GoEast: 15. Festival des mittel- und osteuropäischen Films, von Freitag, 24., bis Mittwoch, 29. April in Wiesbaden, Teil 5
Helga Faber
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Natürlich gehört goEast nach Wiesbaden. Aber dennoch gehören das Kino in Frankfurt und das in Wiesbaden zusammen, denn sie sind Teil des Deutschen Filminstituts, deren Direktorin Claudia Dillmann ist, der es gelingt, sozusagen gleichzeitig in beiden Städten präsent zu sein. Auch Darmstadt spielt 'nach'.
Die Vielfalt des mittel- und osteuropäischen Autorenkinos zeigt sich auch in diesem Jahr wieder bei goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films, das von Mittwoch, 22., bis Dienstag, 28. April, in Wiesbaden in seine 15. Runde geht. Das wird ganz besonders in den 16 Beiträgen des Spiel- und Dokumentarfilmwettbewerbs deutlich. Bewegende, eigenwillige und wegweisende Produktionen zeichnen ein differenziertes Stimmungsbild der Gesellschaften Osteuropas. goEast wird vom Deutschen Filminstitut veranstaltet. Alle Beiträge des Spielfilmwettbewerbs zeigt das Kino des Deutschen Filmmuseums von Freitag, 24., bis Mittwoch, 29. April, als Nachspiel.
Viele der Filme setzen historische Themen erfrischend in Szene: Der polnische Regisseur und Schauspieler Jerzy Stuhr unternimmt mit BÜRGER eine satirische Tour de Force durch 60 Jahre polnischer Geschichte. Der Russe Aleksey Fedorchenko erzählt in ANGELY REVOLUTSII (RU 2014) von fanatischen Künstlern der Avantgarde in den 1930er Jahren, die sich nach Sibirien aufmachen, um bei der indigenen Bevölkerung die Lehre Lenins durchzusetzen. goEast greift wieder auf sein bewährtes Konzept zurück, Debütfilme ebenso wie aktuelle Arbeiten bekannter Regiegrößen zu präsentieren: Bereits auf dem Filmfestival in Venedig sorgte das Erstlingswerk des Serben Vuk Ršumović, NIČIJE DETE (RS/HR 2014), für Aufsehen. Es erzählt von der „Menschwerdung“ eines Jungen, der unter Wölfen aufgewachsen ist.
Neben den zehn Wettbewerbsspielfilmen ist in Frankfurt auch AUF DAS LEBEN! (DE 2014) zu sehen, der neueste Spielfilm der Firma CCC, die vom legendären Produzenten Artur Brauner gegründet wurde. Ihm widmet goEast das Symposium „Artur Brauner: Der Produzent als Grenzgänger und Brückenbauer“. Zur Filmvorführung sind Hauptdarstellerin Hannelore Elsner und Alice Brauner, Filmproduzentin und Tochter von Artur Brauner, zu Gast.
Freitag, 24. April, 18 Uhr
OBYWATEL Bürger
Polen 2014. R: Jerzy Stuhr
D: Jerzy Stuhr, Maciej Stuhr.104 Min. DCP. OmeU
Ein alter Mann, gespielt von Autor und Regisseur Jerzy Stuhr, lässt aus dem Krankenbett die sechs zurückliegenden Jahrzehnte in Polen Revue passieren, von den kommunistischen Anfängen über die Zeit von Solidarność bis zur jungen polnischen Demokratie: Eigentlich will er die ganze Zeit einfach nur sein Leben leben, doch Zufälle und Missgeschicke lassen ihn immer wieder hineinstolpern ins Chaos der Politik. Er versucht, sein Gesicht zu wahren und ein wenig Glück zu finden, doch das gelingt ihm meist mehr schlecht als recht. Stuhr schildert den Weg dieses Jedermann in opulenten Bildern – heiter, beschwingt und gnadenlos sarkastisch.
Deutschlandpremiere
Zu Gast: Jerzy Stuhr, Piotr Dzięcioł (Produzent)
Freitag, 24. April, 20:30 Uhr
UROK Die Lehrstunde
Bulgarien/Griechenland 2014. R: Kristina Grozeva, Petar Valchanov
D: Margita Gosheva, Ivan Barnev. 105 Min. DCP. OmeU
Nadezhda, eine junge Lehrerin mit hohen moralischen Ansprüchen, wird mit einem Diebstahl in ihrer Klasse konfrontiert, der sie empört. Kurz darauf wird sie selbst auf die Probe gestellt, denn sie ist hochverschuldet, und nun droht die Pfändung ihres Hauses. Nur drei Tage bleiben, um den Kredit zurückzuzahlen.
DeutschlandpremierDeutschlandpremiere
Zu Gast: Kristina Grozeva und Petar Valchanov
Samstag, 25. April, 16 Uhr
KOSAC Der Sensenmann
Kroatien/Slowenien 2014. R: Zvonimir Jurić
D: Ivo Gregurević, Mirjana Karanović. 98 Min. DCP. OmeU
Eine Frau läuft eine dunkle Landstraße entlang. Aus der Ferne nähern sich Lichter, die Scheinwerfer eines Traktors. Der Fahrer hält an und die Frau steigt ein. Was wie ein Horrorfilm beginnt, entwickelt sich zu einem subtilen Sozialdrama, das in einer einzigen Nacht in einer abgelegenen kroatischen Kleinstadt spielt. Drei ineinander verschachtelte Geschichten kreisen um die dunkle Vergangenheit des Traktorfahrers Ivo und decken die noch nicht verheilten, allgegenwärtigen Wunden des Kroatienkrieges auf.
Deutschlandpremiere
Zu Gast: Ankica Jurić Tilić (Produzentin) (angefragt)
Samstag, 25. April, 18 Uhr
ANGELY REVOLUTSII Engel der Revolution
Russland 2014. R: Aleksey Fedorchenko
D: Daria Ekamasova, Oleg Yagodin. 113 Min. DCP. OmeU
Während der Russischen Revolution war Polina Schneider die „Geheimwaffe“ der Bolschewiki. Jahre später wird sie wieder für einen Sonderauftrag auserkoren: Sie soll die Chanten und Nenzen im Nordwesten der jungen Sowjetunion zum Kommunismus bekehren. Gemeinsam mit vier ehemaligen Mitstreitern – allesamt Künstler der Avantgarde – macht sie sich auf den Weg nach Sibirien und versucht, die Lehre Lenins durchzusetzen.
Doch die Bevölkerung hält hartnäckig an ihren schamanischen Ritualen fest.
Deutschlandpremiere
Zu Gast: Aleksey Fedorchenko, Dmitry Vorobiev (Produzent)
Sonntag, 26. April, 18 Uhr
KEBAB I HOROSKOP Kebab & Horoskop
Polen 2014. R: Grzegorz Jaroszuk
D: Piotr Żurawski, Bartłomiej Topa. 72 Min. DCP. OmeU
Die Angestellten eine Teppichladens sollen auf ihren wirtschaftlichen Nutzen hin geprüft werden. Alle Verkäufer beweisen, dass sie zwar vollkommen unwirtschaftlich arbeiten, in ihrer Skurrilität jedoch unbedingt liebenswert sind: als Experten für verflossene Liebschaften, enttäuschte Sehnsüchte und existenzielle Einsamkeit. Warschauer Tristesse trifft auf Skurrilität à la Aki Kaurismäki.
Deutschlandpremiere
Zu Gast: Grzegorz Jaroszuk, Agnieszka Kurzydło (Produzentin)
Sonntag, 26. April, 20:15 Uhr
SPECIAL: goEast-Symposium (Artur Brauner)
AUF DAS LEBEN!
Deutschland 2014. R: Uwe Janson
D: Hannelore Elsner, Max Riemelt, Sharon Brauner. 90 Min. DCP
Hannelore Elsner spielt die jüdische ehemalige Cabaret-Sängerin Ruth, die trotz ihres Alters noch mitten im Leben steht. Traumata aus ihrer Kindheit im Dritten Reich verdrängt sie. Ihr Leben ändert sich schlagartig, als ihre Wohnung zwangsversteigert wird. Am Tag ihres Umzugs lernt sie den jungen, unheilbar kranken Möbelpacker Jonas kennen. Aus der zufälligen Begegnung der beiden entwickelt sich nach und nach eine enge Freundschaft. Der Wunsch, sich gegenseitig zu helfen, lässt die Schicksalsgemeinschaft auch vor ungewöhnlichen Maßnahmen nicht zurückschrecken.
Zu Gast: Alice Brauner und Hannelore Elsner
Montag, 27. April, 18 Uhr
NIČIJE DETE Niemandskind
Serbien/Kroatien 2014. R: Vuk Ršumović
D: Denis Murić, Pavle Čemerikić. 95 Min. DCP. OmeU
In einem Wald in Bosnien finden Jäger einen kleinen Jungen, der ohne Kontakt zur Zivilisation unter Wölfen aufgewachsen ist. Er wird in ein Kinderheim in Belgrad gebracht. Von den anderen Kindern verspottet und von den Betreuern aufgegeben, fasst er nur langsam Vertrauen zu den Menschen. Vuk Ršumović lässt sich in seinem hochgelobten Debütfilm viel Zeit, um diese auf einer wahren Begebenheit beruhende Geschichte einer „Menschwerdung“ vor dem Hintergrund der Jugoslawienkriege zu erzählen.
Getragen werden die ruhigen Einstellungen von Denis Murić, dessen ergreifende Darstellung des Wolfsjungen noch lange im Gedächtnis haften bleibt.
Deutschlandpremiere
Zu Gast: Vuk Ršumović, Miroslav Mogorović (Produzent)
Montag, 27.04.2015 20:30 Uhr
KREDITIS LIMITI Kreditlimit
Georgien/Frankreich/Deutschland 2014. R: Salomé Alexi
D: Nino Kasradze, Zanda Ioseliani. 85 Min. DCP. OmeU
Nino, eine elegante Mittvierzigerin in Tiflis, hatte eine behütete Kindheit in der Sowjetunion: Sie wuchs in einem großen Haus auf, verwöhnt von ihren wohlhabenden Eltern, beneidet von ihren Klassenkameraden. Doch seit dem Zusammenbruch der UdSSR bröckelt die schöne Fassade. Ihr kleiner Laden läuft nicht mehr, und die Lebenshaltungskosten steigen stetig. Unfähig, sich mit den neuen Anforderungen zu arrangieren, und unerfahren im Umgang mit Geld, nimmt sie einen hoch verzinsten Hypothekenkredit auf, der die Abwärtsspirale, in der sie sich befindet, noch beschleunigt.
Deutschlandpremiere
Zu Gast: Salomé Alexi, Nino Kasradze
Dienstag, 28. April, 20:30 Uhr
BELYE NOCHI POCHTALONA ALEKSEYA TRYAPITSYNA
Die weißen Nächte des Postboten
Russland 2014. R: Andrei Konchalovsky
D: Aleksey Tryapitsyn, Irina Ermolova. 110 Min. DCP. OmeU
Lyokha lebt in einer kleinen Siedlung am nordrussischen Kenozero-See, verdient seinen Lebensunterhalt als Postbote und versorgt die Dorfbewohner mit Brot, ihrer Rente und Wodka. Eine stille Liebe verbindet ihn mit einer ehemaligen Mitschülerin, die ihren kleinen Sohn alleine großzieht, sich aber nach einem besseren Leben in der Stadt sehnt. Als eines Tages sein Außenbordmotor gestohlen wird, ist das für Lyokha eine Katastrophe – wie soll er nun arbeiten? In poetischen Bildern zeigt Andrei Konchalovsky in seinem ausschließlich mit Laiendarstellern aus der Region gedrehten Film die Schönheit der Natur und die fragile Welt der „kleinen Leute“.
Deutschlandpremiere
Mittwoch, 29. April, 18 Uhr
KOZA
Slowakische Republik/Tschechische Republik 2015. R: Ivan Ostrochovský
D: Peter Baláž, Zvonko Lakčević. 75 Min. DCP. OmeU
Peter, genannt Koza („die Ziege“), hat seine größten sportlichen Erfolge als Boxer hinter sich. Einst Olympiateilnehmer für die Slowakei, kehrt er nun in den Ring zurück, um Geld zu verdienen, denn sein mageres Einkommen bei einem Schrotthändler reicht kaum zum Leben, geschweige denn für die Abtreibung, die seine Freundin Miša plant. Er tingelt im VW-Bus von Kampf zu Kampf. Auch wenn sein Körper den Strapazen nicht mehr gewachsen ist, will er nicht aufgeben. Der slowakische Ex-Boxer Peter Baláž spielt sich
selbst, einen Kämpfer voll Melancholie und innerer Stärke.
Mittwoch, 29. April, 20:30 Uhr
DE CE EU? Warum Ich?
Rumänien/Bulgarien/Ungarn 2015. R: Tudor Giurgiu
D: Emilian Oprea, Mihai Constantin. 130 Min. DCP. OmeU
Der junge, vor Idealismus strotzende Staatsanwalt Cristian bekommt unerwartet einen heiklen Fall zugeteilt: Ein älterer Kollege mit bedeutenden politischen Kontakten sieht sich mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert. Bei seinen Nachforschungen kommt Cristian einem komplexen Netz aus Intrigen, Erpressungen und Lügen auf die Spur. Als ihm der Fall schließlich entzogen wird und er auf eigene Faust weiter ermittelt, gerät er in Gefahr. Der auf wahren Begebenheiten beruhende Polit-Thriller liefert einen pessimistischen Kommentar zum Status Quo Rumäniens, wo Korruption und organisiertes Verbrechen bis in oberste politische Kreise hineinreichen.
INFO:
OBYWATEL
Freitag, 24. April, 18 Uhr
UROK
Freitag, 24. April, 20:30 Uhr
KOSAC
Samstag, 25. April, 16 Uhr
ANGELY REVOLUTSII
Samstag, 25. April, 18 Uhr
KEBAB I HOROSKOP
Sonntag, 26. April, 18 Uhr
AUF DAS LEBEN!
Sonntag, 26. April, 20:15 Uhr
NIČIJE DETE
Montag, 27. April, 18 Uhr
KREDITIS LIMITI
Montag, 27. April, 20:30 Uhr
BELYE NOCHI POCHTALONA
ALEKSEYA TRYAPITSYNA
Dienstag, 28. April, 20:30Uhr
KOZA
Mittwoch,29. April, 18:00 Uhr
DE CE EU?
Mittwoch,29. April, 20:30 Uhr