarchiv Wels: 'Wie viele Zwangsarbeiter waren...beschäftigt?' - Die Recherche erbringt klare Belege für 'den systematischen Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern'. Es gibt Unterlagen über das 'Franzosenlager'. Danach sind ' 40-45% der Belegschaft...bis Ende des Krieges Zwangsarbeiter'. Allgemein: '10 Millionen ausländische Arbeitssklaven schuften für deutsche Betriebe'. Bei der FMW: 'mehrere Hundert', z.B.: Carlo Sesti.

 

Nachdem er nach einem Streik festgenommen worden war, geht es mit ihm über Mauthausen nach Wels, wo er am 5.Juli 1944 ankommt. 'Seine Erlebnisse gibt er kurz vor seinem Tod im Interview 1987 zu Protokoll'. Er gibt an, dass '12 Std. am Tag und 12 Std. in der Nacht gearbeitet wurde'. Es habe Rübensuppe gegeben, die von einheimischen Zivilisten übrig war. Das Lager war nicht stacheldrahtumzäunt. 'Wir konnten uns frei bewegen. Wir hatten Papiere dabei. Wohin aber fliehen?' - Kapos und Soldaten mit Gewehren bewachten das Lager. Seine Leidensgeschichte wird wieder aufgenommen.

 

Kenntnisse von Heinrich Hannover besagen, dass Großvater und Vater genau Bescheid wussten über die Arbeitsbedingungen. Man habe unbedingt noch den Sieg erreichen wollen. Zweck sei gewesen, die Rote Armee fernhalten zu müssen. 'Und da waren alle in Deutschland in irgendeiner Form dazu bereit, alles zu opfern, egal wie'.

 

'1944 schwinden Hitlers Aussichten auf einen Sieg'. - 'Um den Krieg noch gewinnen zu können, fordert er eine Wunderwaffe'. Die Me262 wird ihm von deutschen Ingenieuren präsentiert, das erste Düsenflugzeug der Welt. 'Die FMW...soll bestimmte Teile dafür herstellen. Doch das Werk Wels wird immer wieder bombardiert und schwer zerstört'. 'An normale Produktion ist hier nicht mehr zu denken'. 'Aber Luftwaffenchef Göring drängt darauf, dass die Me262 gebaut wird, koste es, was es wolle'. Die Arbeiter hören über den Plan munkeln, aber es war strengstens verboten, darüber zu sprechen. Es galt 'strengste Geheimhaltung'.

 

Gusen, Oberösterreich. Unauffällige Kleinstadt, 50 Km von Wels entfernt liegend. Heute überwuchert. Unterirdisches Stollensystem.

 

Hier soll die Me262 unter höchster Geheimhaltung im Verborgenen gebaut werden. Die Anlage ist 'streng abgeschottet und für die Aufklärungsflugzeuge der Aliierten unsichtbar...'. 'Oberste Verantwortung hatte der SS-Sonderstab Kammler [so weiß Bertrand Perz] aus einem eigenen Krisenstab. Kammler hatte eine Verleih-Agentur von KZ-Häftlingen'. Die Porr AG ist beim Bau einiger Anlagenteile beteiligt.

 

'Schon beim Bau des Stollens herrschte ein unfassbares Grauen'.- Ein Franzose, Zeitzeuge, 'konnte nur unter Tränen berichten, dass eine gesunder, kräftiger Mann diese Arbeit...nur wenige Stunden aushalten konnte'. (nach Rudolf Haunschmied, Gusen Memorial Committee)

'Und dann brachen die zusammen durch die Hitze und den Durst, durch die Entkräftung. Und er sagte damals auch, man hätte sich fallweise nicht einmal die Mühe gemacht, die Leute wegzuschaffen, um sie nach Gusen zu bringen zum Krematorium. Man hätte sie einfach hinter die Schalung geworfen und der nächste hätte sie mit Beton zugespritzt.'

 

Sprecher führt aus: 'Nur wenige Stollen sind heute zugänglich. Weil giftige Gase aus dem Gestein austreten, ist die Aufenthaltsdauer begrenzt'. Mit riesigen Hydraulikpressen wurden hier unter Tage die Bleche des Rumpfes gebogen'. 'An der Tunnelwand...Aufhängungen für die unterirdische Produktionsstraße...50 000 qm Fläche, von Arbeitssklaven in den hohen Stein gehauen'. Auf einem Übersichtsplan sieht man 3 Segmente, die der FMW zugewiesen sind.

 

Sprecher fragt schließlich: 'Wissen die heutigen Welfen, was ihr Großvater in der unterirdischen Produktionsanlage tat?'

 

Heinrich Hannover beschreibt es zutreffend: 'Gerade in der Endphase des Krieges war es so, dass man in jedem Fall alle Mittel anwenden wollte, alle, um die Niederlage zu verhindern, ne. Und da hat man nicht mehr hingeguckt. Da war die Moral weg...Und mein Großvater und mein Vater haben sicher diese Werke nicht gesehen und die haben nicht gewusst,was da läuft, dass Zwangsarbeiter eingeliefert worden sind, das kann sein, KZ-Mitglieder vermutlich auch, ob sie das gewusst haben, geh´ ich mal davon aus, aber sie haben es gutgeheißen...ich weiß es gar nicht, ob sie´s gut geheißen haben, aber ich vermute, hätt´ ich vielleicht auch in der damaligen Zeit, wo alles drunter und drüber ging, ne, mein Vater...in der Ukraine...hatte er einen Lungendurchschuß gehabt und hatte ja miterlebt, diese ganze Schweinerei im Rußlandfeldzug und die waren natürlich keine Nationalsozialisten, aber der Sieg, das war, stand oben auf, ne?'

 

Dusan Stefancic 'kommt 1944 nach Gusen und ist bei der Vormontage des Düsenjägers eingeteilt'. 'Etwa 40 000 KZ-Häftlinge werden insgesamt in Gusen getötet'. Die Arbeit findet in Nischen statt. Dusan zeigt in eine Richtung: 'Meine Nische'. 'Bis in die allerletzten Kriegstage im April 1945 läuft die Produktion auf Hochtouren'. 'Dusan Stefanczic und andere KZ-Häftlinge produzieren in nur 6 Monaten etwa 1000 Rümpfe der Me262'. 'Wenn sie ein Menschenleben ganz zur Seite stellen, dann kann man das schaffen'. 'Da war kein Mitleid, keine Barmherzigkeit, kein gar nichts'.

 

Sabine Leutfellner findet Hinweise auf eine weitere Produktionsstätte in Grein an der Donau. Auch hier wurden in einer eigenen Stätte 'Teile für die Wunderwaffe gefertigt'. 'Wieder werden KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter ausgebeutet. Wie viele es sind, ist nicht bekannt'. 'Einer von ihnen: der italienische Zwangsarbeiter Carlo Sesti'. Er hatte die Aufgabe, hier den Menschen aus Mauthausen...beizubringen, wie man mit solchen Geräten umgeht' (z.B. mit Instrumenten von Elektroschweißern und Aeromechanikern) 'Sklavenarbeit für die Welfen' in einer eigenen Produktionsanlage der Welfen.

 

Heinrich Hannover: 'Also ich glaube schon, dass sie moralische Schuld hatten...'.

 

Kamerawechsel zu einer Gedenkfeier für die Opfer des Konzentrationslagers Gusen. 'Noch heute kämpfen viele Opfer um Anerkennung und Wiedergutmachung. Noch immer sind nicht alle entschädigt. Auch nicht die Opfer der Welfen'. Sprecher führt ein: 'Auf der Gedenkfeier treffen wir Giuseppe Valota. Sein Vater kam als Deportierter in einem KZ zu Tode. Er kennt die Geschichte der italienischen Zwangsarbeiter von FMW'.- Valota ist bestürzt, auch über das Schicksal von Carlo Sesti, der mit einer ganzen Gruppe Italien-Häftlingen zu FMW kam'. - 'Sie haben nichts bekommen'. (Giuseppe Valota)

 

Sprecher am Schluss: 'Die Enkel des Herzogs tragen keine persönliche Schuld. Aber sie könnten helfen, die Vergangenheit aufzuklären. Doch sie tun es nicht'.

 

Sabine Leitfellner: 'Man muss hier nicht von Erbschuld reden'. 'Es wäre doch ein sehr gutes Zeichen, sich einfach dieser Vergangenheit zu stellen'.

Fortsetzung folgt.

 

Film: 'Adel ohne Skrupel', Die dunklen Geschäfte der Welfen, NDR 2014

Ein Film von Michael Wech und Thomas Schuhbauer

 

http://www.youtube.com/watch?v=eMBESIyESlU

 

Erklärung zum Foto und dessen Namensschriftzug: 'Unmittelbar vor dem Ende des 2. Weltkriegs verhindert er die Sprengung bei den KZ-Lagern des unterirdischen Flugzeugwerkes und der Stollen von Gusen und somit die Ermordung Zehntausender Häftlinge, indem er amerikanische Truppen benachrichtigte...' (Text: Wikipedia)

Die Louis-Häflinger-Gasse befindet sich im 21. Bezirk, dem alten Arbeiterwohnbezirk Floridsdorf jenseits der Donau.

P.S. Die Formulierung 'Kapitalismus plus Mord' stammt von Ernst Bloch.