Die Wettbewerbsfilme der 65. Berlinale vom 5. bis 15. Februar 2014, Teil 28

 

Claudia Schulmerich

 

Berlin (Weltexpresso) – Überblickt man den Preissegen im Verhältnis zu den 19 im Wettbewerb stehenden Filmen, so fällt auf, daß Sieger zuvörderst Filme aus Lateinamerika sind, aus dem Iran, Rumänien, Polen und Rußland sowie ein Finne mit der Kamera.

 

Die großen Verlierer sind Asien, Hollywood und Deutschland und damit eben auch die großen Bilderfluten, die von der Leinwand aus die Zuschauer manchmal erschlagen.

Für Letzteres kann man sowohl die beiden großen epischen Dramen NADIE QUIERE LA NOCHE von Isabel Coixet und Werner Herzogs QUEEN OF THE DESERT nehmen, aber noch viel stärker EISENSTEIN IN GUANAJUATO von Peter Greenaway und KNIGHT OF CUPS von Terrence Malick sowie YI BU ZHI YAO von Jiang Wen.

 

Die letzteren sind alle drei von einer ungeheuren Farben- und Formenwucht, wobei für die beiden letzten hinzukommt, daß die Kamera die schnellen Bewegungen im Raum erfassen muß, das Auge ununterbrochen neue Reize verarbeiten muß, wobei ebenfalls bei den beiden letzteren Filmen eine laute Musik hinzukommt, die im amerikanischen Film Dekor ist, im chinesischen aber zu den Bühnenhandlungen gehört.

 

Man hat den Eindruck, daß die technischen Möglichkeiten, die Leinwand zu einem Licht-, Leucht-, Raum- und Musikspektakel zu machen, inzwischen ausgereizt sind und nur noch durch immer mehr, immer stärker, immer greller überboten werden - aber weitere Grandiositäten gar nicht reizen. Zumindest nicht die Kritiker auf einem Filmfestival.

 

Schaut man dagegen die Siegerfilme an, so sind das allesamt 'kleine' Filme, Filme, die ein überschaubares Filmpersonal (AFERIM!, EL CLUB; BODY, IXCANUL, VICTORIA und erst recht TAXI ) haben, Menschen, die man zudem im Alltag begleiten kann, die Probleme haben, die andere auch haben oder aufgrund spezifischer Schwierigkeit eine problematische Situation überwinden müssen.

 

Das ist erst mal auf die Schnelle als Überblick formuliert. Aber die Schlüsse liegen einfach auf der Hand. Lateinamerika steht für drei Filmpreise: für Chile ein zweimaligen Erfolg: der Film über die pädophilen exkommunizierten Priester in EL CLUB (Filmpreis) und der einzige Dokumentarfilm EL BOTÓN DE NACÁR, der den Bären für das Drehbuch erhielt IXCAMUL mit dem Preis für den innovativsten Film, ist nicht nur ein Film aus Guatemala, sondern stark durch die indigene Bevölkerung beeinflußt, bzw. durchdrungen.

 

Über den iranischen Film TAXI hatten wir uns schon ausgelassen, der den Goldenen Bären für den Besten Film erhielt. Der rumänische Film AFERIM hat einen Regiepreis wie auch der polnische Film BODY. Bleibt der Preis für POD ELECTRICHESKIMI OBLAKAMI, aus Rußland, der den Preis für eine herausragende Künstlerische Leistung erhielt, den er für seine Kamera erhielt, genauso wie die Kamera für den aus Finnland kommenden Kameramann. Gerade am Preis für den russischen Film sieht man, daß die Preise selbstverständlich alle ein wenig wackeln. Denn der russische Film ragt in jeder Beziehung aus dem Feld aller anderen Filme heraus, weil er eine völlig andere Grundlage, nämlich eine philosophisch-politische hat, die gleichwohl mit poetischen Mitteln auf die Leinwand gebracht werden.

 

Man kann den Eindruck erhalten, erst sei ein Film für preiswürdig ausgewählt und dann die Frage geklärt worden, welchen der Preise er bekommen sollte. Das ist übrigens ein völlig legitimes Verfahren, das auch dafür sorgen soll, daß man das Gesamtbild im Blick behält. 45 JAHRE des Engländer Andrew Haigh hat keinen direkten Preis erhalten, aber immerhin spielen die beiden mit dem Darstellerpreis ausgezeichneten Schauspieler hierin ihre Rollen. Dennoch gibt es weitere Filme, die in das Raster der ausgezeichneten Filme passen, wie VERGINE GURATA, aber keine Preise erhielten. Einfach, weil mehr als zehn Preise nicht ausgelobt werden konnten.

 

Die deutschen Filme stehen zwischen den großen Leinwandspektakeln und den kleinen feinen Filmen kleinerer Nationen. VICTORIA, die so mancher für den GOLDENEN BÄREN als potentieller Sieger sah, ist ein großartiger Film geworden, wenn man sich durch die ersten fünfzig Minuten durchgequält hatte – das ist wenigstens unsere Meinung. Andreas Dresens' ALS WIR TRÄUMTEN konnte unsere großen Erwartungen nicht erfüllen. ELSER von Oliver Hirschbiegel gefiel uns außerordentlich, lieb aber außer Konkurrenz. Die beiden Produktionen von Werner Herzog und Wim Wenders sind internationale, zudem im zweiten Teil außer Konkurrenz.

 

Man müßte diese Analyse, die – noch einmal gesagt – nicht den Publikumsgeschmack entspricht und damit noch keine Gefahr für die große Filmindustrie ist, nun in einem zweiten Schritt vergleichen mit all den Preise in den verschiedenen Sektionen des Wettbewerbs.Das müssen andere machen.