Wer bekommt die Bären? Die Wettbewerbsfilme auf der 62. Berlinale vom 9. bis 19. 2. 2012, 18/25
Claudia Schulmerich
Berlin (Weltexpresso) – Schwere Kost aus China. Warum dann statt der über drei Stunden Film ‚nur’ an die drei Stunden wurden? Wir dachten, da hat man einfach aufgehört, denn einigermaßen abrupt endete eine der Tragödien der chinesischen Geschichte, die man zuvor in aller Ausführlichkeit und Breite der Leinwand mit ewig wogenden Getreidefeldern anhand einer kleinen Dorfgemeinschaft übersichtlich verfolgen konnte.
Das heißt auch, daß das Personal des Films, den Wang Quan’an nach einem Roman zum Drehbuch machte und dieses verfilmte, übersichtlich bleibt. Mit den Personen verfolgen wir, was die sich ändernden Herrschaftsverhältnisse für diese Menschengruppe bedeuten. Obwohl, eigentlich erleben wir das am meisten mit mit Tian, dargestellt von der aparten Zhang Yuqi, die die Männer das Fürchten lehrt, aber auch die Liebe. Und da geht es heftig her, so daß man sich fragt, wie das mit der Zensur ist in China. Der Roman auf jeden Fall war der Sexszenen wegen lange verboten.
Die sind also häufig mehr derb als liebevoll. Diese Frau ist wie ein Katalysator in den Machtgefügen dieser kleinen Gemeinschaft. Natürlich, Gemeinschaft von Männern. Wir erleben den Ausgang des Kaiserreiches, die Verteilung der Befugnisse, die Verantwortlichkeit von der älteren Generation und die gegen starre Regelungen aufbegehrende Jugend. Also wie gehabt. Dies aber auf dem Hintergrund der ewig wogenden Getreidefelder, die mit dem Blut der Aufstände getränkt, oft denkt man fast zynisch, daß auch die Toten hier zum Dünger werden. Da gibt es schon hinreißende Landschaftsaufnahmen, im hellen Sonnenlicht, weit über die Landschaft, aber öfter noch, wenn es dämmert.
In den Seelen der Menschen dämmert es viel und die Szenen in den Häusern werden dramatisiert durch flackerndes Licht. Wenn die Flamme erlischt, zieht die Dunkelheit alle hinab, eben auch aufs Lager dieser gewissen Tian. Die tut wie ihr gefällt, glaubt man. So ganz kann man manche ihrer Handlungen nicht verstehen, denn ihre eigentliche große Liebe muß fliehen, worauf sie dessen Freund nimmt und dann wieder…Aber nicht das wollen wir verfolgen, sondern die Struktur der Geschichte.
Es sind die Großfamilien Bai und Lu, die friedlich zusammenleben und deren Generationen wir im Laufe des 20. Jahrhunderts miterleben. Männer, muß man dazusagen. Es geht um Söhne und Liebhaber. Aber vor allem, was die dörfliche Gemeinschaft durch die wechselnden Herrschaftssysteme durcheinanderbringt. Nach dem Kaiser die verschiedenen Versuche von kurzfristigen Machthabern, die alle nur das eine wollen: das Korn. Wie sehr die Landwirtschaft und ihre Produkte und das heißt dann die Getreidesteuer im Mittelpunkt wird, das wird eindrucksvoll durch alle politischen Systeme durchgespielt, zu denen auch die Invasion der Japaner gehört.
Mit Mao endet dann diese Geschichte, dabei wäre sie an dieser Stelle gerade spannend geworden. Wie kann ein Staatenaufbau auf diesem Hintergrund verlaufen. Wie kommen die durch familiäres Gegeneinander aufgestellten Personen zu einer gemeinsamen Politik. Was sind stärkere Schranken: die Familien oder auf einmal die Generationen und das heißt immer der Kampf der jüngeren gegen die älteren Männer. Schwere Kost also und schwere Schicksale, wobei man auch Bruch erleidet, wenn man mit dem Regisseur Partei ergreift für die Heldin, die Hure und Liebende, die dann doch nicht überlebt.
Das alles kommt laut, bunt, die Leinwand zum Platzen bringend rüber und erschöpft, was nicht nur an den drei Stunden liegt, sondern auch daran, daß man doch wie mit dem Holzhammer aufgedrückt, sich sagt, das hier ist bedeutend. Leider nur irgendwie nicht für einen selber. Dabei möchte man gerne.