Filme in deutschen Kinos vom 9. Juli 2015, Teil 1

 

Hanswerner Kruse

 

Berlin (Weltexpresso) – Der Regisseur Jochen Alexander Freydank hat nach Franz Kafkas Erzählung „Der Bau“ einen Spielfilm mit Axel Prahl gemacht, der nächsten Donnerstag in die Kinos kommt. Weil unser Mitarbeiter auch ein Gespräch mit Axel Prahl führen konnte, brachten wir beide Teile schon vor einer Woche und wiederholen sie heute. Die Redaktion

 

 

KAFKAS DER BAU

 

Der letzte „Tatort“ aus Münster mit Axel Prahl als Kommissar Thiel hatte 13 Millionen Zuschauer, die absolute Traumquote für das erste deutsche Fernsehen. Solch ein Zuschauermagnet wird der neue Kino-Film, „Kafkas Der Bau“, mit dem beliebten Schauspieler sicherlich nicht werden. Wahrscheinlich wird er nicht einmal irgendwo in Osthessen laufen.

 

Dem Film liegt die gut neunzig Jahre alte, unvollendete Erzählung Kafkas „Der Bau“ zugrunde. Sie ist der Monolog eines Wesens, das sich tief unter der Erde einen weitverzweigten Zufluchtsort schafft, aber auch darin keinen Schutz findet. Denn sein Sicherheitsbedürfnis treibt es zu immer absurderen Handlungen und in noch größere Unsicherheit. Der Schluss ist offen.

 

Der Regisseur und Kafka-Liebhaber Freydank erlaubt sich eine sehr freie Umsetzung des Textes und zeigt die „Verwandlung“ des Angestellten Franz (Axel Prahl). Der sorgenvolle Familienvater kauft eine Wohnung in einem riesigen Bau, baut ständig neue Sicherungen oder Schlösser ein - und schottet sich so immer stärker von der Welt ab. Jedoch den vermeintlichen Bedrohungen durch Menschen, die ihm alles nehmen wollen, kann er nicht entfliehen. Während der einst prächtige Bau mehr und mehr verfällt, Obdachlose und Diebe von ihm Besitz ergreifen, handelt Franz immer verzweifelter. Schließlich wird er genauso skrupellos und brutal, wie die Menschen die ihn scheinbar bedrohen.

 

Das alles wird nicht stringent erzählt, sondern mit streiflichtartigen Spots, welche die immer stärkere Veränderung und Verwahrlosung des Franz’ zeigen. In seine Videokamera oder aus dem Off monologisiert er viele Sätze Kafkas - nicht unbedingt in der Reihenfolge aus der Erzählung. Zwischendurch redet er in alltäglicher Sprache, lange Schweigephasen werden von düsterer Musik untermalt. Manchmal erwartet man, dass gleich die Polizei kommt, um Franz in die Psychiatrie zu stecken - der Film ist letztlich auch ein Psychothriller.

 

Doch anders als sogar manche Literaturwissenschaftler, die zum „Der Bau“ gerne von Zwangsneurose und Paranoia schwadronieren, geriert sich der Regisseur nicht als Psychiater. Für ihn ist Kafkas Erzählung kein Diagnosematerial oder Krankenbericht sondern eine literarische Vorlage. Für seine düstere Parabel hatte der Autor, wenige Jahre nach dem Grauen des 1. Weltkriegs, schließlich reichlich Gründe.

 

Der Film konkretisiert deutlich Kafkas Metaphern - beim Sehen denkt man an die Gräueltaten in Nord-Afrika, die ertrinkenden Flüchtlinge im Mittelmeer, gegen die keine Abschottung hilft und die Aufmärsche der Pegida („Asylwahn stoppen“): Europa kann trotz aller Bemühungen nicht zur sicheren Festung werden. Den Franz empfände er als relativ normal, meinte der Regisseur zu unserer Zeitung, nur ginge er mit seinem Sicherheitsbedürfnis eben ein bisschen zu weit. „Es ist ein Film über unsere Zeit - und die ist durchgeknallt genug!“ Vor allem wollte er einen modernen Film machen, weil er Kafka sehr zeitgemäß findet: „Darum kommt auch das alte Prag mit seinen Gassen und Winkeln nicht vor.“

 

Info:

Kafkas der Bau“, D 2014, 110 Minuten, Filmstart 9. Juli

Regie Jochen Alexander Freydank mit Axel Prahl,
Kristina Klebe,
Josef Hader,
Devid Striesow und anderen

 

FOTO:
Franz kontrolliert den Eingang seines Baus: „Der Bau schützt vielleicht mehr, als ich jemals gedacht habe ....” (aus Franz Kafka „Der Bau”) © Neue Visionen Filmverleih