FIFTY SHADES OF GREY, Teil 2: Der Film GEHEIMES VERLANGEN von Sam Taylor-Wood-Johnson, neu als DVD ab 18. Juni

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Eigentlich bin ich die ideale Zuschauerin für die heute veröffentlichte DVD und Blu-ray des ersten Films des ersten Teils GEHEIMES VERLANGEN der Romantrilogie der britischen Autorin E.J. James FIFTY SHADES OF GREY: ich habe weder die Bücher gelesen, noch den Film im Kino angeschaut. Also ohne Vorurteile.

 

Nein, nicht ganz. Denn wegen dieses öffentlichen Rummels und der so gezielt unter der Gürtellinie angesetzten Werbestrategie von Buch und dann Film, habe ich mich dem bewußt entzogen. Mit mir nicht. Doch für andere war das gerade recht. Denn die Bücher wurden in vielen Sprachen über 100 Millionen Mal verkauft, wobei allein in Deutschland die im Goldmann Verlag erschienene Auflage 5,7 Millionen beträgt. Der Film TEIL 1 kam im Februar ins Kino und zog allein in Deutschland 4,4 Millionen Zuschauer an. Weltweit soll der Film an die 570 Millionen US-Dollar eingespielt haben. Natürlich geht es ums Geschäft. Aber Geschäfte kann nur machen, wenn man beim Käufer einen Nerv trifft oder etwas Grundsätzliches zu sagen hat.

 

Darum schaute ich mir nun den ersten Teil von FIFTY SHADES OF GREY auf DVD an. Eigentlich auch wegen der Regisseurin Sam Taylor Wood, die ich gewohnheitsmäßig mit ihrem in der Kunstwelt schon vor Jahrzehnten hoch angesehenen Namen – auch bei mir, ich verdanke ihr viele tiefe Kunsterlebnisse - bezeichne, auch wenn sie heute in zweiter Ehe Sam Taylor-Johnson heißt. Flapsig, aber auch an der Schamgrenze entlang, könnte man nun sagen, die neue Ehe hat ihr nicht gut getan. Denn 'künstlerisch' ist an dieser Verfilmung wenig. Sie atmet allein ästhetisch die Werbewelt von Geld, Luxus in riesenhaften Wohnungen, flottem Leben mit Champagner, Hubschrauber und schnellen Autos ein und aus. Aber das sind ja nur die äußeren Dinge, ein Lebensstil, der für die Welt erstrebenswert sein soll, der unseren Helden Christian Grey – Jamie Dornan - jedoch nicht glücklich macht. Er braucht sein Spielzimmer.

 

Spätestens als dieser Satz vom SPIELZIMMER fiel, in das Anastasia 'Ana' Steele – Dakota Johnson – hineingehen kann, aber auch hinaus: „Du kannst immer gehen“, fiel bei mir der Groschen, daß es beim gesamten Unternehmen eigentlich um einen späten Jugendroman geht, der die Schwelle zum richtigen Erwachsenwerden thematisiert. Den Punkt nämlich, wo jemand auf eigene Verantwortung lebt und in sich die Wertmaßstäbe seines Lebens entdeckt und entdecken muß, also das Sich Abgrenzen lernen muß und lernen kann. Und das ist schon die wohlwollendste denkbare Interpretation.

 

Aber fangen wir von vorne an. Das Sujet kommt einem bekannt vor. Eine junge hübsche Literaturstudentin trifft auf einen reichen arroganten Schnösel, eigentlich soll sie ihn in einem Interview befragen, aber es kommt, wie es bei diesem Herrn Dominant immer kommt: er befragt sie, denn schnell hat ihn ihre schöne Gestalt und ihr unschuldiges Wesen eingefangen. Das nimmt erst mal durch seine zielstrebige Art seinen Gang, er lernt sie kennen, sie besucht ihn und sie machen sich gegenseitig an, bis man aufschreckt, als er sagt: „Ich schlafe nie mit jemandem. Ich ficke.“ Nachher präzisiert er: „Ich ficke hart.“ Das ist urkomisch. Und als dann noch das SPIELZIMMER kommt und er die Tür öffnet und sich wie im Mittelalter ein Verlies mit allen möglichen fein sortierten Quälwerkzeugen zeigt, da hindern einen nur die klugen Fragen der Anastasia, daß man nicht weiterlacht. „Machen Frauen das mit Dir?“, will sie wissen und als er antwortet: „Nein, ich mit den Frauen.“, kommt folgerichtig: „Bist Du ein Sadist?“ und selbstbewußt: „Was habe ich von allem?“ Doch dann antwortet er. „Mich“ und der kurze verbale Höhenflug ist vorbei.

 

Und ein anderer kommt nicht. Wir verfolgen jetzt die ziemlich aufgesetzte Vertragsverhandlung, wo nämlich Christian – die Aussprache der jeweiligen Namen KRISCHTIJÄN wie auch ÄNÄSCHTÄSIÄ in diesem Film auf Deutsch ist oberalbern – auf Rat seines Anwalts ihr schriftliches Einverständnis einholen will, das sie zur unterlegenen SUB und ihn zum alles beherrschenden DOM macht. Und hier kann man, wenn man das Milieu wenig und vor allem nur aus der Literatur kennt, einiges über das BDSM-System – so sagt man heute wissenschaftlich auf Englisch, was man früher als Sadomasochismus, SM oder Sado-Maso bezeichnete - lernen, was vom DOM als Spiel bezeichnet wird. Eben in seinem Spielzimmer.

 

Doch auch das stimmt nicht. Dieser Christian ist, daran läßt auch der Film keinen Zweifel, ein unglücklicher, in sich tief zerstrittener Mensch, der immer Dominanz ausüben muß, also nichts mit Spiel im SPIELZIMMER. Man merkt in jeder Einstellung, bei diesem Typ stimmt etwas nicht. Das allerdings, da muß man der Autorin recht geben, interessiert eine Frau eher, als ein glücklicher Durchschnittsmann. Als er dann zu seiner Verblüffung merkt, daß Ana noch Jungfrau ist, läßt er sich herab, sein gefallenes Versprechen „Ich schlafe nie mit jemandem“ zu brechen und äußert wortwörtlich: „Wir werden die Situation bereinigen“ und entjungfert sie auf eine Weise, daß keine bleibenden Schäden zurückbleiben. Danach spielt er Klavier.

 

Spätestens hier, allerspätestens hier, wird es peinlich und man kann enttäuscht nur „Kitsch“ vor sich hinmurmeln. Ich weiß auch nicht, woher diese Abwehr kommt, aber, wenn man in jeder Einstellung auf einmal merkt, aus welchen Gründen die Regisseurin oder zuvor schon die Schriftstellerin auf die Tränendrüse drückt, sprich die Gefühlsskala manipuliert, dann stellt sich das Gegenteil bei mir ein: Distanz und Unglauben.

 

Bei Ana dagegen wirkt das Klavierspiel erst einmal, sie beginnt sich auf seine Sex'spiele' einzulassen, läßt sich mit seiner feinseidenen Krawatte die erhobenen Hände fesseln – er: „Braves Mädchen!“ - und alles geht seinen Fesselungs- und Auspeitschgang. Wenn dann der Zuschauer noch auf die Abhängigkeit von Leben und sexuellen Praktiken derart wie hier gestoßen wird: er hat beruflich Ärger und legt jetzt mit mehr Gewalt gegenüber Ana los, möchte man fast diese BDSM gegen Mißbrauch in diesem Film verteidigen. Alles, was wir wissen, ist, daß sich die Sexualwissenschaftler, aber auch die praktizierenden BDSM gegen die Darstellung in Buch und Film wehren, weil ihr Prinzip die Freiwilligkeit sei, hier aber eindeutig der Zwang vorherrscht. Insgesamt kommt einem das im Film wie die Verkleinbürgerlichung von Sado-Maso vor.

 

Auf jeden Fall ist Ana in ihre Gefühlen verstrickt, sich einerseits in diesen Christian verliebt zu haben, andererseits im Gequältwerden keinen Genuß zu empfinden. Darum finden wir den Schluß des Films für eine junge Frau sehr einsichtig. Erst erlaubt sie ihm, „die schlimmste“ seiner Strafen an ihr zu praktizieren – es sind sechs feste Schläge mit der Rute auf ihren Hintern, wobei das zusätzlich Sadistische daran ist, daß sie laut mitzählen muß - und dann verläßt sie ihn.

 

Richtig so. Aber wir sind erst am Ende des ersten Films nach dem ersten Band der Trilogie. Es wird also weitergehen. Aber wie wir hörten mit einer neuen Regisseurin. Denn zwischen der Autorin und der Filmemacherin habe es Zwist gegeben. Mehr wissen wir nicht. Die Autorin kennen wir nicht. Aber Sam Taylor Wood hatte einen Ruf zu verlieren. Eine solche kalte glatte Inszenierung mit soviel Kitschpotential – denn die Gefühle und Erwartungen an das Leben und die Liebe der Anastasia sind ja die von jedem jungen Mädchen - nehmen wir der von uns einst so bewunderten Künstlerin übel.

 

Info:

FIFTY SHADES OF GREY – Geheimes Verlangen, Unveröffentlichte Filmversion und Original-Kinofassung, Universal ab 18. Juni

Unsere Rezension bezieht sich auf die Original-Kinofassung