Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 6. November 2014, Teil 4

Kirsten Liese

Berlin (Weltexpresso) – Hoffentlich ist das inzwischen aufgefallen, daß Weltexpresso verschiedene Filmkritiken zu ein und dem selben Film bringt - und noch weitere zusammentragen wird. Das ist einem Film geschuldet, der wichtig ist, aber soviel Aspekte, eben auch kritische hat, daß man daraus Seminare machen könnte. Wir belassen es bei den Filmrezensionen. Die Redaktion

 

 

Auschwitz? Nie gehört.“ Wie bitte? Man kann es sich kaum vorstellen, aber tatsächlich war die Bundesrepublik in den Wirtschaftswunderjahren noch weit davon entfernt, die NS-Verbrechen aufzuarbeiten. Erst Mitte der 1960er Jahre veränderte sich das von Vergessen geprägte Klima endlich doch.

 

Das war in erster Linie das Verdienst des hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer, grandios besetzt mit dem unlängst verstorbenen Gert Voss in seiner letzten Kinorolle. Regisseur Ricciarelli setzt dem Helden, der den KZ-Mördern den Prozess machte, ein würdiges, spätes Denkmal. Im Film leitet der junge Staatsanwalt Johann Radmann in Bauers Auftrag die Ermittlungen, ein fiktiver Charakter, aber historischen Vorbildern authentisch nachempfunden.

 

Es beeindruckt, diesem Idealisten dabei zuzuschauen, wie er trotz massiver Widerstände unermüdlich recherchiert. Er befragt Holocaust-Überlebende, wühlt sich durch unüberschaubare, meterhohe Aktenberge, widersteht jeglichem Einschüchterungsversuch und erstreckt seine Fahndungen bis nach Südamerika. Ein spannendes Drama, das aufwühlt, weil die Suche nach der Wahrheit auch Radmanns eigenes Leben belastet.

 

INFO I:

Im Labyrinth des Schweigens“, D 2014, 123 Minuten ab 12 Jahren

Regie Giulio Ricciarelli mit Alexander Fehling, André Szymanski, Friederike Becht, Gert Voss und anderen, Filmstart 6. November, Verleih Universal Pictures

 

INFO II:

Der Jurist und Sozialdemokrat Fritz Bauer (1903 – 1968), sofort 1933 als jüngster Amtsrichter Deutschlands wegen seiner Parteizugehörigkeit, nicht als Jude entlassen und kurzfristig in ein Konzentrationslager eingesperrt, konnte in der NS-Zeit nach Dänemark, später nach Schweden flüchten. Einige Jahre nach Kriegsende kehrte er nach Deutschland zurück und arbeitete zunächst bei der Staatsanwaltschaft, dann als Generalstaatsanwalt in Braunschweig und rehabilitierte im Remer-Prozess 1953 die bis dato als Vaterlandsverräter geltenden Widerstandskämpfer vom 20. Juli 1944 („Der NS-Staat war kein Rechtsstaat, sondern ein Unrechtsstaat“).

 

Später wurde er auf Initiative des hessischen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Georg August Zinn Hessischer Generalstaatsanwalt. Gegen immense Widerstände aber mit Zinns politischer Rückendeckung übte er sein Amt aus und leitete Ermittlungen gegen Nazi-Verbrecher ein. Er war der Initiator des Frankfurter Auschwitz-Prozesses und gab Adolf Eichmanns Aufenthaltsort in Südamerika an den israelischen Geheimdienst weiter, weil sich deutsche Behörden geweigert hatten, Auslieferungsanträge von Naziverbrechern zu stellen und noch schlimmer: denen sofort das Untertauchen zu empfehlen. Bauer starb 1968 unter mysteriösen Umständen. Zu Lebzeiten meinte er, „wenn ich mein Dienstzimmer verlasse, betrete ich feindliches Ausland.“, was sich auf die mit Altnazis besetzte westdeutsche Justiz, auch in Frankfurt bezog.