Die Preisverleihung des Deutschen Fernsehkrimi-Preises in Wiesbaden, Teil 1

 

Claudia Schulmerich

 

Wiesbaden (Weltexpresso) – Ein Sieg auf der ganzen Linie wurde die freitägliche Preisverleihung für die Produktion Polizeiruf110-Familiensache, denn bei den zwei Filmpreisen, die es auf dem Deutschen FernsehKrimi Festival gibt, zuvörderst der Deutsche Fernsehkrimi-Preis, aber auch der Publikumspreis, gingen beide an die FAMILIENSACHE.

 

Das ist absolut ungewöhnlich und es kommt etwas weiteres Ungewöhnliches dazu. Denn die Entscheidungen waren jeweils einstimmt und das, obwohl der geheime Favorit, der schon so alles mögliche an Preise abgeräumt hatte, der heimische Krimi TATORT – IM SCHMERZ GEBOREN, also eine Produktion des Hessischen Rundfunks, tags zuvor gerade den Oscar aller Fernsehpreise, den Grimmepreis erhalten hatte.

In Wiesbaden aber wurde Gewinner des Deutschen FernsehKrimi-Festivals 2015 die Produktion „Polizeiruf 110 – Familiensache“. „ Einstimmig entschied sich sowohl die Hauptjury des Deutschen FernsehKrimi-Festivals 2015 wie auch die Publikumsjury für die Produktion des NDR. Der Film erzählt die tragische Geschichte eines erweiterten Suizids. Regie und Buch stammen von Eoin Moore. In den Hauptrollen sind Charly Hübner, Anneke Kim Sarnau und Andreas Schmidt zu sehen. Produziert wurde der Film von Iris Kiefer (Filmpool)“, heißt es in der Presseerklärung. 

Die Jury begründet ihre Entscheidung: „Regisseur und Drehbuchautor Eoin Moore ist das Meisterstück gelungen, uns mit der Geschichte über einen erweiterten Suizid bis ins Mark zu erschüttern. Die Rolle des narzisstisch gestörten Familienvaters zeigt eine innere Zerrissenheit, die ein herausragender Andreas Schmidt beklemmend darstellt. Parallel wird die Familientragödie der gescheiterten Ehe des von Charly Hübner gespielten Ermittlers Bukow erzählt. Beide Handlungsstränge sind virtuos miteinander verflochten – eine grandiose Spiegelung. Ein höchst berührender Film, verstörend wie ein Alptraum, der dennoch nicht auf Humor verzichtet.“

 

Das alles und vor allem die überraschenden und überraschten Dankesbezeugungen der Ausgezeichneten kamen erst zum Schluß des vergnüglichen Abends, mit dem wir nun erst einmal beginnen wollen. Der schöne plüschige und rote Kinosaal des Wiesbadener Kultkinos vibriert sozusagen vor Spannung, wenn es losgeht und das bekannte Prozedere mit Reden beginnt. Moderiert wurde die Preisverleihung erneut von Bärbel Schäfer, die munter und direkt in der Ansage gleichwohl dann doch auf viele Plattitüden zurückgriff, von denen man: „Ich freue mich, daß Sie da sind, einfach nicht mehr hören kann“

 

Rose-Lore Scholz, die Kulturdezernentin der Stadt Wiesbaden, ist stolz auf das Festival, das auch in diesem Jahr, wo es durch zusätzliche Veranstaltungen erweitert stattfand, Publikumsmassen anzog. Zu ihrer lebhaften Begrüßung holte sie den Staatssekretär Ingmar Jung aufs Podium, der sehr gerne zum Standort Hessen als Filmland und dabei auch über Zahlen sprach. Das Ministerium für Wissenschaft und Kunst unterstützt das „kleine schöne Festival“ mit 10 000 Euro, nicht extrem viel, aber auch nicht wenig. Denn für die Preise braucht man das Geld nicht. Der Hauptpreis ist jedes Jahr mit 1000 Liter Wein dotiert. Ein so ungewöhnlicher wie liebenswerter und zudem absolut regionaler Preis aus dem Rheingau und von einem Weingut gesponsert.

 

Allerdings nicht aus dem väterlichen Weingut, dem Ingmar Jung als Winzersohn entstammt, - ganz interessant, was man auf so einer Festivalbühne herunter erfährt - nein, für den Preis kommt das WEINGUT OTT auf, einer der vielen Sponsoren des Festivals, das ohne die hilfreiche Unterstützung nicht stattfinden könnte.

 

Und dann kam Christoph Maria Herbst - von Bärbel Schäfer zum Vorsitzender der Jury des Deutschen FernsehKrimi Festivals 2015 gekürt, die aus fünf Gleichberechtigten besteht - auf die Bühne und das intellektuelle Feuerwerk begann. Der Typ ist in seiner Darstellung als Christoph Maria Herbst genauso so, wie ihn seine Rollen von Stromberg bis zum neusten Film 300 WORTE DEUTSCH zeigen. Also kein überflüssiges Wort, das fällt, Worte, die er dafür um so genauer nimmt, was mit eine Quelle von Witzen einhergeht, von denen nicht wenige daher rühren, daß er die Kommunikationsharmonien der Moderatorin einfach nicht bediente.

 

Schon da ging es mit den wie geheimen Begriffen geäußerten Worte wie „Schmerz“ oder „geboren“ los, die jeder auf den hessischen Krimi beziehen mußte, der ein Teil der zehnteiligen Krimiauswahl war; die Anspielungen trugen durchaus dazu bei, die Spannung auf die Bekanntgabe des Preises zu steigern. Christoph Maria Herbst nun wiederum holte auch sein Mitjurymitglieder auf die Bühne: Wolfgang Brenner, der Drehbücher für Tatorte und Polizeiruf 110 schreibt, aber auch Filmemacher ist und sogar Kriminalromane schreibt und derzeit Stipendiat der Stadt Wiesbaden ist. Rainer Ewerrien, sowohl Schauspieler wie Drehbuchschreiber, der auch das Drehbuch für den erfolgreichen Film MÄNNERHORT schrieb. Claudia Cippitelli ist ebenso dabei wie Sonya Kraus, die eine besonders clevere und vielseitige Hessin ist und Bodenständiges mit internationalem Flair verbinden kann, sei es als Schauspielerin, Autorin, Moderatorin und intelligente Frau für vieles. Claudia Cippitelli schreibt und gibt film- und fernsehwissenschaftliche Publikationen heraus.

 

In bewährter Manier wurden dann nach einem Gespräch mit der Jury die zehn Fernsehfilme in Kürzestfassung auf großer Leinwand vorgestellt, die von 60 eingereichten Wettbewerbsfilmen für den eigentlichen Wettbewerb herausgefiltert worden waren. Es handelt sich ausschließlich um öffentlich-rechtliche Fernsehsendungen, was immer wieder zwischendurch damit begründet wurde, daß die Privatsender sich von guten Krimis verabschiedet hätten, weil sie ihre Zukunft in Publikumssendungen wie BAUER SUCHT FRAU oder CASTING SCHOWS sähen. Diese zehn Krimis sind

 

Bella Block – Die schönste Nacht des Lebens (ZDF)

Dengler – Die letzte Flucht (ZDF)

München Mord – Die Hölle bin ich (ZDFneo)

 

Tatort – Hydra (ARD)

Im Schmerz geboren (ARD)

Brüder (ARD)

Vielleicht (ARD)

 

Polizeiruf 110 – Morgengrauen (ARD)

Familiensache (ARD)

 

Wir waren Könige (ARTE)

 

 

Großen Beifall gab es für die Szenen, die aus vielen Toten auf der Leinwand und dramatischen Szenen bestanden. Dreimal kam als Zwischenspiel Friedrich Liechtenstein auf die Bühne, dessen schwarze Brille für mehr Anknüpfungspunkte sorgte, als seine sehr gefälligen musikalischen Darbietungen, die er mit angenehmer Stimme, aber eben sehr routinierter Weise bot. Und dann ging es schon mit den Preisen los. Fortsetzung folgt.

 

Foto:

 

Überreichung des Deutschen FernsehKrimi-Preises an die Filmcrew von "Polizeiruf
110 - Familiensache"  v.l.n.r. Moderatorin Bärbel Schäfer, Iris Kiefer
(Produktion Filmpool), Daniela Mussgiller (Redaktion NDR), Anja Zynga (Schnitt),
Christoph Maria Herbst (Mitglied der Jury des Deutschen FernsehKrimi-Fetivals
2015)

 

 

 

Hintergrundinfo:

  

Das Deutsche FernsehKrimi-Festival findet seit 2005 jedes Jahr im März statt. Zehn deutschsprachige Fernsehkrimis stehen im Wettbewerb des Festivals. Die Filme werden an drei Tagen in dem Programmkino Caligari FilmBühne gezeigt. 2015 fand das Festival vom 3. bis 8. März statt. Den Abschluss findet es in der Nacht vom 7. auf den 8. März mit einer langen Fernsehkrimi-Nacht, in der noch einmal alle Wettbewerbsfilme zu sehen sind. 

 

Das Deutsche FernsehKrimi-Festival ist eine Veranstaltung des Kulturamts der Landeshauptstadt Wiesbaden mit Unterstützung durch das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst, den Hessischen Rundfunk, satis&fy und dem Weingut Udo Ott, in Kooperation mit dem Medienzentrum Wiesbaden, der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung und dem Wiesbadener Kurier.