Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 9. April 2015, Donnerstag: 20 Uhr in den EKINOS Frankfurt mit Gespräch, Teil 6

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Der Historiker Thomas Altmeyer stellte in der Diskussion nach dem Film heraus, daß das Auffinden der originalen Elser-Verhör-Protokolle 1964 in den Akten des Reichsjustizministeriums, die im Bundesjustizministerium in Bonn gelagert und erst damals gesichtet wurden, überhaupt erst die Dimension der Tat und die Einzeltäterschaft von Georg Elser ans Tageslicht brachten. Zuvor war Elser weithin unbekannt.

 

Wir haben erst später recherchiert, daß dieses insofern nicht stimmt, daß schon 1959 ein verdienstvoller Historiker die wahren Hintergründe recherchiert hatte und dies sogar in der auflagenstarken BILD AM SONNTAG in einer achtteiligen Serie kundtat. Darum folgte ein dritter Artikel über den Filmabend, in dem aus diesem Artikel zitiert wird. Der Film von Hirschbiegel basiert nun auf diesen gefundenen Protokollen, wobei das Interesse im Film dann nicht nur dem Attentäter, dem kleinen Mann mit dem eigenen Kopf, sondern auch den NS-Chargen gilt, von denen der Reichskriminaldirektor Arthur Nebe, Chef der Kripo in Berlin, später sogar vor Elser von den Nazis liquidiert wurde, denn er hatte – wie man meint aus opportunistischen Gründen – die Verschwörer des 20. Juli 1944 unterstützt und war entdeckt und gehängt worden.

 

Im Film wird dieser Arthur Nebe von Burghart Klaußner dargestellt und ein wenig scheint hindurchzuschimmern, daß er nicht ganz so brutal vorgehen will, wie der sich mit in Verbrechenaufklärung in Konkurrenz befindliche Gestapo-Müller. Dieser, Heinrich Müller, war seit 1939 Leiter des Reichssicherheitsamts und in der Darstellung gibt ihm Johannes von Bülow ein wohl wirklichkeitsnahes sadistisches Bild. Es wenig scheint im Film aufzuflackern, Nebe sei der 'gute' Nazi, Müller der 'böse' Nazi. Diesen Eindruck kann man nur dadurch erhalten, daß im Film Nebe zumindest die Äußerungen des Elser anhört, während Müller nur hört, was in sein Konzept paßt. Alles andere wird durch Folter beantwortet.

 

Täter-Psychologie zu betreiben, dazu haben wir wenig Lust. Aber die Darstellung des Nebe durch Klaußner läßt genau diesen Freiraum um einen Mann zu, der einerseits schon lange vor 1933 der NSDAP Amtsgeheimnisse weitergab, das Giftgas Zyklon B bei den Farbwerken Hoechst bestellte und dann auf einmal Kontakte zum Stauffenbergkreis hatte, derentwegen er gehängt wurde, was im Film deshalb eine Rolle spielt, weil seine baumelnden Beine so lange gezeigt werden, bis der Exitus eingetreten ist, wobei wir aber auf die Gesichter der acht Herumstehenden und des Kameramanns blicken. Wie können Menschen dem auch noch von vorne zusehen, was schon von hinten, ohne die Schlinge um den Hals zu zeigen, nur durch Baumeln der Beine bis zum Tod, unerträglich ist,

 

Der ehemalige Nazi ist also von den Nazis umgebracht worden. Das ist Wirklichkeit. Wie aber sah die Verhaftung und die Verhöre von Georg Elser aus, wenn doch der Film – wie es heißt und auch Thomas Altmeyer folgerte – den Protokollen folgt. Wir kennen nur einen kleinen Teil des gesamten Materials und beziehen uns im Folgenden auf: http://www.georg-elser-arbeitskreis.de/texts/gp-huber.htm

 

In dieser leicht launigen Darstellung des Kriminaldirektors Franz Josef Huber, wurde dieser am 10. November vom Reichskriminalrat und SS-Oberführer Müller angerufen, er solle sofort nach München kommen, weil Nebe mit seiner Untersuchung nicht vorankäme. Am Bahnsteig in München sei er von Heydrich und dem Gestapo-Müller mit großem Gefolge erwartet worden. Er erhielt den Befehl, die Sonderkommission statt Nebe in München zu leiten. Nebe und Müller wurden nach Berlin zurückbeordert.

 

Dann schildert Huber, wie man erst aus Berlin von der Verhaftung Elsers hörte, der vor der Explosion in Konstanz-Kreuzlingen festgenommen worden war. Man hielt ihn für einen Mittäter. Und jetzt ist es Huber, der schreibt: „Zwei Beamte führten in ihrer Mitte einen kleinen, schmächtigen Mann ins Zimmer. Er erschien mit knapp über 30 Jahre alt und hatte ein ernstes, sympathisches Gesicht. Er trug einen dunkelblauen Anzug. Nebe – wo kommt der jetzt wieder her? C.S. - und Lobbes grinsten den Hereinkommenden an, dann blickten sie zu mir herüber. Spöttisch sagte Arthur Nebe: 'Nun sieh Dir den Mann gut an. Das soll der Attentäter sein?' Er hatte recht. Elser sah wirklich nicht aus wie ein Attentäter. Er wirkte fast schüchtern. So, als könne er nicht begreifen, was wir von ihm wollten. Schon nach den ersten Sätzen stellte ich mich auf seine schwäbische Mundart ein....“ Und brav erzählt ihm laut dieser Niederschrift Georg Elser sein ein Jahr lang vorbereitetes Attentat, nachdem ihn Huber durch das Ausziehen der Hose infolge der Knieverletzungen als denjenigen identifiziert hatte, der die Bombe in der Säule des Hofbräuhauses installiert hatte. Fortsetzung folgt.

 

P.S. Wir mögen diesen Film, auch wenn wir das Liebesgeschehen mit Elsa für betulich und in der Länge unangemessen halten. Das mal vorausgeschickt. Trotzdem hätte Regisseur Olaf Bierbichler zumindest im Abspann auf seinen Vorgänger, das Regiedebüt von Klaus Maria Brandauer in GEORG ELSER – EINER AUS DEUTSCHLAND verweisen müssen, in dem Brandauer auch den Elser gibt. Der in Englisch produzierte Film folgt dem Roman, Georg Elser, einer aus Deutschland von Stephen Sheppard, der auch für das Drehbuch verantwortlich war.

 

Wir wundern uns, daß bei der sonstigen Aufmerksamkeit des Kinos im Deutschen Filmmuseum, es unterlassen wurde, den Start des Hirschbiegel-Elsers am 70. Todestag von Elser und anderer Widerstandskämpfer mit einer Aufführung des alten Brandauerfilms von 1989 zu begleiten. Aber auch in den nächsten Wochen und Monaten ist dieser 26 Jahre alte Film als Pendant spannend. Deshalb die heiße Bitte an das Deutsche Filminstitut, die Sicht des Brandauerfilms möglich zu machen.

 

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/kino/4633-elser

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/kino/4634-zum-film-ueber-georg-elser-dem-hitler-attentaeter