Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 8. Januar 2015, Teil 1

Kirsten Liese

Berlin (Weltexpresso) – Ein schrecklicher Unfall in einer eisigen Winternacht. Der Fahrer flieht, ein Radfahrer erliegt seinen schweren Verletzungen. Was ist sein Leben wert? In Paolo Virzìs Krimi beziffert sich die Versicherungssumme im Todesfall, das sogenannte “Humankapital”, exakt auf 218.976 Euro.

 

DIE SÜSSE GIER

Allemal realitätsnah, aber auch etwas simpel erzählt “Die süße Gier” von Perversion, Habgier, Konkurrenz, Wetteifer, Spekulantentum und Existenzangst, kurzum von den fatalen Folgen des Turbokapitalismus. Der Film basiert auf dem amerikanischen Bestseller “Der Sündenfall” von Stephen Amidon, spielt aber im heutigen Italien.

 

In der vielleicht dankbarsten Rolle ist Valeria Bruno Tedeschi- und damit eine prominente Größe des italienischen Kinos zu erleben. Sie ist Carla, die charmante Gemahlin des einflussreichen Finanzspekulanten Giovanni Bernaschi (Fabrizio Gifuni), eine Frau mit einem Doppelleben. An der Seite ihres Gatten repräsentiert sie eine perfekte Ehe, nebenher vertreibt sie sich die Langeweile mit ihrem heimlichen Liebhaber Donato, dem besitzergreifenden Direktor eines Theaterprojekts (Luigi Lo Cascio).

 

Doch so wie sich die Geschäfte ihres Mannes zusehends verschlechtern, gerät auch sie in die Bredouille. Dass ihre Pläne, ein marodes, traditionsreiches Theater wieder zu dem machen, was es einmal war, in die Ferne rücken, ist noch nicht das Schlimmste. Groß werden die Sorgen, als ihr erwachsener Sohn (Guglielmo Pinelli) als Hauptverdächtiger der Fahrerflucht ins Visier der Ermittler gerät. Allein der Immobilienmakler Dino Ossola (Fabrizio Bentivoglio), der den Fehler begangen hat, sich als Business-Partner in den vermeintlich so rentablen Investmend-Fonds ihres Mannes einzukaufen und nun vor der Pleite steht, könnte ihr helfen. Allerdings verlangt er für den Beweis einer Unschuld viel Geld.

 

Zu dem reichen, typengerecht besetzten Figurenarsenal zählen ferner Dinos Tochter Serena (Matilde Gioli) und ein suizidgefährdeter junger Mann, der als Waise bei seinem drogendealenden Onkel lebt. Allerdings wirken die Jungen, deren Generationskonflikte mit den egozentrischen Eltern und Liebesnöte „Die süße Gier“ en passant auch noch streift, inmitten all der Konflikte und Turbulenzen etwas unterbelichtet.

 

So gesehen erstaunt der immense Erfolg dieses Films, den die Italiener bei der Nominierung für den Auslandsoscar sogar Paolo Sorrentinos fellineskem Opus „La grande bellezza“ vorzogen. Dies umso mehr, als dass zahlreiche Thriller, Politdramen und Dokumentarfilme schon abgründigere, düstere und komplexere Einblicke in die internationale Finanzkrise gaben, angefangen von dem amerikanischen Börsendrama „Wall Street- Geld schläft nicht“ über die rabenschwarze deutsche Tragikomödie „Die Zeit der Kannibalen“ bis hin zu der preisgekrönten Doku „Master Of The Universe“.

 

Am stärksten ist Virzìs Film dann, wenn im Zuge der verschachtelten Erzählweise und perspektivischen Wechseln geheimnisvolle Leerstellen entstehen. Das Ende wirkt dann allerdings doch ein wenig zu versöhnlich.