Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 23. April 2015, Teil 3
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Eigentlich fertigt Tim Burton seinen Film über die amerikanische Malerin Margaret Keane so blauäugig, wie diese mit den Augen ihrer Darstellerin Amy Adams lange zuschaut, wie ihr ein smarter Typ sozusagen die Farben von der Leinwand kratzt und die Bilder als seine eigenen ausgibt.
Konnte man die Metapher von der Butter, die vom Brot stibitzt wird, verstehen? Also die Übertragung? Denn selbstverständlich blieben bei Walter Keane die Farben auf der Leinwand, schließlich machte er ja aus den Bildern seiner Frau, die er als eigene ausgab, viel Geld. Was erst einmal keinem auffällt, das ist, daß hier ja ein doppelter Betrug vorliegt. Denn gemalt hatte Margaret seit jeher. Auch, als sie noch mit ihrem ersten Mann verheiratet ist, tief in der Provinz, was sie alles nicht aushält und geschieden und mit dem gemeinsamen Kind nach San Francisco gelangt. Aber ihre Bilder kennzeichnet sie nicht mit ihrem eigenen Namen, sondern dem des angeheirateten Keane, den Christoph Waltz nur zu Beginn als den süffigen Verführer darstellt, der allein mit seinen Redekünsten jede Frau herumkriegt, erst recht die hübsche, aber minder selbstbewußte Pflanze aus der Provinz.
Niemals hat sie den Namen Keane abgelegt. Auch nicht nach der Scheidung 1970 vom Verführer und Bösewicht Keane. Noch heute heißt die 87jährige so, denn längst ist ihr Name eben zu einem Begriff geworden, einem Markenartikel dazu. Dazu kommen wir noch. Wir sind im quirligen San Francisco der 50er Jahre. Das Leben, die Liebe und die Kunst könnte für Margaret und Kind nur schön sein. Sie hat ihr bescheidenes Auskommen und malt und malt...auch wenn sie diese Bilder lange niemandem zeigt, bis sie sich einreiht in die Künstler, die bei schönem Wetter draußen im Freien den Vorbeiflanierenden ihre Bilder vor Augen bringen. Kaufen sollen die und die Große-Augen-Bilder der Margaret ziehen ganz bestimmte Käufer an.
Auch ihren Standnachbarn Walter Keane. Der hat sich – als Frankreich- und Pariskenner – spezialisiert auf impressionistisch angehauchte Pariser Straßenszenen, Bilder, die keinem wehtun und als Dekoration an der Wand nicht stören. Die Bilder der Margaret dagegen verstören so manchen. Tieftraurig schauen diese Kinder in die Welt, mit geradezu blicklosen riesengroßen runden Augen. Erst recht, wenn aus den Augen noch Tränen quillen. Kulleraugen sagt man bei Puppen und etwas Synthetisches haftet diesen Kinderporträts an, die einzeln oder sogar in Massenszenen wie eine Anklage an die Welt anmuten: gebt Kindern Raum, gebt ihnen zu essen und sichert ihre Zukunft.
Furchtbare Bilder für die einen, zu denen wir zählen, nicht nur Kitsch, sondern Gemeinheit, weil diese Bilder auf Grund des Kindchenschemas an die Gefühle von Menschen appellieren. Das Kindchenschema wirkt unbewußt als Schlüsselreiz und heizt Fürsorgeverhalten an. Hier aber wird das Kaufverhalten angeregt. Das ist Walter Keane noch nicht so ganz klar, als er die schöne Margaret und ihre scheußlichen Bilder, die er mag, umwirbt. Und dieser Film, der die Biederkeit der 50er Jahre – verstärkt die in Amerika, wo die Frauen, die im 2. Weltkrieg noch beruflich ihren Mann standen, als die Männer als Soldaten kämpften, nun zurück müssen, in Reih und Glied der Familien – so ideologisch richtig darstellt, hat hier seine stärksten Szenen, wenn wir mittendrinnen sind, als Walter die Bilder seiner Frau ausstellen will und merkt – es ist ein Mißverständnis, nicht seine Absicht – daß alle die Bilder für die seinen halten, weshalb er sozusagen der Norm des Faktischen nachgibt und sie ab da als seine ausgibt.
Zweierlei ist hier wichtig. Es ist tatsächlich so, daß Malerinnen in der Geschichte der Kunst schlechte Karten hatten und die Kunst von Männern per se als künstlerischer und kaufwürdiger galt. Und die noch verliebte und von der Ausstellung ihrer Bilder verführte Margaret sagt nicht NEIN zum Unterschlagen ihres Namens und damit ihrer Urheberschaft. Wieso das so war, was in ihrem Inneren wirklich vorgeht, das verschweigt der Film. Er führt uns nach und nach zu ihrem Sklavendasein, wo sie - abgetrennt von der Welt – malt und malt und malt...immer diese Kulleraugen.
Und ab da, wo der Film nun große Fahrt aufnimmt, wird er..., nein, nicht langweilig, weil einfach beide Schauspieler nicht umsonst große Namen tragen. Aber im Film wird alles vorhersehbar. Christoph Waltz kann gar nicht anders, als alle Register zu ziehen, denn das Drehbuch macht ihn zum Schurken auf allen Ebenen, der dann seine Frau einsperrt, schlägt und verfolgt. Und Amy Adams ist die verfolgte Unschuld, nicht nur als Frau, sondern eben auch als Künstlerin. Das ist dann alles ein bißchen dicke und hätte viel interessanter verlaufen können, wären die Charaktere nicht so schwarzweiß ausgefallen.
Im richtigen Leben soll dieser Walter Keane nämlich tatsächlich gemalt haben und zwar immer noch ein herrschsüchtiger Ehemann, aber nicht der Oberschuft gewesen sein, zu dem Waltz ihn machen muß. Trotzdem haben wir uns im Film prächtig amüsiert. Es gefällt einem immer wieder, heil im Kinosessel mitansehen zu können, wie auf der Leinwand die Leute mit den simpelsten Methoden betrogen werden. Hier sprechen wir jetzt erst einmal vom Kunstbetrieb und dem, was man die Verletzung des natürlichen Schönheitsempfinden oder auch die Grenzverläufe der Geschmacklosigkeit nennt, für die im Film noch die Geschmackspolizei angefordert wird. Noch fordert das keiner für Filme.