8. LICHTER Filmfest Frankfurt International vom 17. bis 22. März, Teil 14

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Von einem herrlichen Abend ist zu berichten, der für uns und die meisten von 20 Uhr bis Mitternacht ging und noch beim Erinnern beschwingt in den nächsten Tag trug. Und das alles, die filmische Erinnerung an Carlo Bohländer und das Konzert, das wir die Jamsession in seinem Sinne nennen, kam nur zustande, weil Elizabeth Ok in die verwaiste Wohnung des schon 2004 Verstorbenen einzog.

 

Da gab es auch den Keller und im Keller lag der Nachlaß, da war aus Jahrzehnten all das Material gehortet, das nun diesen Film möglich machte, was Elizabeth Ok mutig anging, erst mal alles alleine finanzierte und nun mit einem Ergebnis aufwarten kann, das heftig beklatscht wurde. Für die meisten der Besucher brachte es alte Erinnerung an die Oberfläche und für die jungen Leute war es ein unerwarteter und glitzernder Eindruck in ein Leben von gestern. Es geht nämlich hauptsächlich um die Jahre der Nachkriegszeit, wo der unter den Nazis verpönte Jazz die Musik der Jugend wurde. Und Carlo Bohländer ihr Prophet.

 

Wir sind als Schüler immer ins Storyville gegangen, in der Stiftstraße - mit Tanz!, d.h. Rock'n Roll - und erst heute weiß ich, daß auch dieses von Carlo Bohländer gegründet und geführt worden war, der mit seinem Hauptlokal, dem Domicile du Jazz von 1952 , für uns heute der Jazzkeller, die einzige Adresse für Jazz geblieben ist. Kein Wunder, daß der Cantatesaal gerammelt voll war und ältere Semester überwogen: „Grüß Dich, Karl!“ - „Da ist ja die Bibi!“ - Küßchen, Küßchen, es war leicht wie ein Veteranentreffen, nur viel lustiger.

 

Am selben Tag hatten wir im Hessischen Rundfunk in einer Sendung gehört, daß die Jugend von heute sich nicht nur nichts aus Jazz mache, sondern ihn regelrecht ablehne. Das wurde übrigens auch nach dem Film in der Diskussionsrunde über den Film bestätigt. Abgesehen davon, daß das für die, die Jazz lieben, schwer vorstellbar ist, denkt man sich beim Zuschauen von CARLO, KEEP SWINGIN', daß jeder, der den Film gesehen hat, einfach zum afficionado a Jazz werden muß. Denn über Musik wird nicht nur gesprochen, sondern sie wird unaufhörlich produziert von den Menschen, die wir im Film kennenlernen.

 

Carlo Bohländer - eigentlich ein hervorragender Jazztrompeter, ein klassischer übrigens auch - hatte im Nachkriegsfrankfurt mit dem Hot Club im Keller angefangen und wir sehen und hören sie alle auf der Leinwand, die Frankfurt als Hauptstadt des Jazz – übrigens bis heute – berühmt gemacht hatten. Die Brüder Mangelsdorff spielen eine herausragende Rolle - der weltbester Posaunist Albert, schon 2005 gestorben – und der eigentlich ältere Emil, Saxophon und Flöte, bis heute unermüdlich wird am 11. April 90 Jahre - , aber neben anderen Frankfurter Urgesteinen, zu denen auch die wurden, die von außerhalb kamen, erleben wir im Film auch die Weltkünstler, die Carlo Bohländer nach Frankfurt brachte: Stan Getz, Dizzy Gillespie, Chet Baker, die Ellington-Band – und vor allem auch Bill Ramsey, um den es noch gehen wird.

 

Was den Film zu einem kulturhistorischen Dokument werden läßt, sind die Bezüge zur Zeit, in der Frankfurt zur Jazzhochburg wurde. Denn in den vielen Interviews, in denen Carlo Bohländer selbst befragt wurde, oder die die Regisseurin für den Film mit den Zeitzeugen machte, tritt klar zu tage, daß Musik und Politik nicht zu trennen waren. Daß die Freiheit des Individuums in einem neuen Deutschland und die Freiheit beim Musikmachen, durch die immensen Möglichkeiten des Jazz zum Improvisieren eine gemeinsame Wurzel in der Freiheitsliebe haben.

Das klingt jetzt schon wieder pathetisch, erschließt sich im Film aber unmittelbar aus dem, was die Betroffenen sagen. Der Film ist auch auf so seltene Weise komisch und von Humor durchzogen. Das liegt sicher auch am Hauptdarsteller Carlo Bohländer, der einen eher britischen Humor pflegt, aber oft denkt man sich auch, vielleicht wollte er gar nicht komisch sein, aber die Aufnahmen sind slapstickartig. Das betrifft vor allem die Stellen, wo er beim Interview Kuchen ißt.

 

Sonst geht es aber gesittet und überaus sinnlich gleichermaßen zu. Die Schwierigkeit, Vergangenheit ins Heute zu bringen, so daß die Zuschauer dabei bleiben, löst die Regisseurin durch viele Ideen. Wenn beispielsweise Fotoalben durchgeblättert werden, dann werden kurz darauf, die Fotos lebendig und aus dem Archivmaterial sehen und hören wir die Betreffenden bei ihrem Auftritt oder einer Diskussion. Höchste Zeit von Anita Honis Bohländer zu sprechen, der attraktiven schwarzen Dame aus den USA, die zum Singen kam, sich dem Chef vorstellte, wo es sofort funkte und sie sich anschließend auf der Toilette im Spiegel zuzwinkerte und dieser Spiegeldame zuflüsterte: Mrs. Carlo Bohländer.

 

So kam es auch. Das aber sollten Sie alle selber sehen. Wo der Film gezeigt wird, darum werden wir uns kümmern, denn er ist ein Fenster zum Gestern, so schön, so bunt, so wahr, so leise und laut wie man es selten hört und sieht. Im Übrigen kam uns dann auch in den Sinn, es sollte eine Einrichtung geben, wo man FRANKFURT IM FILM durch personenbezogene Filme über Frankfurter

 

Das anschließende gemeinsame Musizieren läßt sich gar nicht in Worten wiedergeben, denn es sind sowohl die Erinnerungen an alte Weisen, die die drei Musiker auf der Bühne boten, wie auch in die Glieder fahrende Rhythmen, die per Wort nicht wiederzugeben sind. Daß Bill Ramsey, 83 Jahre hier lebt, weiß man durch seine Sendungen im Hessischen Rundfunk. Er gehört genau zu denen,die als GI der amerikanischen Streitkräfte nach Frankfurt gekommen und hier hängengeblieben waren, zudem aber auch ein großer Schlagerstar wurde. Daß Jazz per Stimme aber sein eigentliches Gebiet ist, zeigte er an diesem Abend genauso wie Anita Honis Bohländer, die die Zeit der großen alten Jazzladies beschwor.