Die Preisverleihung des Deutschen Fernsehkrimi-Preises in Wiesbaden, Teil 2
Claudia Schulmerich
Wiesbaden (Weltexpresso) – Vielleicht sollte man noch etwas zum freundlichen Publikum sagen. Als Nichtwiesbadener ist man zwar willkommen, aber man merkt doch schnell, wie gut sich die einzelnen kennen und das hat weniger mit der Sparte Film/Fernsehen zu tun, als damit, daß sich kulturell interessierte Bürger hier schneller kennenlernen. Natürlich gibt es auch die eingeschworenen Filmfreunde und es gibt die zahlreichen Profis, also die, die berufsmäßig mit Fernsehen und Filmen zu tun haben.
Zwei Sonderpreise für „Herausragende Einzelleistungen“
Jetzt geht es also mit den Preisen los. Die Sonderpreise für herausragende Einzelleistungen gingen erneut an eine einzige Produktion: an Jörg Hartmann in „Tatort – Hydra“ und für Jürgen Werner für das Drehbuch „Tatort – Hydra“.
Dazu aus der Presseerklärung: Für seine Darstellung des Kommissars Faber in der WDR-Produktion „Tatort – Hydra“ zeichnet die Jury den Schauspieler Jörg Hartmann mit einem Preis für eine herausragende Einzelleistung aus. “Hartmann spielt den Ermittler als agent provocateur. Trotz des vordergründigen Zynismus lässt er uns in seine Seele blicken. Sein Spiel ist ein Tanz auf Messers Schneide, er bewegt sich immer hart an der Grenze der Verletzung und Verletzlichkeit“.
Das Drehbuch von Jürgen Werner für die Produktion „Tatort – Hydra“ hat den Preis für eine weitere herausragende Einzelleistung: „Er schafft es, eine komplexe gesellschaftspolitische Problematik differenziert zu erzählen. Die Geschichte bildet die Strömungen am rechten Rand ebenso ab, wie den alltäglichen Fremdenhass. Plausibel erzählt, mit knappen, zum Teil lakonischen Dialogen, treibt er die Handlung voran, ohne die Zuschauer pädagogisch zu unterweisen. Das ist brisant, das ist aktuell und gleichzeitig ein packender Krimi“, begründet die Jury den Preis für Jürgen Werner.
Tatsächlich war das diesjährige FernsehKrimi Festival ungewöhnlich. Zum einen gab es wohl zum ersten Mal nur Fernsehfilme aus Erstem und Zweiten Deutschen Fernsehen, einschließlich ARTE. Zum anderen sind die vier Preise zweimal auf ein- und dieselbe Produktion gefallen. Das ist Zufall, aber eben etwas Besonderes. Und das ganz Besondere war dann, daß von allen Preisträgern überhaupt nur einer zum Dankesagen da war: Jürgen Werner, der den Drehbuchpreis in der Herausragender Einzelleistung erhalten hatte und auch den für seinen Kollegen Jörg Hartmann entgegennahm.
Was etwas dürftig erschien, daß die Preisträger gar nicht anwesend waren, zeigte sich als der geheime Höhepunkt. Denn statt eines Gesprächs auf der Bühne gab es Videos als Dankeschön auf der großen Leinwand. Mit Jörg Hartmann ging es los, der wegen eines Drehs weit weg am Freitagabend nicht da sein konnte, wobei hinzukommt, daß seine Frau in dieser Nacht das gemeinsame Kind erwartet. Das Video war lustig, informativ und brachte im besten Sinn gute Stimmung.
Das ging dann bei den Danksagungen weiter. Dramaturgisch geschickt wurde erst einmal der Publikumspreis bekanntgegeben, das heißt, daß zuvor erst einmal die vier Frauen und der eine Mann sich vorstellten, die die Publikumsjury bildeten, was durch die örtliche Zeitung Wiesbadener Kurier organisiert wird. Die fünf Wiesbadener Bürgerinnen und Bürger der Publikumsjury zeichnen „Polizeiruf 110 – Familiensache“ aus: „Der von uns gewählte Film ist ungemein spannend, obwohl der Täter schon zu Beginn feststeht. Es gilt, Menschenleben zu retten. Und hier haben uns die gute, solide Polizeiarbeit und die authentische schauspielerische Umsetzung überzeugt. Die Parallelität der Lage von Ermittler und Täter stellt die Frage nach dem Umgang mit persönlichen Tiefschlägen. Das bedrückende Thema des Films ging uns ans Herz und verschlägt uns immer noch den Atem.“, hieß es.
Einen herrlichen Spaß hatte der Saal mit der Dankesbotschaft des Rostocker Teams von FAMILIENSACHE, die derzeit gemeinsam den nächsten Polizeiruf drehen. Charly Hübner sprühte vor guter Laune, aber allen stahl Anneke Kim Sarnau die Show, die richtig komisch sein kann, was sie ja in ihren Polizeirollen augenrollend nicht so ausgelassen zeigen darf. Die Filmausschnitte hatten bestürzende familiäre Situationen gezeigt, die vor allem Andreas Schmidt gefordert hatten, umso auffälliger die humorigen und witzigen Reaktionen auf die Preisvergabe. Zu diesem Zeitpunkt wußten die Zuschauer ja nur vom Publikumspreis.
Und jetzt schlug die Ironie der Geschichte zu. Da da Filmteam abwesend war, nahmen den Publikumspreis drei Frauen entgegen, die Produzentin, die zuständige MDR Redakteurin und die Cutterin von FAMILIENSACHE. Von der Ironie der Geschichte ist deshalb zusprechen, weil nur hin und wieder Hinweise auf einen Sachverhalt fielen, der doppelt unterwertig daherkam. Hauptthema dieser Woche hatte sein sollen, daß Frauen beim Filmemachen auch im Fernsehen massiv unterrepräsentiert sind. Nur 11 Prozent der Produktionen von ARD und ZDF in den Abendstunden sind von Regisseurinnen gedreht worden. Dazu gab es am Mittwoch, 4. März die MÄNNERSACHE FERNSEHKRIMI – ODER BRAUCHT DIE REGIE EINE QUOTE, die Christiane von Wahlert moderierte. Dabei gab es wohl im Veranstaltungsort Literaturhaus Clementine nicht die vollen Stuhlreihen, die für die Filmvorführungen jeweils garantiert waren. Was die Sache angeht, korrespondieren die Bestrebungen der Filmleute mit denen des Bundestages, der gerade für Aufsichtsräte eine Quote von 30 Prozent beschlossen hatte.
Überraschend gab es dann einen Flop bei der nächsten Preisverleihung. Es gibt nämlich drei Statistenpreise, für die man sich bewerben kann und dann bei Produktionen mitspielen darf. Keiner der Ausgewählten war trotz Einladung gekommen, hieß es. Das war wohl zwiespältig. Für einen jungen Mann war dessen Mutter gekommen, die in eine ungute Rolle geriet und von einer erfuhren wir, daß sie wohl dagewesen sei, das Bühnengeschehen aber als Druck empfunden habe. Das ist oft die Kehrseite von einer sehr lebendigen Bühne, wo Menschen stehen, die mit dem Mikrophon in der Hand immer das letzte Wort haben – und die Lacher auf ihrer Seite.
Und dann der Höhepunkt des Abends mit der Jurypreis, mit dem wir unsere Darstellung der Preisvergabe ja begonnen hatten, aber der zum Abschluß der Veranstaltung dem Publikum noch unbekannt war. Da war jetzt im Saal die Überraschung groß,daß erneut FAMILIENSACHE Preisträger war, und erneut die drei Damen den Preis überreicht bekamen – die 1000 Liter müssen sie nicht tragen – und es erneut eine Videodankesbotschaft auf der Leinwand gab. Und war schon das erste filmische Dankeschön lustig, so drehte das wirklich ob des Preisregens überraschte Filmteam noch weiter auf und legte einen Freudentanz auf die Leinwand, so als ob die 1000 Liter schon genossen worden seien. Diese glückliche Stimmung des Filmteams griff auf das Publikum im Caligari über.
Kulturdezernentin Rose-Lore Scholz begrüßt die Wahl der beiden Jurys: „Die Wettbewerbs-Filme zeichnen sich auch dieses Jahr durch hervorragende Schauspieler, inhaltlich sehr unterschiedliche, bewegende, aber auch aufwühlende Themen und aus meiner Sicht teilweise brillante Inszenierungen aus. Ich bin überzeugt, dass die Jurys es nicht einfach hatten – zumal im Wettbewerb mit einem Film wie dem bereits mehrfach ausgezeichneten ‚Tatort – Im Schmerz geboren‘. Umso mehr freue ich mich über diese Entscheidungen.“, heißt es in der Presseerklärung, wir allerdings hatten im Saal auch gehört, daß sie mündlich hinzufügte, ihr Favorit sei eben dieser Tatort IM SCHMERZ GEBOREN gewesen, der ja in Wiesbaden spielt, aber in Wiesbaden überhaupt keinen Preis erhielt.
Festivalleiterin Cathrin Ehrlich blickt zufrieden auf das zweite Festival unter ihrer Leitung zurück: „Die Resonanz des Publikums und der Filmschaffenden zeigt, dass wir mit der Auswahl der Filme und dem angebotenen Rahmenprogramm die richtigen Entscheidungen getroffen haben. Das Deutsche FernsehKrimi-Festival ist in der Branche zu einer festen Größe geworden.“ Aber auch bei ihr hörten wir ein leises Bedauern heraus, daß IM SCHMERZ GEBOREN...
Foto:
Überreichung des Deutschen FernsehKrimi-Preises an die Filmcrew von "Polizeiruf
110 - Familiensache" v.l.n.r. Festivalleiterin Cathrin Ehrlich, Daniela
Mussgiller (Redaktion NDR), Iris Kiefer (Produktion Filmpool), Anja Zynga
(Schnitt), Christoph Maria Herbst (Mitglied der Jury des Deutschen
FernsehKrimi-Fetivals 2015
Hintergrundinfo:
Das Deutsche FernsehKrimi-Festival findet seit 2005 jedes Jahr im März statt. Zehn deutschsprachige Fernsehkrimis stehen im Wettbewerb des Festivals. Die Filme werden an drei Tagen in dem Programmkino Caligari FilmBühne gezeigt. 2015 fand das Festival vom 3. bis 8. März statt. Den Abschluss findet es in der Nacht vom 7. auf den 8. März mit einer langen Fernsehkrimi-Nacht, in der noch einmal alle Wettbewerbsfilme zu sehen sind.
Das Deutsche FernsehKrimi-Festival ist eine Veranstaltung des Kulturamts der Landeshauptstadt Wiesbaden mit Unterstützung durch das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst, den Hessischen Rundfunk, satis&fy und dem Weingut Udo Ott, in Kooperation mit dem Medienzentrum Wiesbaden, der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung und dem Wiesbadener Kurier.