Serie: FRANKFURT LIEST EIN BUCH: Mirjam Pressler, „Grüße und Küsse an alle“ vom 13. bis 26. April, Teil 11

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Es gab am Abend also zwei Filme zu sehen: Der Film ANNE FRANK- EIN MÄDCHEN AUS DEUTSCHLAND, ist ein Dokumentarfilm von 45 Minuten Länge über DIE FAMILIE FRANK. Er ist von Gabriela Hermer, produziert vom Hessischen Rundfunk aus dem Jahr 2004 und war uns neu.

 

Ein interessanter Film, in dem er die 13 Jahre von Anne vor dem Schreiben des Tagebuches in den Blick nimmt, wobei die Aufnahmen aus dem Marbachweg 307, dem Zuhause der Otto Franks bewegen, weil sie Ende der Zwanziger mit Fotos der Familien die gute Nachbarschaft der Anwohner zeigen, unter denen die Franks die einzigen Juden waren, was vor 1933 niemanden scherte. Sofort danach aber war es der Hausbesitzer, der ihnen kündigte. Schon 1934 nahm Otto Frank dann die Vermittlung seines Schwagers in Anspruch, als niederländische Vertretung für Opekta - das war das Nonplusultra in der Marmeladenherstellung u.a. - nach Holland zu gehen.

 

Uns hat der elfjährige Film sehr gut gefallen, weil so viele Familienaufnahmen das Gesamtbild zeigen und weil die Querverbindungen innerhalb der Familie, von denen heute Mirjam Presslers Buch spricht, schon im Bild sichtbar sind. Es ist also gar nicht so neu, wie es einem vorkommt, daß der Familienhintergrund der Anne Frank eine solche Rolle spielt.

 

Dennoch war der eigentliche Höhepunkt des Filmsonntags die Premiere des Films ANNE COUSIN von Hanna Laura Klar, bei dessen 45minütiger Vorführung Mirjam Pressler die Hand der Witwe Gerti Elias ergriff und festhielt, wie anschließend Gerti Elias erzählte. Das ist ja beides, Freude, den Verstorbenen so groß und liebenswert im Bild zu haben und die Trauer über den Verlust des eigenen Mannes. Wir finden die Haltung von Gerti Elias in all den Tagen eindrucksvoll und äußerst liebenswert. Sie spricht mit solcher Liebe von der Familie, in die sie eingeheiratet hatte – übrigens spielte Religion dort überhaupt keine Rolle und sie als geborene Österreicherin ohne jüdische Wurzeln ist völlig integriert - und sie hat zu allem, zum Buch der Mirjam Pressler und auch zu dem Film über ihren Mann, Entscheidendes beigetragen. Im übrigens ist der Kameramann ein aficionado von Gerti Elias. Die 1933 Geborene ist auch heute eine schöne ältere Frau, im Licht der Kamera in rotem Gewande im Baseler Haus fängt sie zu blühen und zu glühen an, das wir Zuschauer auch der Kamera ein Lob aussprechen.

 

Im Film, den man nicht nacherzählen muß, weil es um die aufschlußreichen Kommentare des Elias Frank zum Leben der Familie Frank, seine besondere Beziehung zu seiner Cousine Anne und ums Leben allgemein geht, sieht man das Zuhause der Franks in der Baseler Herbstgasse: warm und voll der alten Möbel und viel Geschirr, ja geradezu überfüllt mit den Dingen der Vergangenheit, die alle ein anrührendes Ambiente schaffen. Von den Filmaufnahmen wurde im Anschluß gesprochen, und sagen wir es ehrlich , das war dann noch mal genauso spannend. Denn Gerti, die schon im Film eine tragende Figur spielt, war sie es doch, die im Dachgeschoß in einem Verschlag abgetrennt die vielen Koffer mit den über 10 000 Dokumenten fand - „Diese Familie hat nichts weggeworfen!“-, erzählte dann vom Auffinden noch weitere Scherze. Insbesondere der Schrankkoffer fast in Menschenhöhe , exquisit ausgeschlagen mit Seide für das Aufhängen der Anzüge und Kleider, sowie Kästen für Wäsche und sonstiges, selbst die Leine für die Krawatten ist vorhanden, dieser Schrankkoffer faszinierte die Zuschauer wohl am meisten. Es sei wohl der gewesen, mit dem ihr Mann 14 Jahre herumzog in der Welt, als er für HOLIDAY ON ICE den Clown gab.

 

Diese seine Tätigkeit wurde natürlich auch im Film von ihm selbst gewürdigt und sie verleiht seiner Gestalt diese Mischung aus Leichtigkeit und Ernst, aus Fröhlichkeit und Trauer, die seit jeher das ist, was das Clownwesen auszeichnet. Wie immer war es dann Mirjam Pressler, die – wie wir selbst - mit Händen und Füßen redend die Sachen auf den Punkt brachte. Wie oft mußte sie im Verlauf der Woche schon dasselbe so oder so ähnlich sagen. Aber es gelingt ihr, jedesmal von Neuem den Furor darzustellen, der sie ergriffen hat, als die die Ausgangslage für ein Buch in Basel in Augenschein zunehmen. „Nein“ hatte sie erst mal gesagt, zum Ansinnen des Verlegers (Fischerverlag), nach all ihren Schriften und Übersetzungen zu Anne Frank schon wieder damit zu tun zu haben. Aber der Blick in die Augen der kleinen und feinen Alice Frank, die mit zwei Beinchen als kleines Mädchen schon sicher und forschend in die Welt blickt, habe sie umgestimmt.

 

Foto: Buddy Elias

 

Info:

 

Mirjam Pressler/Gerti Elias „Grüße und Küsse an alle“

Die Geschichte der Familie von Anne Frank

Fischer Taschenbuch Verlag

432 Seiten. Kartoniert.

10,99

ISBN 978-3-596-18410-1

 

 

Das 16 seitige DIN A4 Programm FRANKFURT LIEST EIN BUCH liegt an verschiedenen Stellen der Stadt aus. Sie finden es auch unter:

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