Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 23. April 2015, Teil 6

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Uns ärgert das gewaltig. Schauen Sie mal in die bundesdeutschen Zeitungen, wo dort der heute startende Film über HUBERT VON GOISERN Erwähnung findet. Wenn überhaupt, wird er als ferner liefen abgewertet und wie immer sind die Hollywoodblasen wie AVENGERS 2 - AGE OF ULTRON den Feuilletons unserer bildungsbürgerlichen Zeitungen die Seite 1 oder 2 wert.

 

Das nennt man dann gleichgeschaltete Kulturindustrie, was uns nicht irre macht, die wir das Glück hatten, mit Hubert von Goisern aufgewachsen zu sein. Nein, nicht in der Schule und auch nicht in Goisern am Hallstättersee, der so schön und einsam wie er ist, die ganzen ersten Bilder der Leinwand füllt und verläßlich der Spiegel bleibt, in dem sich Zeit und Person dann wirklich spiegeln. Aufgewachsen sind wir mit seinen Liedern, mit denen, die er übernommen hat und neu gemacht hat.

 

Sehr umgänglich ist er hier, der Hubert, wenn sich anfangs im Film, ohne daß die meisten Zuschauer das wüßten, unten am Hallstättersee eine der Schiffshütten öffnet und der aus dem zehn Kilometer seeabwärts liegenden Bad Goisern stammende Hubert auf den See hinausfährt zum Fischen, wie es seit jeher die Lust der Anliegerbuben war. Obwohl, verehrter Meister, die richtige Könnerschaft erweist sich beim Aufbringen von Forellen im gletschernden Gosaubach - mit den eigenen Händen.

 

Wenn dann einer der Hits ertönt: „Heast as nit wia die Zeit vergeht Huidiei jodleiri Huidiridi“ - solche Töne zwischen Jodeln und Bobby McFerrin bekommt nur der Hubert hin - „ Gestern nu' ham d'Leut ganz anders g'redt, Huidiei jodleiridldüeiouri, Die Jungen san alt wordn und die Altn san g'storbn - Duliei, Jodleiridldudieiouri Und gestern is' heit word'n und heit is' båld morg'n - Huidiei jodleiri huidiridi, dann kann man das Leben als eine Zeit des Werdens, des Seins und Vergehens nicht klarer beschreiben, mit der nötigen Wehmut, die dazugehört, denn damals als die Jungen jung waren, da wußten sie noch nicht, daß sie dereinst wirklich Alte werden, denn Jugend hält sich immer für unsterblich.

 

Das Vorübergehen des Lebens, der Zeit,  ist also das eine, der Hallstättersee als Stätte des Ewigen aber das andere. Man müßte über diese Koinzidenz, die aus lauter Widersprüchen besteht, eine Endlosgeschichte machen, wie geschickt der Filmemacher Marcus H. Rosenmüller hier Kultur und Natur verschränkt. Schließlich ist das Hallstatt der Eisenzeit noch nahe bei uns, aber das darüber gelagerte Salzbergwerk führt in die Urgeschichte zurück und rührt sie kräftig um, wovon auch der in der Mitte 500 Meter tiefe Hallstättersee erzählen könnte. Wir lauschen stattdessen der Stimme des Hubert oder seines Erzählers, denn die Stimme führt uns tatsächlich in die Jugend des Musikers, als er sich noch unmusikalisch wähnte.

 

Wer die Gegend kennt und weiß, daß der See das eine, die anliegenden weit an die Berge angeschmiegten vereinzelten Häuser das andere sind, dem geht das Herz auf, weil hier wiederum auf eine Weise das Früher und Heute verschmolzen ist und wir Dinge erfahren, die uns neu sind. Nicht nur, was den Goiserer angeht. Der Ort, nach dem sich der Hubert, der mit anderem Namen geboren wurde, als Künstler nennt, hat es sowieso in sich. Wer hat schon in der Nachkriegszeit einen kommunistischen Bürgermeister in Österreich, noch dazu in einer Gegend, wo die Braunen dicke taten, wo man noch in den Fünfzigern freudestrahlend als 'Reichsdeutsche' begrüßt wurde, weil diese evangelische Enklave im katholischen Österreich auch damals noch dem Führer nachweinte.

 

Da paßt dann schon besser die andere Seite der kommunistischen Medaille, ist Goisern doch der Geburtsort eines gewissen Haider, Jörg. Inzwischen tot und sozusagen an sich selbst gestorben. Von Haider spricht man in Goisern so wenig gerne wie von der Nachkriegszeit. Aber auf Hubert von Goisern können sich alle einigen. Der stellt in seiner Heimat, überhaupt in Österreich, aber vor allem in dem Zipfel von Oberösterreich, da wo der Hallstättersee nach dem Sarstein ins Steirische übergeht, die Traun entlang über Bad Ischl hinaus dann ins Salzburgische,  eine Integrationsfigur sondergleichen dar. Einen solchen Sänger, einen solchen Barden, einen solchen Musiker gibt es in Deutschland einfach nicht, einer, der mit dem Volk und echter Volksmusik verbunden bleibt und gleichzeitig ein Weltmusiker ist.

 

Wir vermuten mal, daß sich die Deutschen damit schwer tun, vor allem die im nördlichen Teil des Landes, der ausnahmsweise hier schon in Frankfurt anfängt. Aber, wenn man von unserer Begeisterung über den Goiserer mal absieht, kann man aus dem Film, der ein kulturgeschichtliches Werk ist, weil er die Person des Musikers in die Zeit eingebettet darstellt und damit 25 Jahre Musik und Leben Revue passieren läßt, sehr viel lernen. Eben auch, wie sehr ein Künstler auf jemanden angewiesen ist, der ihn 'vermarktet', wie es - sein inzwischen Freund und Kumpel -  Hage Hein tut, der den Film auch mitproduziert hat und sehr wichtige Sätze im Film über seinen allürelosen Star sagt. Geschickt sind im Film die Interviewszenen Dritter mit dem Sprechen des Hubert oder seinen hörbaren Gedanken vermengt und mit ihm erleben wir diese 25 Jahre des Seins in der Öffentlichkeit.

 

Wenn es im Presseheft heißt, Hubert von Goisern sei sein eigener roter Faden, menschlich und musikalisch, läßt sich dazu nur mit dem Kopf nicken. Denn was der alles zusammenbringt, vom ersten großen Hit, dem Koa Hiatamadl – da geht es um die gesellschaftsumwälzende Tatsachenbehauptung, daß man- das ist hier: Mann - kein Hirten (Hüte-)mädchen will, sondern eine aus der Stadt, weil die so fesche Waden haben, wo doch jeder weiß, daß es umgekehrt ist und die Landpomeranzen dicke Waden haben und die aus der Stadt Hühnerbeine – bis zur neuen Platte, die am 9. Mai erscheint, das ist der gesamte Kosmos der Musik.

 

Der Gesamtkosmos des Hubert von Goisern wurde früher als gegensätzlich bezeichnet und er zwischen allen Stühlen sitzend. Der Film zeigt sehr deutlich, daß in einem Musikerherzen aus Goisern, einem Hirn und einem Gemüt von dort, das, was die Welt Antinomien nennt, nicht gilt, weil sein Credo – wie schon sein Album von 2011 sagt ENTWEDERundODER – so gar nichts Ausschließliches hat und zwar nicht aufgrund eines schwammigen Seins und Musizierens, sondern aufgrund eines so weiten Herzens, wie es ein Volks-und Weltmusiker einfach hat, der im Heimatdialekt zu Hause spricht und international mit der Welt. Das Sein bedingt das Bewußtsein.

 

Mit den Begriffen wie Alpenrock können wir nicht so richtig etwas anfangen. Wir nennen das alles Hubert von Goisern, der auch gesungen hat:

goisern, goisern
es is a graus
allweil wieder muaß i z'ruck zu dir
sonst halt i's nimmer aus
na sonst halt i's nimmer aus.


 

Foto:

Wir wollten nach Helge Schneider auch Hubert von Goisern in der Badewanne zeigen, auch wenn es ein Kahn wäre. Hinter ihm der Hallstättersee.