FILM und GAMES. Ein Wechselspiel. Ausstellung im Deutschen Filmmuseum Frankfurt vom 1. Juli 2015 bis 31. Januar 2016), Teil 2

 

Romana Reich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Sollte er wirklich schon fertig sein, der Katalog, den das Deutsche Filmmuseum jetzt schon ankündigt? Man kennt sonst aus dem Museumsgewerbe, daß er in letzter Sekunde, manchmal sogar lange nach Ausstellungseröffnung fertig wird. Das Frankfurter Filmmuseum ist allerdings auch in anderen Belangen besonders fit.

 

Der Katalog

Film und Games. Ein Wechselspiel

 

erscheint mit 256 Seiten und 281 Fotos mit Beiträgen von Film-, Kultur-, Kunst- und Medienwissenschaftlern und zahlreichen Interviews mit Regisseuren wie Paul W. S. Anderson und Uwe Boll sowie Spiele-Entwicklern wie Ron Gilbert, Jörg Friedrich, Jordan Mechner, Jan Klose und Dennis Schwarz in deutscher und englischer Ausgabe im Verlag Bertz + Fischer.

 

Kreative Menschen, die sich hinsetzen und geistiges Eigentum kreieren, das beide Welten umspannt, die des Films und die des Videospiels (...) – das ist die Zukunft“. Der Regisseur Paul W. S. Anderson (RESIDENT EVIL, DE, GB, FR 2002) bringt es auf den Punkt: Es ist überfällig, die Beziehungen zwischen Film und Videospielen in den Blick zu nehmen. Genau das macht das Deutsche Filmmuseum in seiner Ausstellung Film und Games. Ein Wechselspiel (1. Juli 2015 bis 31. Januar 2016). Die beiden Medien des bewegten Bildes haben mehr gemeinsam, als der flüchtige Betrachter vermuten mag, postuliert Direktorin Claudia Dillmann im Vorwort des Katalogs zur Ausstellung: „Beide erzeugen Spannung und emotionale Ansprache über Figuren, Handlungsräume, Dramaturgien, Farben, Formen, Perspektiven, Bewegungsabläufe und kombinieren sie mit Soundeffekten und Musik.“ Beiden Medien sei darüber hinaus gemeinsam, dass sie zu Beginn ihrer Geschichte Anfeindungen, Verachtung und kulturpessimistischen Verdikten

ausgesetzt waren, so Dillmann.

 

Da ist es nur folgerichtig, dass die Medienwissenschaftlerin Britta Neitzel im ersten Kapitel zunächst zurückblickt und die „Begegnung von Film und Games um 1900“ unter die Lupe nimmt. Denn auch das Kino, daran erinnert Neitzel, sei in seinen Anfängen eine Art Spiel gewesen. Es entstand am Ende eines Jahrhunderts, das infolge der Industrialisierung von gewaltigen gesellschaftlichen Veränderungen geprägt war, unter anderem der „Erfindung der Freizeit“. Die Vorläufer des Kinos, die vielen verschiedenen „Maschinen“ von Muybridge, Anschütz oder Edison, mit denen bewegte Bilder erzeugt werden konnten, wurden auf Jahrmärkten der schnell wachsenden Städte aufgestellt, um die Menschen zu amüsieren. Schon daran, so Neitzel, „lässt sich ablesen, dass Spiel, Spielautomaten und Kino keine streng getrennten Medien waren, sondern zum Komplex neuer mechanischer Unterhaltung gehörten.“

 

Aus verschiedenen Blickwinkeln untersucht der 256 Seiten starke Katalog, wie Filme und Games sich aufeinander beziehen, was sie gemeinsam haben, was sie unterscheidet. Der Sog der bewegten Bilder habe im Lauf der vergangenen 120 Jahre bei vielen Kinogängern immer wieder den Wunsch ausgelöst, „selbst in die imaginäre Welt des Films einzutauchen“, stellt etwa der Filmwissenschaftler Marcus Stiglegger in seinem Beitrag fest. Mit der neueren Spielegeneration, ermöglicht durch die Erweiterung der technischen Kapazitäten, war der Wunsch erfüllt, „das Geschehen nach eigenen Vorstellungen und Fähigkeiten zu beeinflussen(…).“

 

Welche neuen gestalterischen Möglichkeiten sich für Komponisten bei der musikalischen Untermalung von Spielen ergeben, macht der Medien- und Musikwissenschaftler Peter Moormann deutlich: Die Musik könne in Games eben nicht linear und fixiert sein, sondern müsse deskriptive Qualitäten entfalten, flexibel und anpassungsfähig sein. Kunsthistoriker Marc Bonner betont die Herausforderung, die sich in der Gestaltung von Spielen für die Designer dadurch ergeben, „dass im filmischen Raumbild Architektur mittels einer fixierten choreographierten Kamerabewegung erfahren wird, während in der interaktiven Simulation eines Computerspiels die Spieler (…) selbst im spielimmanenten Raumbild navigieren“. Und das bis zu 30 Stunden lang.

 

Andreas Rauscher, Kurator der Ausstellung und Medienwissenschaftler, macht in seinem Beitrag „Lost in Adaptation“ deutlich, dass Adaptionen nicht bloß fade Wellenreiter sein müssen, sondern ihre ganz eigenen Vorzüge haben: Die Cutscenes, die filmischen Einschübe in Spielen, gäben den Geist einer Filmvorlage eben nicht unbedingt am besten wieder. Rauscher nennt als Beispiel etwa das Game Indiana Jones and the Last Crusade (1989), in dem den Spielern die Wahl bleibe, „ob sie sich mit einem Faustkampf oder raffiniertem Wortwitz aus einer gefährlichen Situation befreien“. Der Reiz, so Rauscher, „besteht sowohl im Wiedererkennen der filmischen Szenarien als auch im verspielten Abweichen von deren bekanntem Verlauf“.

 

In zahlreichen Interviews kommen im Katalog Spiele-Entwickler, Regisseure und Games-Produzenten zu Wort und tragen so zu diesem zwischen zwei Buchdeckel gepackten umfangreichen Dialog zwischen Theorie und Praxis bei. Dieser bietet anregende Erkenntnisse wie Jordan Mechners Vergleich des Zeiterlebens eines Spielers mit dem beim „Lesen eines Buches.(…) Im Film wird der Rhythmus durch die Bearbeitung festgelegt. Im Spiel hingegen entscheidet häufig der Spieler, wohin er seine Aufmerksamkeit richten möchte und wann es Zeit ist, weiterzugehen.“

 

 

Info:

 

Der Katalog

Film und Games. Ein Wechselspiel

Deutsches Filminstitut / Deutsches

Filmmuseum (Hg.) Eva Lenhardt / Andreas Rauscher (Red.), Bertz + Fischer Verlag 2015

256 Seiten, 281 Fotos, vierfarbig

Hardcover, 21 x 28 cm ISBN-13: 978-3865052414 34,90 Euro