Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 27. November 2014, Teil 1
Hanswerner Kruse
Berlin (Weltexpresso) - Martin Suters überaus erfolgreicher Roman „Der Koch“ von 2010 wurde verfilmt und kommt jetzt in die Kinos. „Wonach schmeckt das denn?“, fragt die von der Mahlzeit hingerissene Andrea. „Nach meiner Heimat“, antwortet der tamilische Koch Maravan.
DER KOCH
Doch um es gleich vorwegzunehmen - das neue Werk des Regisseurs Rolf Huettner („Vincent will Meer“) ist kein Film über das Kochen. Er beginnt mit einem Vorspiel im Kampf um die Unabhängigkeit der Tamilen in Sri Lanka, bei dem Maravans Eltern sterben. Dann versetzt ein harter Schnitt die Zuschauer Jahrzehnte später nach Zürich, wo Asylbewerber Maravan (Hamza Jeetooa) in einem edlen Restaurant als mies behandelte Küchenhilfe schuftet. Nach dem Tod der Eltern wuchs er bei der Oma auf, die ihn in die Kunst der ayurvedischen Küche einweihte. Deshalb gerät er mit dem arroganten Chefkoch in Konflikt, der die Speisen oft verhunzt. Die attraktive Serviererin Andrea (Jessica Schwarz) unterstützt ihn in einem Streit, Maravan lädt sie daraufhin zu einem Curry bei sich ein.
Tagelang besorgt er frische Zutaten, dann bereitet er ein Festessen vor: Die mit der Handkamera gedrehten Nahaufnahmen vom Schneiden, Schnippeln, Kochen und Essen machen nicht nur Appetit, sondern bauen auch eine mächtige erotische Spannung auf. Für die Zuschauer nehmen die Bilder vorweg, was dann passiert: Die eigentlich pappsatte Andrea krabbelt auf Maravans Schoß und säuselt „Ich bin noch nicht satt.“
Doch am nächsten Tag bezichtigt Andrea den Koch, sie mit Drogen gefügig gemacht und verführt zu haben, denn sie würde niemals mit einem Mann schlafen. Der Koch versichert ihr, Drogen seien nicht im Spiel gewesen, die aphrodisische Wirkung läge an der Zubereitung der traditionellen Gerichte mit einem modernen Rotationsverdampfer.
Dieses wertvolle Gerät hatte Maravan illegal im Restaurant ausgeliehen, das fliegt auf und er wird entlassen. Gleichzeitig kommt jedoch in Begleitung seines Cousins Ulagu (Faraz Ayub) die kranke Großmutter für eine OP nach Zürich. Nun wird der Film mächtig politisch, denn Ulagu ist ein glühender Anhänger der Befreiungsbewegung Tamil Tigers: „Wir sind nicht nur Küchenhilfen wir sind freie Menschen“, beschimpft er Maravan, bevor er sich den Rebellen anschließt und bald im Kampf stirbt.
Um Geld für die Behandlung seiner Oma zu verdienen, lässt der Koch sich auf einen Deal mit Andrea ein. Sie gründen „Love Food“ zur Unterstützung von Paaren mit sexuellen Problemen, obwohl Maravan das „unanständig“ findet. Die Ereignisse eskalieren, als die Liebesmenüs auch Schweizer Geschäftemacher genießen wollen, die illegal Waffen an die Regierungstruppen in Sri Lanka im Kampf gegen die Tamilen liefern…
Der Film erzählt behutsam die Geschichte ausschließlich aus Maravans Perspektive und wird irgendwann zu einem milden, aber spannenden Politthriller. Er weicht stark von seiner Vorlage ab, erzählt stringenter, verdichtet die Handlung, verzichtet auf Suters weitschweifige Erläuterungen. Vor allem hat er einen immensen Vorteil gegenüber dem Roman - die Interieurs der Küchen, die Zubereitung des Essenkochens, die politischen Machenschaften müssen nicht langatmig beschrieben werden, sie sind einfach zu sehen. Auch die Psychologie vieler Figuren wird nur angerissen, das reicht, um sie und ihr Handeln zu begreifen.
„Der Koch“ ist ein spannender und dennoch verzaubernder Film, der die politische Realität nicht ausblendet. Die Kenner des Romans könn(t)en sich an den Kinobildern erfreuen, die den Geist der literarischen Vorlage, trotz vieler sinnvoller Abweichungen, bewahren!