Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 20. November 2014. Teil 3

 

Kirsten Liese

 

Berlin (Weltexpresso) - Eigentlich könnten Tomas (Johannes Bah Kuhnke) und Ebba (Lisa Loven Kongsli) erleichtert aufatmen: Eine Schneelawine, die für einen kurzen Moment das Leben der Skitouristen in einem Alpenrestaurant bedrohte, kam rechtzeitig zum Stehen. Doch der Schrecken sitzt tief.

 

 

Ebba kann nicht vergessen, dass ihr Mann in dieser Situation panikartig die Flucht ergriff, anstatt sie und die Kinder zu beschützen, und erzählt das befreundeten Paaren. Beschämt über die Anschuldigungen bestreitet Tomas sein Versagen. Sie aber lässt nicht locker und reitet so lange darauf herum, bis er am Boden ist.

 

Um menschliche Verhaltensweisen in Extremsituationen kreist der schwedische Regisseur Ruben Östlund („Play“) in seinem jüngsten Psychodrama. Mit schwarzem Humor und penibler Genauigkeit schildert er den Kampf um die Wahrheit, Vertrauen und das schwierige Eingestehen von Schwäche. Spielerisch greift er Rollenklischees auf und sensibilisiert für den diffizilen Umgang mit der Scham. Wenn es hart auf hart kommt, ist sich also jeder selbst der Nächste?

 

Zahlreiche Erfahrungsberichte von Katastrophenopfern und Statistiken von Schiffsunglücken, die der Regisseur bei seinen umfangreichen Recherchen studierte, lassen daran keinen Zweifel. Ihnen konnte er entnehmen, dass sich die Dinge anders verhalten als landläufig angenommen. Frauen genießen keinen Überlebensvorteil, Kapitäne gehen nur selten als letzte von Bord, wie es der Ehrenkodex verlangt.

 

Die unaufdringliche Inszenierung vertraut auf die emotionale Kraft der Geschichte und eindrucksvolle, kontrastreiche Bilder, weite, herrliche Bergpanoramen und abgeschlossene Interieurs eines modernen Hotels, dem Austragungsort der endlosen Debatten über den unkontrollierbaren Überlebensinstinkt.

 

Lifte, Bahnen, Walzen und Schneekanonen unterstreichen die Verdienste des Menschen um die Technik, in seinen Grundfesten aber scheint er doch leicht zu erschüttern.

 

Was bleibt, wenn die Fassade erst einmal zerstört ist? Was hält die Familie zusammen? „Höhere Gewalt“ ist zwar etwas zu lang geraten, provoziert aber Fragen, die das Potenzial haben, jede Beziehung zu belasten.