Die Wettbewerbsfilme der 65. Berlinale vom 5. bis 15. Februar 2014, Teil 25

 

Claudia Schulmerich

 

Berlin (Weltexpresso) – Auch in POD ELECTRICHESKIMI OBLAKAMI gibt es eine Frau, die durch die Geschichte führt und eine starke Rolle spielt. Es ist die Tochter des verstorbenen Philanthropen, die nicht zu spät die Sache herumreißt in diesem eigenartigen russischen Film, der als einziger der gezeigten Filme eine völlig andere Sprache spricht und versucht, die politisch-gesellschaftliche Situation seines Landes durch poetische Reflektionen wiederzugeben.

 

Das verwirrt durchaus, weil man sich diesem Film nicht wie im westlichen Kino gewohnt, durch intensives Hineinschauen nähern kann, sondern eher wie in der Art der griechisch-russischen Ikonen darauf warten muß, sich öffnen muß, daß das hinter allem Stehende in einen eindringen kann, einen erleuchten kann.

 

So ging es uns und das Eigenartige war, daß wir an diesen Film, der am Dienstag lief, jeden Tag stärker denken mußten. Er wurde von nicht wenigen total abgelehnt, wir aber halten an ihm fest und würden ihm glatt den Goldenen Bären geben. Es gibt nur einen Film, der uns auch den Goldenen Bären wert ist. Das ist Jafar Panahis TAXI. Daß der iranische Regisseur von seinem Handwerk etwas versteht, haben schon viele seiner Filme bewiesen. Daß er aber neue Handwerksmaterialien erfindet, wenn ihm die iranischen diktatorischen Machthaber die normalen entziehen, zeugt von besonderer Intelligenz, großer künstlerischer Kraft und Mut. CINDERALLAS Prämisse, Mut und Freundlichkeit zu leben, verkörpert Panahi auch in diesem Film eindrucksvoll.

 

Schon die Idee, mit dem Taxi durch Teheran zu fahren, vorne eine Kamera zu installieren, die gerade mal auf den Chauffeur gerichtet werden kann, einschließlich des hinter ihm sitzenden Fahrgastes, oder nach vorne, aus der Frontscheibe heraus zur Straße oder zur Seite, dem Beifahrersitz, und die Stimmen der Bevölkerung einzufangen, ist grandios. Natürlich sind diese Stimmen inszenierte und die Texte vom Regisseur initiiert. Aber daß man selbst beim Zuschauen immer wieder irritiert wird, zeigt auch die Stärke des Films. Denn, wenn man denn endlich den Chauffeur des Taxis im Bild sieht und Panahi erkennt und sich als Eingeweihter fühlt, weil man ihn erkennt und phantasiert, daß er einem nun lauter Fahrgäste vorführen wird, die ihm plappernd etwas erzählen, foppt er uns. Denn die im Sammeltaxi ständig wechselnde Besetzung bringt bald eine besonders Figur ins Spiel. Doch davon ein andermal, denn wir sind sicher, daß TAXI einen Preis erhalten wird, so hervorragend ist dieser Film als Film: Entweder den Goldenen Bären oder den der großen Jury oder als Beste Regie.

 

Die Frauen haben wir irgendwo verloren, denn auch AFERIM!, dieser Ritt durch die Walachei im Jahr 1835, hat für Frauen nur eher dekorative Rollen. Der Film selbst aber gefiel uns sehr. EISENSTEIN IN GUANAJUATO dagegen überhaupt nicht. Dieser Schwulst hat gar keinen Preis verdient, obwohl Hauptdarsteller Elmer Bäck seine Sache phantastisch macht und für einen Preis in Frage käme. Die asiatischen Filme gab es in der zweiten Festivalhälfte, sie bieten weder besonders einprägsame Frauen auf, noch hat man den Eindruck, hier werde Filmgeschichte geschrieben.

 

Das gilt dagegen durchaus für den italienischen Beitrag VERGINE GIURATA, wo die albanische Sitte, die eine Unsitte ist, vorgeführt wird, wie Frauen aus ihrer Geschlechtlichkeit austreten und zu Männern werden können, wenn sie das allgemeine Schicksal von Ehefrauen nicht teilen wollen. Alba Rohrwacher spielt diese Mannfrau sehr überzeugend, aber dennoch finden wir das unangemessen, daß dies sofort den Darstellerpreis für sie einfordere.

 

Bleibt die Frage, wo eigentlich die deutschen Filme geblieben sind? Na ja, wenn gleich Elser, der für uns sehr preiswürdig wäre, außer Konkurrenz läuft, der Herzog- und der Wendersfilm auf Englisch laufen, letzterer sowieso außer Konkurrenz, dann bleibt eben doch nicht so viel, wie es zuvor an Deutschem auf der Berlinale 2015 aussah. Warten wir also auf den Abend und die Preisvergaben.