Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 9. April 2015, Donnerstag: 20 Uhr in den EKINOS Frankfurt mit Gespräch, Teil 5

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Im Teil 2 der dieswöchentlichen Kinoschau hatte Weltexpresso auf diese Veranstaltung in den E-Kinos Frankfurt hingewiesen, die zusammen mit dem Film auch eine Diskussion mit dem Historiker und Widerstandsexperten Thomas Altmeyer möglich machte.

 

Und wie immer, macht das Darübersprechen auch weitere Akzente im Film deutlich, die man ohne die Hinweise von Thomas Altmeyer vielleicht übersehen hätte. Dieser ist wissenschaftlicher Leiter des Studienkreises Deutscher Widerstand 1933-1945 und freier Referent in der Jugend- und Erwachsenenbildung mit dem Schwerpunkt NS-Zeit, Widerstand, Demokratie und Zivilcourage. Ausgangspunkt bleibt, warum bis heute Georg Elser – dessen Ermordung im KZ Dacheu durch die Nazis sich an diesem Tag zum 70 mal jährt - den meisten Deutschen unbekannt ist, obwohl sogar Helmut Kohl, der nun gar nicht für seinen Einsatz für Regimegegner des Nationalsozialismus bekannt ist – damit beziehen wir uns auf die Schrift von Fritz Bauer, die durch Verdikt von Kohl in rheinland-pfälzischen Schulen nicht verteilt werden durfte - , obwohl also sogar Helmut Kohl den Georg Elser als Widerstandskämpfer 1984 gewürdigt hatte und obwohl Klaus Maria Brandauer schon 1989 einen Film über Elser drehte, in dem er selbst Georg Elser ist.

 

Daß Elser auch 76 Jahre nach seinem Hitler-Attentat und auf den Tag genau 70 Jahre nach der Ermordung durch die Nazis immer noch so vielen kein Name ist und keine Tat bedeutet, führt der Widerstandsexperte auf drei Faktoren zurück. Es habe der Widerstand erst einmal überhaupt keine positive Resonanz im Nachkriegsdeutschland gefunden, das seien Verräter gewesen, dann seien durch den Remer-Prozeß, den Fritz Bauer in Braunschweig 1952 führte, der adlige Widerstand als Tyrannenmord legitimiert worden. Erst in den 60er Jahren habe man dann angefangen, den kommunistischen und sozialistischen Widerstand als nationale Tat zu begreifen und damit auch zu achten. Einzeltäter wie Georg Elser, denen habe man einfach nicht getraut, weil man sich nicht vorstellen konnte, wie einer ohne Gruppe und logistische Unterstützung solch ein Attentat durchführen konnte.

 

Bei Georg Elser kamen strafverschärfend zwei völlig gegenteilige Unterstellungen hinzu: diejenigen, die gegen die Nazis waren, hielten das Attentat für eine Vortäuschung und von diesen selbst inszeniert: schließlich war ja Hitler nichts passiert, nur Unschuldigen. Für die Nazis wiederum war ein Einzeltäter schon aus Prinzip undenkbar – gerade Gruppen negieren ja das Individuum als Einzelwesen und versuchen alles in Gruppen und gruppenkonform zu gestalten – und es paßte ihnen gut in den Kram, aus Propagandazwecken die Briten als die Urheber des Attentats zu entlarven und Elser die Zusammenarbeit mit einem ausländischen Geheimdienst vorzuwerfen: Verrat am deutschen Volk. Der Film nimmt dies auf, indem in einer der Folterszenen, wo man aus Elser ein Geständnis herauspressen will, dieser 'einknickt' und zugibt, ja, es gab diesen Anruf von Churchill, womit für jeden Zuschauer signalisiert wird, daß er jetzt seine Folterknechte auf den Arm nimmt, was auch diese Chargen wütend begreifen. Sehr gut nachvollziehbar ist, wenn im Film Elser im Verhör seinen, ihm die Mittäterschaft abpressen wollenden Peinigern das Gegenteil gesteht: „Und Sie werden lachen. Es hätte auch niemand mitgemacht.“

 

Andererseits war seine Einzeltäterschaft auch denen, die ihn gut kannten, wie besagte Elsa, einfach nicht denkbar und auch diese glaubte noch in den 50er Jahren an die Engländer als Urheber des Elser-Attentates, wie Altmeyer berichtete. Noch stärker berührt, wenn der Historiker dann auch Martin Niemöller, den man als evangelischen Theologen der Bekennenden Kirche und als Widerstandskämpfer kennt, zitiert, der ganz sicher war, daß Elser von den Nazis selber instrumentalisiert worden sei.

 

Schon irre. Denn, daß der schwäbische Schreiner einfach aus seiner menschlichen Gesinnung heraus, ohne Partei oder sonstige Organisation, dieses technisch aufwendige und detailliert geplante Attentat - das erfolgreich gewesen wäre, hätte Hitler nicht 13 Minuten vorher aus Verkehrsgründen den Bürgerbräukeller in München verlassen, alleine ohne Mitwissen von irgendjemandem, denn er wußte und sagte es auch dann,daß es diesen an den Kragen gegangen wäre, er wollte niemanden als sich selbst gefährden – durchgezogen hatte, bleibt auch beim Zuschauen im Film eine herausragende Leistung. Was der Film leistet, ist verständlich zu machen, wie einer, der weder Intellektueller noch sonst wie politisch ein beschriebenes Blatt war, aus Widerwillen gegen den Naziterror und aus Befürchtungen, was die Hitlerbande im November 1939 für ganz Europa bedeuten könnte– Elser sollte ja wirklich Recht behalten!! - zum Handeln schritt. Daraus wird aber auch gesellschaftspolitisch verständlich, daß Georg Elser erst einmal in der Bundesrepublik, die sich ja erst langsam ihrer NS-Vergangenheit stellte, keine Lobby hatte, was Gruppentätern eher zu Gute kam.

 

Fragen der Besucher galten auch der Verhalten von Elser: auf der einen Seite ein minutiös geplantes Attentat, auf der anderen Seite ein mehr als dämliches Geschehen beim Grenzübergang in die Schweiz, den Elser versuchte, bevor in München die Bombe platze. Der Film zeichne die Protokolle auch hier nach. Die Aussage, daß Georg Elser als Einzeltäter nicht alleine stand, sondern rund 40 Anschläge auf Hitler durch einzelne geplant/durchgeführt worden waren, erstaunte die Anwesenden. Fortsetzung folgt.

 

 

 

P.S. Wir mögen diesen Film, auch wenn wir das Liebesgeschehen mit Elsa für betulich und in der Länge unangemessen halten. Das mal vorausgeschickt. Trotzdem hätte Regisseur Olaf Bierbichler zumindest im Abspann auf seinen Vorgänger, das Regiedebüt von Klaus Maria Brandauer in GEORG ELSER – EINER AUS DEUTSCHLAND verweisen müssen, in dem Brandauer auch den Elser gibt. Der in Englisch produzierte Film folgt dem Roman, Georg Elser, einer aus Deutschland von Stephen Sheppard, der auch für das Drehbuch verantwortlich war.

 

Wir wundern uns, daß bei der sonstigen Aufmerksamkeit des Kinos im Deutschen Filmmuseum, es unterlassen wurde, den Start des Hirschbiegel-Elsers am 70. Todestag von Elser und anderer Widerstandskämpfer mit einer Aufführung des alten Brandauerfilms von 1989 zu begleiten. Aber auch in den nächsten Wochen und Monaten ist dieser 26 Jahre alte Film als Pendant spannend. Deshalb die heiße Bitte an das Deutsche Filminstitut, die Sicht des Brandauerfilms möglich zu machen.

 

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http://weltexpresso.tj87.de/index.php/kino/4634-zum-film-ueber-georg-elser-dem-hitler-attentaeter