Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 21. Mai 2015, Teil 4

 

Kirsten Liese

 

Berlin(Weltexpresso) – Anläßlich des Filmstarts „Dora und die sexuellen Neurosen unserer Eltern“ am 21. Mai führte unsere Kollegin ein Interview mit Lars Eidinger,der den Peter gibt, der in der Kritik von Hanswerner Kruse in Teil 3 als gewalttätig, rotzig und böse beschrieben wird, der gleichwohl dann seiner Geliebten sinnlich verfällt.

 

Herr Eidinger, wie würden Sie Ihre Filmfigur beschreiben?

 

Eidinger: Es würde meinen Beruf total reduzieren, wenn ich mich da festlegen würde. Es gibt einen tollen Satz im Hamlet: Einen Menschen wirklich zu kennen, hieße, sich selbst zu kennen. Was ich privat für ein Typ bin, kann ich nicht sagen, meine Hoffnung ist natürlich, dass wir alle komplex und vielseitig sind. Und so versuche ich auch meine Figuren anzulegen.

 

 

Was hat Sie an der Rolle interessiert?

 

Eidinger: Wenn man das Drehbuch anfängt zu lesen, denkt man erst mal, das ist ein Schwein, und dann fängt man aber an, sich mehr für diesen Mann zu interessieren. Der sagt Sätze wie „ich fick deine Tochter und das war’s“ zu den Eltern. Natürlich ist das provokant, aber das hat eine gewisse Ehrlichkeit, und es deckt sich mit einer Sehnsucht, die ich auch teile: eine Triebhaftigkeit, die wir uns alle verbieten. Sie kollidiert nun hier mit dem Konflikt, dass die Eltern des Mädchens nicht in der Lage sind, ihrem Kind eine Sexualität einzugestehen, weil es geistig zurückgeblieben ist, und es behandeln wie ein zehnjähriges Mädchen. Dora ist aber körperlich geschlechtsreif, und Peter, der dann in ihr Leben tritt, gibt ihr plötzlich das Gefühl, ein vollwertiger Mensch zu sein. Auf einer körperlichen Ebene finden sich also die Beiden und merken, dass es sowohl ihr als auch ihm Lust verschafft und stellen auch gar nicht infrage, ob das richtig oder falsch ist. Diese anarchische Seite an Peter finde ich faszinierend.

 

 

Sexualität wird ja ansonsten im Kino auch immer anders dargestellt:

 

Wir tun alle wesentlich befreiter als wir tatsächlich sind, das merke ich an mir genauso wie an allen andern, wenn ich im Kino sitze und Menschen sehe, die keinem Schönheitsideal entsprechen. Ich habe dann schon Schwierigkeiten, die mir beim Sex anzugucken, weil meine Sehgewohnheiten anders geprägt sind. Wenn man z.B. am Flughafen den Check In passiert, kommt man durch die Parfümerieabteilung, da strahlt einem dann von der Werbung ein Model nach dem Andern an, und dann sitzt man fünf Minuten später am Gate, guckt sich die Leute an, und keiner dieser Menschen, also 99,9 Prozent der Passagiere, entsprechen diesem Ideal. Da wird also eine Sehnsucht geweckt, die nicht zu befriedigen ist. Das macht die Menschen natürlich dauerhaft unglücklich, aber darüber funktioniert nun mal eine kapitalistische, konsumorientierte Gesellschaft, die Menschen erst mal unglücklich zu machen, um Sehnsüchte oder Bedürfnisse zu schaffen.

 

 

Wie geht es Ihnen, wenn Sie sich selbst im Film in dieser Rolle sehen?

 

Es gibt viele Stellen, die ich als sehr unbehaglich erlebe, wo ich mich fast schäme beim Zugucken und das auch nicht sehen will. Das fängt schon an, wenn die Mutter ihrem Mann, dem Vater, einen runter holt. Das entspricht auch nicht unseren Sehgewohnheiten. In der Regel wird die Potenz des Mannes über die Erregtheit der Frau erzählt, und die ist dann auch völlig high, übertrieben und losgelöst.

Und wenn man ein behindertes Mädchen sieht, das mit einem als Gewalttäter eingeführten Mann Sex hat, kommen viele Sachen zusammen, die es einem fast unerträglich machen, sich das anzuschauen. Das ist beim Machen kurioserweise viel einfacher als beim Angucken.

 

 

Wäre der Dreh noch schwieriger gewesen, wenn Ihre Partnerin in Wirklichkeit ein geistig behindertes Mädchen gewesen wäre?

 

Das kann ich schwer beurteilen. Ich finde in dem Film den direkten Vergleich unserer Hauptdarstellerin mit echten Behinderten schwierig. Obwohl man das nicht besser machen kann, als Victoria Schulz das spielt, drängt sich mir schon die Frage auf, hätte man nicht eine echte Behinderte für die Titelrolle besetzen sollen. Aber unsere Geschichte ist eben auch Fiktion, da muss eine gewisse künstlerische Freiheit herrschen dürfen. Ich finde es auf der anderen Seite schwierig mit Kindern zu drehen, und wenn es um Pädophilie geht, find' ich das eine absolute Zumutung. Ich fände es dann besser, wenn Erwachsene die Kinder spielen oder Puppen.