Wer bekommt die Bären? Die Wettbewerbsfilme auf der 62. Berlinale vom 9. bis 19. 2. 2012, 23/25

 

Claudia Schulmerich

 

Berlin (Weltexpresso) –Eine fremde Welt. Kindersoldaten im Kongo. Man weiß im Film sehr bald, ob man sich in Traumsequenzen befindet oder die harte Wirklichkeit spricht, aber dennoch: für einen ist beides wie aus einer anderen Welt. Dazu mitten in Afrika  lateinamerikanische Musik? Die ist aus Angola aus den Siebziger Jahren.

 

Zwölf Jahre ist sie, Komona (Rachel Mwanza), als sie von Rebellen aus ihrem Dorf verschleppt wird, das mit Gewehren niedergemacht wird, wie überhaupt im ersten Teil des Films es einem wie auf dem Schießplatz vorkommt. Sie ist nicht das einzige Kind bei der Rebellenarmee, die gegen die Regierungssoldaten kämpft. Sie sind zu zehnt, die nun in der Kriegskunst unterwiesen werden, bei der man sich fragt, was daran Kunst ist. Es geht ums Abschlachten und die ersten Menschen tötet Komona, als ihr gesagt wird, daß die Kugeln ein harmloser Tod sei gegen das, was sonst folge: das Abschlagen des Hauptes mit der Machete. Also schießt sie. Es waren ihre Eltern, die sie ab jetzt verfolgen, denn es ist Brauch, daß diese beerdigt werden müssen, ehe die Nachkommen Ruhe finden.

 

Die Guerillatechnik im Wald wird eingeübt, wobei von Anfang an die häßlichen Schießszenen unterbrochen sind mit Traumsequenzen, die aber nur die inneren Bilder ihrer Seele, ihres Gemütes spiegeln. Die weißgetünchten Personen in diesen Sequenzen kommentieren, sie geben Warnungen ab, weshalb Komona, die inzwischen 13 Jahre ist, überlebt. Dies spricht sich herum. Sie gilt als Zauberin und wird zum Großen Tiger gebracht. Dies ist der Anführer der Rebellion und erhofft von ihr Ratschläge. Die gibt sie. Sie selber aber hatte mit dem Mitsoldaten, einem Hellhäutigen und Hellhaarigen, einem afrikanischen Albino, der magische Fähigkeiten ausübt, längst Freundschaft geschlossen, aus der Liebe wird.

 

Er verleitet sie, die Rebellen zu verlassen und sie schlagen sich durch bis zu seinem Onkel, dem Metzger. Wir glauben, in einem anderen Film zu sein, wo pittoreske Szenen, wie die mit der Suche nach dem weißen Hahn, ein fast romantisches Leben mitten im Krieg vorführen. Das ist das Afrika, warmherzig, bunt und verspielt, wie es Europäer gerne sehen. Der Hahn wird gefunden, er war das Pfand, daß der Magier sie zur Frau nehmen darf. Dann werden beide von den Rebellen entdeckt, sie soll den eigenen Mann erschießen, was sie nicht tut, woraufhin die Machete dran ist. Der große Tiger will sie wiederhaben.

 

Ihr Kommandant braucht sie nicht nur als Soldat, sondern auch im Bett für brutale Vergewaltigungen. Sie ist nun vierzehn und erwartet ein Kind, weshalb sie seinen Erzeuger mit einer spezifischen weiblichen Technik umbringt. Sie muß fliehen, sucht erneut den Onkel ihres Mannes auf. Aber die eigenen Eltern rufen nach ihrer Beerdigung und so macht sie sich auf den Weg, sie zu beerdigen. Unterwegs bringt sie alleine das Kind zur Welt und wir sehen sie zusammen mit diesem zum Onkel zurückkehren.

 

Der Film ist quasi komponiert und versetzt uns in verschiedene Tonlagen, die auch zu je unterschiedlichen Gefühlen und Eindrücken führen. Regisseur Kim Nguyen erläutert sehr anschaulich die so unterschiedliche Lebenssituationen im Kongo. Dort gibt es alles gleichzeitig. Die Republik Kongo ist so unterschiedlich, vom Mittelalter bis zur postmodernen Welt. Das Dorf auf Pfählen ist noch vormodern, aber auf den Häusern dann die Reklamen und Stationen für TV und Handys.  Es ist eine Ordnung in der Unordnung. Das geordnete Chaos. Ein sehr fremder Film, aber auch ein sehr schöner Film.