Der Literatur-Comedian Tim Boltz in Fulda
Hanswerner Kruse
Fulda (Weltexpresso) - Tim Boltz alias Zeno Diegelmann ist ein Krimischreiber und Literatur-Comedian. Mit seiner Lesung „Rüden haben kurze Beine“ entpuppte er sich im Fuldaer Kulturkeller auch als genialer Schauspieler.
Es ist der Höhepunkt der ersten Erzählung, das Publikum kommt aus dem Lachen gar nicht mehr raus: Gerade hat Robert auf dem Tanzboden Jana kennengelernt, Pirouetten gedreht und schmerzhaft einen Spagat versucht. „I will survive“ (Ich werde überleben) paraphrasiert leise die Pianistin Corinna Fuhrmann die Geschichte. Dieser Abend soll die „Nacht der Nächte“ werden, freut sich Robert bereits, doch sein Deo versagt beim Tanzen. Verzweifelt reibt er sich nach Waldmoos riechende Urinsteine aus der Herrentoilette unter die Achseln.
Da bricht der Stuhl eines lachenden Besuchers in der ersten Reihe zusammen. „Das hat sie umgehauen, was?“, fragt Boltz. Während Fuhrmann kurz „Tatü Tata“ anklimpert, besorgt er einen heilen Stuhl. „Fangen wir noch mal neu an“, fordert der Spaßvogel, „guten Abend meine Damen und Herren!“ Dieser Slapstick war nicht vorgesehen, denn der Literatur-Comedian macht eigentlich keinen Klamauk auf der Bühne. Obwohl sein Robert noch den „zweiten Krisenherd“ mit Urinsteinen behandelt, „nun kam auch aus dem Schritt der betörende Duft eines deutschen Mischwaldes“, sind seine Darbietungen selten unter der Gürtellinie.
Im Grunde ist der Abend eine Lesung aus seinen Büchern mit performativen Elementen, dadurch macht Boltz seine Figuren überaus lebendig. Er zeigt uns das kokette Jana-Weibchen und den „Lügen-Rüden“ Robert bei ihren wunderlichen Balzspielen, bis sie säuselt, „komm lass uns gehen“ und er weiß, „das ist das Ende meiner Pechsträhne.“
Einer der theatralischen Glanzpunkte des Abends ist die von Boltz inszenierte Weinverköstigung mit sechs verschiedenen Figuren. „Lügen-Rüde“ Robert hatte sich in der Disco ja nicht nur als Pilot ausgegeben sondern auch als Weinkenner: „Ein Flieger kommt herum in der Welt.“ Überraschend hat Jana ihn für einen Wettbewerb kritischer Gourmets angemeldet, der von einem kölschenen Moderator geleitet wird. Als Jurymitglied mokiert sich der Biertrinker über das aufgeblasene Getue seiner drei näselnden, lispelnden oder stammelnden Kollegen und wird immer betrunkener, weil er den Wein einfach in sich hineinkippt. Man ist mächtig erstaunt, wenn Boltz nach dem versoffenen Gelalle seines Roberts wieder mit normaler Stimme weiterliest, so stark zieht er die Zuschauer in seine Geschichten hinein.
Zwischen seinen Vorlesungen wechselt Boltz den Platz und trägt Gereimtes vor, etwa über den „…Veganer-Mann, der postuliert, dass auch Gemüse leiden kann.“ Wie im Vorfeld bereits angedroht, trällert er auch ein nettes Lied: „Lügen haben lange Beine, sind genauso schön wie Deine!“ Aber das wäre an diesem, ansonsten großartigen Abend nun wirklich nicht nötig gewesen.
INFO:
Am 19. 11. 2014 ist Tim Boltz in der Frankfurter „Käs“
Weitere Termine
7. 12. Hofheim „Showspielhaus“, 9. 12. Mainz „Unterhaus“, 18. 12. Gelnhausen „Paradies-Theater“