Wer bekommt die Bären? Die Wettbewerbsfilme auf der 62. Berlinale vom 9. bis 19. 2. 2012, 24/25

 

Claudia Schulmerich

 

Berlin (Weltexpresso) – „Du hast hat Glück bei den Frauen, Bel Ami!“ Wer kennt nicht den Ohrwurm und die immer wieder in Filme gepreßte zeitgemäße männliche Version dieses Frauenlieblings, den Guy de Maupassant 1865 erfand. Nun also Robert Pattinson.

 

Nein, er ist nicht ein zeitgemäßer Bel Ami. Er wäre vielleicht einer der 70er Jahre gewesen, in der ein besonderes Gespür für soziales Unrecht herrschte, ein Verständnis für die rüden Wutausbrüche, wenn seine Pläne nicht aufgehen und er wieder einmal – weinerlich und voller Selbstmitleid – erleben muß, daß er trotz des gesellschaftlichen Aufstiegs nicht dazu gehört, in der obersten Liga.

 

Wir wollen damit nicht sagen, daß Robert Pattinson diese Rolle nicht spielen könnte. Wir wollen aber deutlich sagen, daß seine Regisseure Declan Donnellan und Nick Ormerod ihm die Eleganz nicht zugestehen, die Frivolität vor allem nicht, dieses Almagam aus Karrieresucht und Opportunismus, das nach vorne schaut. Er ist ein einigermaßen durchsichtiger Bel Ami, den die Frauen eher an die lange Leine legen, denn umgekehrt. Zumindest einen großen Teil des Weges. Grob darf er sein, zu den Frauen, aber verführerisch bleiben und das tut er nicht, dieser soft boy.

 

Dabei geben die Regisseure an, sich streng an die literarische Vorlage gehalten zu haben. Das kann sogar sein, aber gesprochene Worte im Film sind das eine, das Verhalten, die körperliche Geschmeidigkeit – er muß sich ja wie ein Tiger in der besseren Gesellschaft bewegen können, nicht wie ein Baseballstar – und insbesondere die Mimik, daran fehlt es. Das machen alles die Frauen wett, dazu gleich.

 

Der Film beginnt sehr ansprechend. Denn die Sehnsucht wird gegen die Realität geschnitten. Da sieht man die Champagnergelage und die Schüsseln überbordend mit erlesenen Speisen und dann in Schwarzweiß den armen, gerade aus Nordafrika zurückgekehrten ehemaligen Unteroffiziers Georges Duroy, der in seiner Bude hungert. Das ändert sich, als er einen alten Kameraden wiedersieht, der ihn erst einmal in die eigene Gesellschaft einführt und dann in die große Welt.

 

Die Geschichte muß man nicht im Detail erzählen. Es geht um den, menschliche Leichen nicht scheuenden gesellschaftlichen Aufstieg aus niederen Verhältnissen, ein Aufstieg, der nur über die Macht von Frauen und die Ausnutzung der gesellschaftlichen Verhältnisse möglich ist, in dem dieser Bel Ami die Mechanismen dieser Gesellschaft gegen sie selber richtet.

 

Damals war in Frankreich Politik das Wichtigste. Also wird Georges, den die Tochter seines ersten Verhältnisses  Clotilde – Christina Ricci - Bel Ami nennt, Journalist, der wichtige Artikel schreibt, die das Blatt voranbringen. Heute wäre er Banker oder so. Schreiben kann er erfolgreich nur, weil die Frau seines Gönners ihm die Artikel anfänglich diktiert. Die spielt intellektuell, gefühlvoll und durchtrieben auf tiefgründige Weise als Madame Madeleine Forestier Uma Thurman. Auch die anderen Frauen, seine stabile Liebschaft Clotilde, die Frau seines Arbeitgebers, der Zeitungsverlegers, und vor allen dessen Tochter – dargestellt von Holiday Grainger – sind ihm verfallen und spielen ihre Rollen perfekt.

 

Wir fanden den Film insgesamt zu behäbig, zu schwerfällig, nicht genug Esprit. Mit einem Wort, nicht genug 19. Jahrhundert, auf das man sich ja mit allem anderen bezieht. Vor allem nicht genug Paris. Daß die Pariser Oper im Bild die aus Budapest ist, das ist völlig irrelevant. Es geht nicht um Äußerlichkeiten, sondern um den inneren Kern. Ohne diesen gerät das irgendwie zu einem beliebigen The Rake’s Progress. Na also gut, sagen wir es offen, dieser Bel Ami wirkt nicht wie der bekannte Pariser Verführer, sondern wie ein Vorstadtstrizzi.