Wer bekommt die Bären? Die Wettbewerbsfilme auf der 62. Berlinale vom 9. bis 19. 2. 2012, nach 25/25 eine abschließende Übersicht, II
Claudia Schulmerich
Berlin (Weltexpresso) –Nach so intensiven Tagen, wo Filme von morgens bis abends und auch noch des Nachts beim Schreiben das Leben bestimmen, gehen sie sogar noch in Träume über. Erst als einige Male in diesen sowohl helle Birkenwälder wie dräuende dunkle Tannen vorkamen, sind uns die Dominanz von Wäldern in den Filmen so richtig aufgefallen.
Wald ist dabei nur der zusammenfassende Begriff für die so verschiedenartigen Wälder, die wir kennenlernen. Da ist der Park und der Wald von Versailles gleich im Eröffnungsfilm, da sind die wildbewegten Waldstücke in Mecklenburg-Vorpommern in BARBARA, die sowohl den Liebenden Schutz bieten, wie auch unheimlich bei Regen und Sturm die innere Aufruhr der Menschen wiedergeben. In DICTADO, ein Film, der im Festival weiter keine Rolle spielte, passiert das Unheimlich ebenfalls im Wald, der dunkel ist und erdenschwer.
In CAPTIVE dagegen ist es ganz helles Grün, das uns in den Dschungel führt. Da der Film die Geiselnahme und Flucht durch den Urwald über ein ganzes Jahr erzählt, gibt es außer wenigen Innenaufnahmen überhaupt keine Einstellung im Film, die nicht Wald als Hintergrund und Szene hat. Dieser Wald ändert sich also nicht nur lokal, sondern auch in den Jahreszeiten, die aber nicht den Veränderungen unterliegen wie bei uns im starken Wechsel von Sommer und Winter, besser von Frühling und Herbst, dem Kommen und Gehen und Wiederkommen der Natur.
Weniger Wald, als vielmehr schneebedeckte Berge sind im Schweizer Film um den kindlich-jugendlichen Dieb Ausdrucksträger der Gefühle. Auf jeden Fall spielt dann wieder der Wald per se eine Hauptrolle im Beitrag WAS BLEIBT, wo die Familie die verschwundene Mutter (Corinna Harfouch) sucht. Und erst recht und zwar durchgehend in TABU, ein Film, der uns sehr gut gefallen hat, aber eben abseitig der großen Kassenerfolge existiert, ein Film für Liebhaber vom Kino und Liebhaber von afrikanischen Urwäldern. Letztere spielen eine Hauptrolle in diesem Film.
Und schließlich kann man den Zoologischen Garten im Film POSTKARTEN AUS DEM ZOO schon deshalb als Wald bezeichnen, weil viele und hohe Bäume dessen Naturstruktur ausmachen. Der ungarische Beitrag NUR DER WIND spielt im Wald, denn die Ansiedlung der Roma wird vom Wald hinterfangen, durch den die Bewohner dauernd stapfen und der ihnen Schutz und Bedrohung, je nachdem wird. REBELLE schließlich führt uns wieder nach Afrika, wo für den Guerillakampf der Rebellen der Wald das nötige Rückzugsgebiet bietet. Auch wenn man flieht, versteckt man sich im Wald und wenn man sich separieren möchte, auch.
Überlegt man sich die Funktion von Bäumen und Wäldern in den aufgeführten Filmen noch einmal zusammenfassend, dann sind sie das, was sie auch sonst in der Literatur sind: eine Metapher für beides: für die Lichtheit und Schönheit von Natur und den Geist genauso wie für das Dunkle und Gefährliche in der Natur und in den Menschen. Wälder sind darüber hinaus dann eben als Versteck genauso geeignet wie für kurzweilige Erholung. Und für einige Filmmenschen stellen sie ganz unsentimental einfach den direkten Weg zum nächsten Ort dar. Aber auffällig ist diese Waldpräsenz ins so vielen Filmen auf der Berlinale 2012 schon, in denen Baum und Strauch eigene Rollen überommen haben.