Wer bekommt die Bären? Die Wettbewerbsfilme auf der 62. Berlinale vom 9. bis 19. 2. 2012, 19/25

 

Claudia Schulmerich

 

Berlin (Weltexpresso) – Er wisse doch, wie anstrengend der Wettbewerb für diejenigen sei, die die Verteilung der Bären zu kommentieren haben und täglich diese ernsthaften Filme, schwer und mit Bedeutung angereichert, anzuschauen hätten. Da habe er sich gedacht, zur Unterhaltung mal etwas Leichtes in den Wettbewerb hineinzugeben, äußerte Steven Soderbergh, der ansonsten durchaus auch mit schwererer Kost angetreten ist.

 

Ein Jahr hat er HAYWIRE schon fertig, aber erst solle CONTAGION durch die Kinos spazieren und tatsächlich kommt es bei HAYWIRE nicht so sehr darauf an, wann der Film gezeigt wird. Er vertritt ein Genre – nämlich den sogenannten Action-Thriller - , das noch dazu in seiner auf die körperliche Geschicklichkeit des Menschen reduzierten Machart auf unseren Seherfahrungen der 60er und 70er Jahre beruht. Dabei ist das ‚reduziert’ durchaus positiv gemeint, denn all der technische Schnickschnack mit Bomben und Sprengen und tickenden Zeitbomben ist in diesem Film außer Mode.

 

Es sei Hauptdarstellerin Gina Carano gewesen, die Soderbergh zu diesem Film motiviert habe. Sie kommt aus der Mixed-Martial-Arts- Szene. Das nennt sich auf Deutsch Vollkontaktwettkampf, wo eine Kombination verschiedener Kampfsportarten angewendet wird. Das heißt dann auch, daß die zur Film-Agentin Malory Kane mutierte Carano alle Kämpfe, Prügel- und Schießszenen selber bestreitet, was auf der Pressekonferenz nach dem Film ihre männlichen und unterlegenen Mitspieler deutlich bekräftigten: das sind immerhin Antonio Banderas und Michael Fassbender.

 

Michael Douglas war in Berlin nicht anwesend, ist auch im Film dann doch auf ihrer Seite, dessen Inhalt man jetzt endlich erzählen sollte. Also: Kane arbeitet als Top-Agentin für die amerikanische Regierung. Eine sehr schwierige Mission in Barcelona hat sie perfekt durchgezogen. Und dann soll sie statt in den verdienten Urlaub, mal für 1-2 Tage nach Dublin düsen. Dort passiert es. Dort entkommt sie in letzter Sekunde ihrer eigenen Ermordung. Das ist schon schlimm. Noch schlimmer, daß dies von den eigenen Leuten geplant wurde. Von wem genau und vor allem warum?

 

Soderbergh hat Recht. Dieser Film ist spannend, aber die Spannung rührt nicht von der Brillanz der Geschichte her, sondern nur aus der Todesdrohung, unter die Agentin Kane nun permanent gestellt ist und wir - auf ihrer Seite - sie über die Dächer von Barcelona und überall hin begleiten. Wäre ihre Rolle eine männliche, könnte die ganze Geschichte nicht funktionieren. Denn das Wesentliche liegt darin, daß hier ein Frau die Männer kaltstellt und besiegt und dies auf eine so deutliche Art, daß man ihr selbst auch nicht im Dunkeln begegnen möchte. Obwohl. Sie schlägt ja nur zu aus dienstlichem Auftrag oder wo, wie hier, ein Anlaß besteht.

 

Mehr muß man über diesen Film nicht erzählen, der wohl allen Mitspielern großen Spaß gemacht hat; dies brachte die Pressekonferenz auf jeden Fall so rüber. Muß ja für Männer auch mal etwas Neues sein, von Frauen verprügelt und erschossen zu werden. Michael Fassbender auf jeden Fall erstaunte dann doch. Denn auf die Frage von Anke Engelke für die ARD Morgensendung, ob er bei den Kampfszenen für sich eine andere Situation, andere Gefühle habe, wenn er auf Männer eindrischt oder eine Frau, sagte dieser Ignorant doch tatsächlich: „Nein“. Das seien Rollen. Na ja, Herr Fassbender.

 

Die bange Frage, zu welchen Unglücken es angesichts der derben Gewaltszenen beim Drehen gekommen sei, wurde erleichtert verneint. Nein, nein während der Dreharbeiten habe es keine richtigen Unfälle gegeben habe. Nur einmal, sagte Frau Carano, habe eine Vase, die eigentlich am Kopf des britischen Geheimdienstlers Paul – besagter Michael Fassbender – vorbeifliegen sollte, dessen Kopf getroffen. Da gab es dann doch auf so manchen Gesichtern – nur wegen seiner vorherigen Antwort – eine klammheimliche Freude.