FILMTHEATER. Kinofotografien von Ives Marchand und Romain Meffre im Deutschen Filmmuseum Frankfurt

 

Kirsten Liese

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Bröckelnde Fassaden, zerschlissene Vorhänge, ramponierte Tribünen, Staub und Schutt: Das Deutsche Filmmuseum zeigt in seiner jüngsten Sonderausstellung „Filmtheater“ großformatige Ansichten einstiger US-Kinopaläste, sie bieten einen traurigen Anblick des Verfalls.

 

Und doch entdeckt man auf den Abzügen der Pariser Fotografen Romain Meffre und Yves Marchand inmitten der Verwüstung auch staunenswerte Relikte einer von Schönheit und Glamour geprägten vergangenen Kinokultur: Stuckaturen, Ornamente, Dekors und vereinzelt sogar Orgeln an den Wänden.

 

Die 30 ausgewählten Motive aus der Serie „Theatres“ von Meffre und Marchand, die von 2005 an über einen langen Zeitraum von zehn Jahren entstanden, sind erstmals in einem Museum zu sehen.

 

Spuren solch barocke Opulenz lassen sich vergleichsweise in Deutschland oder Frankreich nicht finden. Aufnahmen dokumentieren so gesehen dezidiert die gesellschaftlichen Umbrüche in Amerika, denn in dichter besiedelten Ländern wie Frankreich oder Deutschland lassen sich keine vergleichbar prächtigen, leerstehenden Filmtheater finden, sagt Romain Meffre.

 

Die Kinopaläste der Goldenen Zwanziger Jahre zielten darauf ab, die Besucher mit ihrer Architektur und ihrem besonderen Komfort zu beeindrucken, zu verführen“, betont Romain Meffre, „die Menschen sollten sich wie Könige fühlen, Amerika wollte sie zum Träumen bringen.“

 

Schon in ihrem viel beachteten Bildband „Ruins of Detroit“ dokumentierten die selbst ernannten Foto-Archäologen mit gespenstischen Impressionen den Wandel der berühmten einstigen Stadt des Auto-Booms in eine verlassene, verarmte Geisterstadt. Ihre jüngste Serie „Filmtheater“, für die sie quer durch die USA reisten, stellte sie technisch vor eine noch größere Herausforderung:

Um in den verdunkelten, fensterlosen Kinos angemessene Lichtverhältnisse zu schaffen, haben sie mit sehr langen Belichtungszeiten gearbeitet. Vor geöffneter Blende liefen sie mit Halogenlampen im Raum herum, um möglichst viele Winkel auszuleuchten.

 

Das mit dem Aufkommen des Fernsehens einhergehende Kinosterben Anfang der 1960er Jahre führte in Amerika jedoch nicht durchweg zu Verfall und Gebäude-Leerstand, sondern oftmals zu profanen, bisweilen geradezu grotesken Transformationen. Viele der Bilder wirken wie Montagen: Oben die vornehme Kuppeldecke, unten eine Basketballhalle, ein Supermarkt, ein Fitness-Studio, ein Restaurant oder ein Busdepot.

 

Eine Restauration der gigantischen, bis zu 4000 Plätze umfassenden Filmtheater ist immens teuer, der amerikanische Denkmalschutz damit überfordert. Insofern ist die Umwandlung eines Filmtheaters in einen hässlichen 99 Cent Store vielleicht noch nicht die schlechteste Lösung.

 

Die Fotografen holen mit ihren Arbeiten aber auch weitaus schmerzlichere vergessene Geschichten vom alten Glanz aus der Dunkelheit. Am brutalsten wirkt der Zusammenprall von Vergangenheit und Gegenwart in dem 1910, von der Bühnenschauspielerin und Feministin Cecil Spooner erbauten Filmpalast in der Bronx, einem heutigen Kleidergeschäft. Wie die Arme einer Krake ragen da klobige Rohrleitungen einer Klimaanlage auf einer im Saal eingezogenen Zwischendecke heraus: Ein Szenario wie aus einem Science Fiction-Film.

 

Mit einer Kompilation historischer Wochenschau-Berichte von den 1940er bis 70er Jahren und einer Dokumentation über die konkrete Entwicklung in Frankfurt schlägt die Ausstellung einen Bogen zur Geschichte der deutschen Filmtheater.

 

Auch in Frankfurt ist die Landschaft der Lichtspielhäuser erheblich geschrumpft: Noch 1959 existierten in der Metropole 85 Kinos, heute sind es vergleichsweise nur noch 35.

Trotz solcher Krisen und Einschnitte hat das Kino mit immer neuen Ideen und Konzepten überlebt. Und dass es auch den schwierigen Herausforderungen der Gegenwart trotzen wird, der Allverfügbarkeit von Filmen auf DVD, Bluray oder im Internet, davon ist Claudia Dillmann, die Direktorin des Deutschen Filmmuseums überzeugt. Schließlich ist das Kino „ein sozialer Ort, an dem man Film gemeinsam erlebt und ein besonderer Ort des konzentrierten Schauens“.

 

 

Tatsächlich belegen sogar die auch für Opernübertragungen genutzten modernen Astor Lounges in Berlin, Köln, München und Frankfurt mit ihrem luxuriösen Sitzkomfort, Sektausschank und Platzanweisern, dass Filmtheater für den gehobenen Geschmack auch heute noch ein Publikum finden.

 

 

INFO:

 

Die Ausstellung ist bis zum 31. Mai zu sehen