Wer bekommt die Bären? Die Wettbewerbsfilme auf der 62. Berlinale vom 9. bis 19. 2. 2012, nach 25/25 eine abschließende Übersicht, I

 

Claudia Schulmerich

 

Berlin (Weltexpresso) –Allen ist die Erleichterung anzumerken, als am Freitagabend die Pressekonferenz zum 25. Wettbewerbsfilm um 19.20 Uhr endet. Es ist gut gegangen. Es ist einmal nichts Schlimmes während dieser Tage seit dem 9. Februar passiert. Daß mit dem heutigen Tag auch noch Deutschland ohne Bundespräsidenten da steht, das interessiert hier entweder keinen oder das hält man für so absolut überfällig, daß man es auch nicht mehr thematisiert.

 

Aber wer den Goldenen Bären erhält, wer den Regiepreis, wer die besten Schauspieler sind und all die anderen Preise erhalten sollten, das durchzieht hier jede Diskussion. Genauso wird das Gefühl ausgedrückt, daß man doch einem richtig guten Filmfestival beigewohnt hat. Da waren so viele Filme, in die man sofort noch einmal gehen und den besten Freunden empfehlen täte. Keine verlorene Zeit, auch für die, die wie wir in 9 Tagen diese 25 Filme angeschaut haben, danach die Pressekonferenzen nicht nur mitgemacht, sondern mit Fragen mitgestaltet und die Einschätzungen formuliert haben.

 

Wer also sollte den Goldenen Bären erhalten, den für den besten Spielfilm? Denn die anderen Preise sind Silberne Bären, deren Verleihung natürlich auch heiß umkämpft ist. Wenn wir uns jetzt also äußern, so kann man auch auf die jeweiligen Kritiken zurückgreifen. Es gibt mehrere Filme, die aus unterschiedlichen Gründen als bester Film in Frage kommen. Das sind einmal die Beziehungsfilme, zu denen ausgerechnet alle drei deutschen Beiträge zählen. Es sind Autorenfilme, die im Osten, im Westen und beim Auslandsaufenthalt am Polarkreis spielen.

 

Unter diesen Filmen fanden wir BARBARA mit Abstand den interessantesten und auch filmisch innovativsten. Er ist eindeutig ein Favorit. Aber das sind auch die ‚politischen’ Filme wie CZAK A SZÉLL, der ungarische Film über den Mord an den Roma, oder REBELLE, ein Film aus Afrika, der von einem weiblichen Kindersoldat erzählt und dabei die furchtbare Wirklichkeit mit sehr eigenen Traumsequenzen bricht. Wir selber hatten uns ja schon nach dem fünften Film festgelegt und CÄSAR MUSS STERBEN der Brüder Taviani gleich als Gewinner des Goldenen Bären vorgeschlagen, weil hier eine politische Botschaft im Gewand einer filmisch formal sehr interessanten Schwarzweiß-Reduktion erfolgt.

 

Die Berlinale sieht sich selbst innerhalb der großen Filmfestivals als das politischste. Das sehen andere genauso. Denn insbesondere die amerikanischen Darsteller und Filmschaffenden verwiesen immer wieder auf die Ehre, die ihnen widerfahren ist, hierher nach Berlin eingeladen worden zu sein, zu einem so ernsthaften, seriösen Festival. Vielleicht gefällt einem auch das in diesem Jahr so gut, wie viele bedeutende Regisseure und Darsteller oder doch auch zumindest Berühmtheiten sich gerne in Berlin haben sehen lassen. Aber zurück zum Thema der Preisverleihung.

 

Für das Publikum sind meist die Darstellerpreise die wichtigsten. Letzten Endes sind sie auch am schwierigsten zu ermitteln. Denn oft sind es Geschmacksfragen, ob man diesen oder jenen besonders gut findet. Man kann davon ausgehen, daß die meisten Schauspieler ihre Sache gut machen. Und auch in diesem Jahr gilt das für die weiblichen und männlichen Darsteller in besonderem Maße. Daß Isabelle Huppert eine sehr gute Schauspielerin ist, das weiß man und beweist sie auch in dieser ansonsten – wie wir finden – überflüssigen Verfilmung einer politischen Geiselnahme.

 

Daß Kinder in den Filmen zunehmend die Rolle spielen, durch deren Augen die Welt gespiegelt wird, was wir dann anschauen, hat zur Folge, daß man immer mehr Kinder schauspielern sieht und sich fragt, wieso das die Vierjährige, der Achtjährige, die Neunjährige, der Zwölfjährige so gut können. Sie selber sagen in den Pressekonferenzen, so sie anwesend sind, wie die Jungen aus dem ansonsten teilweise ärgerlichen ‚New York und die Türme Film’ oder der Schweizer kleine Dieb in den Bergen, daß die Regisseure so gut mit ihnen geprobt haben. Aber Kindern einen Darstellerpreis zu geben, ist dann auch wieder schwierig.

 

Bei den Frauen wäre Nina Hoss als BARBARA eigentlich eine Favoriint. Aber sie hatte schon einmal einen Silbernen Bären bekommen und wenn ihr Film einen erhalten sollte, dann schon sowieso nicht noch einen Darstellerpreis. Léa Seydoux ist allein deshalb eine Favoritin, weil sie zweimal ganz unterschiedlich in einem Wettbewerbsfilm richtig gut rüberkommt. Im Eröffnungsfilm ist sie die Vorleserin der Marie Antoinette, aus deren Perspektive die Französische Revolution reflektiert wird. Und im Film der Ursula Meier spielt sie gleich eine arbeitsscheue und dem Leben nicht gewachsene junge Frau auf somnambule Art.

 

Aber auch Andrea Riseborough ist in dem IRA-Thriller eine eindrucksvolle Attentäterin und je länger wir darüber nachdenken, desto mehr Möglichkeiten fallen uns noch ein. Das gilt für die Männer genauso. Überblickt man nämlich noch einmal die Filme und ihre Rollen, dann merkt man für dieses Festival auf jeden Fall, daß es interessantere Männer- denn Frauenrollen gab. Das gilt für die Masse. Für die Männer fallen uns also gleich ganz viele Möglichkeiten ein. Wir fanden herrlich verrückt und menschlich nahe, wie Billy Bob Thornton in seinem eigenen Film JANE MANSFIELD’S CAR einen der Brüder spielt. Genauso könnte ihn der Filmvater erhalten, Robert Duvall.

 

Und die Männer in den drei deutschen Beiträgen sind allesamt preiswürdig, aber auch Max von Sydow in der Rolle des lange Zeit stummen Großvaters im New Yorker Film um die Türme verdient ihn. Das gilt auch für den Afrikaner, der seinen letzten Tag im Leben gesund verbringt, aber vom Tod weiß. Und Theo Alexander ist dieser anrührende Mönch in METÉORA, der in die Nonne verliebt ist und ihr und uns das auf phantasievolle Weise zeigt. Wir würden auch eine Übung der Berlinale 2010 wiederholen und zwei Darstellern den Preis zusprechen, da ihre Leistungen im Zusammenspiel sich so steigern. Damals waren es die beiden Russen, diesmal könnten es zwei Dänen sein, der König und sein deutscher Arzt Struensee in der KÖNIGLICHEN AFFÄRE, ein Film, der uns sehr gut gefallen hat, der aber in vielen Kritiken abgewertet wurde.

 

Aber dann müssen wir noch loswerden, wem eine Auszeichnung ganz und gar nicht zusteht: dem Bel Ami des Robert Pattinson. Also wirklich, zur schwachen, weil die Person nicht ausfüllenden Darstellung im Film, kam noch eine dünne auf der Pressekonferenz hinzu. Dort äußerte er auch, er sei zuvor noch nie zu einem Filmfestival eingeladen worden. Sein Bel Ami sagt einem, warum er dort auch nicht hingehört. Ärgerlich.

 

Wer also bekommt den Goldenen und die Silbernen Bären? Die allgegenwärtige Jury tagt. Fast immer ist dies ein Abwägen, um möglichst gerecht wirken zu können. Bekommt ein Film einen Preis, dann nicht noch die Schauspieler, es sei denn, es wäre der einzige herausragende Beitrag. Davon kann dieses Mal keine Rede sein, wo so viele ansprechende Filme im Wettbewerb waren. Also werden die Anzahl der Preise sicher auf die preiswürdigen Filme irgendwie verteilt. Die Gewinner werden in der Samstagabendgala im Berlinale Palast ausgezeichnet. Wir berichten.