8. LICHTER Filmfest Frankfurt International vom 17. bis 22. März, Dienstag, Teil 13
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das ist jedes Mal dasselbe, daß eine leichte Unruhe, aber auch Erwartung in den Minuten vor der Eröffnung des Filmfestes zu spüren ist, die auch daher rührt, ob alle Angekündigten, vor allem Geldgeber, gekommen sind. Das schon, aber es verschiebt sich wie von alleine der Zeitpunkt, wann es nun endlich losgeht. Jetzt.
Auf der Bühne im Cantatesaal, wo erstmal die LICHTER residieren – mit Kind und Kegel im Untergeschoß – und mit angenehmem Zelt im Freien im Hof des Cantatesaals, der, das muß man Auswärtigen immer erklären, Cantatesaal heißt, aber ein ganzes Anwesen umfaßt - , haben sich die Gründer und Leiter des vor acht Jahren begonnenen Frankfurter Festivals eingefunden: Gregor Maria Schubert und Johanna Süß. Die Hauptrolle jedoch spielt ein Moderator, der die weiteren Eröffnungsgäste vorstellt: die Geldgeber. Das sind Staatssekretär Ingmar Jung, der Kulturdezernent der Stadt Frankfurt Felix Semmelroth und der Geschäftsführer des Kulturfonds, Helmut Müller.
Kein Wunder, daß der Moderator sanft mit ihnen umgeht und das Publikum – der Saal ist ausverkauft – gerne klatscht. Es war nämlich im Vorfeld zu hören, daß ein durchaus maßgeblicher Fördertopf wegfiele. Aber hier vor versammeltem Publikum sind alle guten Mutes, daß es weitergehe mit dem LICHTER FILMFEST, sprich: weiter gefördert werde. Da werden wir die Herren beim Worte nehmen, denn es waren wieder einmal die Herren, die die Bühne bevölkerten. Ach ja, Hedi Schneider, die uns gleich im Film beschäftigt, steckt ja auch fest, kann nicht auf die Bühne. Vorher aber sagte Staatssekretär Ingmar Jung: „Das „LICHTER Filmfest Frankfurt International“ stellt für rund eine Woche den Film in den Mittelpunkt des Kulturlebens in der Rhein-Main-Region. Es ist eröffnet.“
HEDI SCHNEIDER STECKT FEST hatte seine Hessenpremiere, denn Premiere war in Berlin zur Berlinale gewesen. Der mit dem Prädikat 'besonders wertvoll' ausgezeichnete Film hat am 7. Mai seinen Kinostart. Wonach sich so etwas richtet, ist eine Weisheit für sich, denn erstmals hörte man von dem Film schon anläßlich des Hessischen Film- und Kinopreises am Freitag der Buchmesse im Oktober 2014, wo er völlig überraschend – es war IM LABYRINTH DES SCHWEIGENS erwartet worden, der auch im Rahmen des LICHTER am Samstag läuft – als bester Spielfilm ausgezeichnet wurde.
Der Film hat einen hinreißenden Beginn. Eine putzmuntere junge Frau, mit leichtem Syndrom von Distanzlosigkeit, ist schon wieder zu spät dran, sie eilt in den Aufzug, drückt die Taste, fährt – aber kommt nicht an, denn der Aufzug bleibt stecken. Wie dies eine Metapher für Hedis Situation wird, das bekommen wir nach und nach mit, wollen aber doch die Aufzugszene noch ausschmücken. Der von Laura Tonke gespielten Hedi wird langweilig, sie hat ja schon mit Knopfdruck dem für Aufzüge Verantwortlichen ihr Leid geklagt, der Abhilfe binnen 15 Minuten verspricht. Von dem will sie nun unterhalten werden, teilt ihm ihre Versorgungswünsche an Essen und Trinken mit – natürlich meint sie das witzig - und verwickelt den guten Mann in ein Gespräch, daß dem Hören und Sehen vergeht. Sehen können wir ihn eh nicht und das Hören beendet er, in dem er einfach die Verbindung kappt. Keine neue Erfahrung für Hedi.
In der nächsten Szene erleben wir dann, wie Chef und Mitarbeiter die zu spät Gekommene scheel betrachten und erleben mit, wie sie einerseits eifrig und wohlmeinend doch in die Belange anderer eingreift, wozu eben auch das Trinken aus der Tasse eines anderen gehört. Das alles sind wunderbare Details aus dem Zusammenleben von Menschen, hier auf beruflichem Raum, die für die einen freien Agieren bedeutet, für die anderen übergriffig empfunden wird. Daß es zu Hause wenig anders ist, bekommen wir bei ihrer Heimkehr auch mit. Finn ist der Sohn, den Hedi und ihr Mann Uli gut unterhalten und der die kleine Familie zusammenhält, die, wie es heißt, ein beschauliches, auch übersichtliches Leben führen.
Und auf einmal die Panickattacken. Hedi weiß sich nicht zu helfen. Erst denkt sie, sie stirbt, dann gewöhnt sie sich ein wenig an ihren Sonderstatus, dem sie verdankt, daß alle anderen nun auch Angst davor haben, sie könnte erneut solche Attacken erleiden, was sie tut. Wie sehr ihr Mann in dieser Situation seinen Mann steht, bewundern wir auch. Hedi wird zur Zentrale, in der alles nur noch um sie selbst kreist. Sie bekommt nichts anderes mehr mit. Das ist sonst die Rolle, die Autisten zugesprochen wird. Hier aber entspricht es dem Krankheitsbild – sie hat Angst vor der Angst - einer zuvor Gesunden, die völlig aus der Bahn geworfen, mit allen Mitteln wissen will, was mit ihr ist und zu jeder Schandtat bereit ist, dem abzuhelfen.
Warum der Film besonders mit Frankfurt zu tun hat, liegt an den Aufnahmen, denn er wurde zu großen Teilen hier gedreht. In der Filmvorführung hört man auch hin und wieder jemanden den Ort nennen, an dem die Szene gerade spielt. Doch Frankfurt, die Ärzte, die Psychologen, die Freunde, der Ehemann, der Sohn können Hedi nicht helfen. Sie hat sich in ihrer egozentrisch betonten Krankheit eingerichtet. Wo ein Weg der Besserung liegen könnte, wird nur leicht angedeutet, wenn nämlich mit kleinen Schritten Hedi selbst sich wieder als Hedi wahrnimmt. Der gemeinsame Urlaub der Familie in Norwegen zeigt, daß da noch was möglich ist – in langsamen Schritten.
Es ist der zweite Film der Regisseurin Sonja Heiß, von der wir sicher bald einen dritten Film sehen werden, den es gelingt ihr, filmisch etwas leicht zu erzählen, was schwer zu leben ist. Dadurch tritt oft eine Situationskomik ein, wo sich die Hauptdarstellerin mit Hans Löw verläßlich an ihrer Seite eben auch komisch zeigen darf - und vor allem: das kann.