Auf der 62. Berlinale vom 9. bis 19. Februar 2012, II
Romana Reich
Berlin (Weltexpresso) - Der größte Medienrummel überhaupt. Der Raum für die Pressekonferenzen im Grand Hyatt Berlin ist schon sehr geräumig, man stellt sich vor, daß zu anderen Zeiten hier Bälle stattfinden. Aber heute ist alles zu klein: LA ANGELINA wird erwartet und alle kommen; um Fragen zu stellen, aber vor allem wohl, um sie zu sehen und auch Bilder zu knipsen.
Dazu gibt es eigentlich die erste Reihe, aber heute sind etwa vier Reihen ohne Stühle daraus geworden, wobei die festen Stuhlinhaber – das Prozedere ist immer so, daß vor Beginn der eigentlichen Pressekonferenz 1-2 Minuten fotografiert werden darf und dann nicht mehr – längst auf ihren mit den Mediennamen gekennzeichneten Plätzen stehen, also die vorderen Stehenden überragen. Man merkt, wenn es wie jetzt verspätet losgeht, daß die Leute zu klatschen anfangen, und dann die Rufe: „ To the left!“ – „To the right“, jeder will ein besonderes Bild, wo Angelina Jolie in seine Linse schaut.
Auf dem Podium sitzen von links aus Goran Kostic, Schauspieler, Zana Marjanovic, Schauspielerin Rade Serbedzija, Schauspieler .Vanesa Glodjo, Schauspielerin, Angelina Jolie in der Mitte als Regisseurin, Nikola Djurícko, Schauspieler, Branko Djuric, Schauspieler, Boris Ler, Schauspieler, Alma Terzic, Schauspielerin und Anatol Weber, Moderation durch die Festspiele, der nicht wie sonst mit Pressefragen beginnt, sondern als Vorlauf alle anwesenden Schauspieler sagen läßt, wie sie Mitspieler geworden sind und wie die Produktion verlief. Im Nachhinein ein guter Schachzug, denn die späteren Fragen gingen alle an Angelina Jolie.
Goran Kostic sagt, daß er aus Sarajewo stammt und erzählt vom Zusammentreffen und der Arbeit am Film, Zana Marjanovic erzählt vom Krieg mit 8 Jahren, dann ist sie in New York großgeworden, ist aber zurückgegangen und will von dort aus Karriere machen, gegen den Strom sozusagen. Auch sie ist aus Sarajewo und sieht noch heute die Kriegsfolgen, vor allem das Leid der Frauen. Sie ist das zweite Mal bei der Berlinale. Rade Serbedzija war auch schon öfter hier und schätzt die Berlinale als das wichtigste Filmfestival überhaupt. Er findet diesen Film hervorragend und bedankt sich bei der Regisseurin, sich da herangewagt zu haben an ein so schwieriges Thema und findet den Film sehr gelungen.
Vanesa Glodjo stimmt in die Lobpreisungen ein und erzählt von den Proben und dem Filmen. Ihr ist es so gegangen, daß sie erst in diesem Film durch die Hilfestellung der Regisseurin ihre eigenen Worte zum Geschehen fand. Nikola Djuricko berichtet von den Dreharbeiten, wie stark Jolie geführt habe, man merke ihr an, daß sie für die Schauspieler die richtigen Worte finde, weil sie selber als Schauspielerin weiß, was man als Schauspieler braucht. Dasselbe erzählt Branko Djuric, der einen serbischen Vater und eine muslimische Mutter hat. Boris Ler steuert dazu bei, wie ungewöhnlich authentisch das Drehbuch ist und daß er sich nicht vorstellen kann, wie man außerhalb des Krieges das so aufschreiben kann.
Er war sechs Jahre bei Kriegsanfang und bei ihm und den anderen kam beim Drehen alles wieder hoch, wie schrecklich die Ereignisse waren und bis heute nicht aufgearbeitet sind. Sie sind Sklaven der Geschichte geworden, festgefroren zu diesem Zeitpunkt, davon muß man sich befreien, wozu der Film verhelfen kann. Alma Terzic erzählt, daß sie wie die anderen anfangs nicht geglaubt hatte, daß sie mit Angelina Jolie arbeiten werde. Sie hielt das für einen Scherz, daß ausgerechnet Angelina Jolie diese schlimmen Kriegsereignisse mit den Massenvergewaltigungen in Bosnien verfilmen will. Sie sei für sie bei der Produktion wie eine Mutter gewesen, bei der man sich gut aufgehoben gefühlt habe.
Angelina Jolie wird gefragt, warum die Ursache des Krieges nicht stärker thematisiert wird, was sie nicht so sieht und andere auch nicht. Zana Marjanovic findet, daß der Film genau das leistet, daß nicht manipuliert wird und jeder Zuschauer sich seine eigene Meinung bilden muß. Sie findet die Liebesgeschichte als eine, die die zeigt, wie schön sie gewesen sein könnte, diese Liebe, unter anderen Verhältnissen. Jolie spricht sehr ernsthaft über ihr politisches Engagement, das ausschlaggebend ist für diese Regiearbeit, wobei Krieg eben immer schrecklich ist, sie sich entschlossen hat, das Furchtbare am Krieg nicht zu verschweigen, wie zum Beispiel das Sterben von Kindern. Sie findet das wahrhaftig, aber verachtet Kriegsfilme, die heiter daherkommen.
Vom serbischen Fernsehen wird gefragt, warum man keine Soldaten sieht, aber bis zu 50 000 vergewaltigte Frauen – die Zahl ist zu gering – als Hintergrund angeführt werden. Sie erwidert, daß schon eine einzige Vergewaltigung eine zuviel sei und sie ernsthaft recherchiert habe. Sie habe diese eine Geschichte erzählt und hofft, andere erzählen auch Geschichten vom Krieg. Soldaten muß es nicht geben, weil die Handlung im Lager spielt, wo Uniformen keine Rolle spielen.
Was war die Herausforderung für Angelina Jolie beim Regierführen, ihrem ersten Mal? Sie spricht über den Anlaß, warum sie überhaupt das Drehbuch geschrieben habe. Sie war 17 Jahre als es zum Krieg kam und in den USA hatte man keine Ahnung, was da los war und warum. Erst als sie alles niedergeschrieben hatte, ahnte sie, daß daraus ein Film werden könne. Im Film sei ein gutes Gleichgewicht und man merke, daß eine Frau diesen Film gemacht habe, wird angemerkt.
Diese Aufzeichnung wurde direkt in der Pressekonferenz geschrieben und steht fünf Minuten später schon im Netz. Eine Besprechung des Filmes folgt.