Die Verteilung der Bären zur 62. Berlinale 9. bis 19. Februar 2012
Claudia Schulmerich
Berlin (Weltexpresso) – Wohl nur für uns keine Überraschung, die Auszeichnung mit dem GOLDENEN BÄREN für die beiden alten italienischen Regisseurbrüder Taviani und ihr Gefangenenschauspiel CÄSAR MUSS STERBEN (vgl. WPO Beitrag Berlinale 5/25) als BESTER FILM.
Für einen weiteren Beste-Film-Favoriten BARBARA (6/25) erhielt dessen Regisseur Christian Petzold den SILBERNER BÄREN FÜR DIE BESTE REGIE. Dann gibt es dann noch den GROSSER PREIS DER JURY, ebenfalls einen SILBERNER BÄREN wert, der an CSAK A SZÉL ( 20/25) ging, das Roma-Drama NUR DER WIND von Bence Fliegauf, der kein Deutsch kann, aber deutsche Vorfahren hat. Das sind alles Preisvergaben, die man nachvollziehen kann.
Den SILBERNEN BÄREN errang FÜR DIE BESTE DARSTELLERIN die sehr junge Rachel Mwanza für ihre Darstellung der Kindersoldatin im Kongo in REBELLE von Kim Nguyen (23/25). Da sind wir dann doch verblüfft, denn es gab eine Reihe sehr eindrucksvoller weiblicher Darstellerinnen. Ehrlich gesagt, sehen wir das dann doch eher als eine geschickte Strategie der Jury, gute und wichtige Filme mit allen möglichen Preisen zu versehen, so daß jeder wirklich gute Film etwas abbekommt. Das dann wäre wiederum nachvollziehbar, wenngleich es in diesem Jahr weniger Preise als gute Filme gab, eine derartige Strategie also dann doch nicht aufgeht.
Mit Fragezeichen erleben wir auch, daß Mikkel Boe Følsgaard in En Kongelig Affære - Eine königliche Affäre von Nikolaj Arcel (22/25) den SILBERNEN BÄREN FÜR DEN BESTEN DARSTELLER erhält. Das Fragezeichen bezieht sich nur darauf, daß wir diese Entscheidung für die Darstellung des leicht umnachteten dänischen Königs nachvollziehen könnten, wenn sein Mit- und Gegenspieler im Film, der Darsteller des deutschen Arztes Struensee Mads Mikkelsen den Preis gleichzeitig erhalten hätte.
Der SILBERNE BÄR FÜR EINE HERAUSRAGENDE KÜNSTLERISCHE LEISTUNG geht an Lutz Reitemeier für die Kamera in Bai lu yuan (White Deer Plain) von Wang Quan'an (18/25), wobei die meisten Filme kameratechnisch einfach sehr gut aufgenommen waren und diese Auszeichnung Anlaß ist, herauszustellen, daß die drei chinesischen Beiträge irgendwie als einsame Masse bei den Festivalfilmen fungierten. Es waren alle drei heroische Filme, auf großer Leinwand und mit allen historischen Ausstattungserfordernissen versehen, mit perfekten Schauspielleistungen und doch, es fehlte etwas. Manchmal ist weniger mehr, es ist nicht leicht zu analysieren, weshalb diesmal chinesisches Kino nicht so ankam.
Der SILBERNE BÄR FÜR DAS BESTE DREHBUCH ging an Nikolaj Arcel und Rasmus Heisterberg für En Kongelig Affære – Eine königliche Affäre von Nikolaj Arcel (22/25). Das ist eine kleine Sensation. Denn damit ist dieser Film der einzige, der zwei Preise auf sich vereinen kann. Er wurde im Gegensatz zu unserer sehr guten Rezension insgesamt als reiner Kostümfilm gewertet. Wir dagegen empfanden das Austarieren von Historie im Vorfeld der Französischen Revolution mit persönlichen Aufstiegs- und Liebesgeschichte sowie dem überzeugenden Zeitbezug als außerordentlich gelungen und freuen uns deshalb über diesen Preis.
Auch der ALFRED-BAUER-PREIS, in Erinnerung an den Gründer des Festivals, für einen Spielfilm, der neue Perspektiven der Filmkunst eröffnet, der an den Film TABU von Miguel Gomes (15/25) geht, ist in unserem Sinne. Das Ungewöhnliche an diesem Film ist allerdings, das das Neue das Alte ist. Gomes zitiert Murnau aus der Filmgeschichte und läßt so stark wie kein Zweiter, Film als Wortrausch von Erzählerstimme mit Bebilderung vor unseren Augen ablaufen, was eine Suggestion nach sich zieht, die die einen goutieren, die anderen aber auf die Nerven ging.
Dann gab es noch einen SONDERPREIS und ebenfalls einen SILBERNEN BÄREN für L'enfant d'en haut – Schwester (11/25) von Ursula Meier, den wir eher ihren Darstellern gegönnt hätten. Mit der Preisverleihung am Samstag, 18. Februar, erreichten also die 62. Internationalen Filmfestspiele Berlin ihren krönenden Abschluß. 1.600 Gäste waren zur feierlichen Gala im Berlinale Palast eingeladen. Wobei als Abschlussfilm der diesjährigen Berlinale im Anschluss an die Zeremonie der Gewinner des Goldenen Bären noch einmal gezeigt wurde.
Festivaldirektor Dieter Kosslick und die Internationale Jury unter dem Vorsitz von Mike Leigh - Anton Corbijn, Asghar Farhadi, Charlotte Gainsbourg, Jake Gyllenhaal, François Ozon, Boualem Sansal und Barbara Sukowa. - hatten die Preise überreicht, deren Verleihung Anke Engelke moderierte. Es sei eine sehr gute und interessante Berlinale gewesen, war übereinstimmende Grundstimmung. An der Gala nahmen insbesondere deutsche Berühmtheiten des Films vor und hinter der Kamera teil.
Im Blick zurück kann man konstatieren, daß zahlreiche Weltstars nach Berlin gekommen waren: Shah Rukh Khan, Christian Bale, Isabelle Huppert, Max von Sydow, Nina Hoss, Jürgen Vogel, Steven Soderbergh, Léa Seydoux, Diane Kruger, Paolo & Vittorio Taviani, Michael Fassbender, Antonio Banderas, Billy Bob Thornton, Stephen Daldry, Birgit Minichmayr, Clive Owen, Guy Maddin, Hans-Christian Schmid, Doris Dörrie, John Hurt, Keanu Reeves, Salma Hayek, Robert Pattinson, Christian Petzold, Christina Ricci, Martina Gedeck, Juliette Binoche, Volker Schlöndorff, Werner Herzog und nicht zu vergessen Angelina Jolie mit Brad Bitt.