Lida Bach

 

„Warum so eilig?“, ruft eine Kollegin zu einer anderen, als Fayza (Bushra) nach Büroschluss pünktlich nach Hause gehen wollen. „Du hast weder Mann noch Kind.“ Die muslimische Angestellte hingegen hat beides: ihren Mann Adel (Basem El Samra) und zwei Kinder, für deren Privatschule die abgekämpfte Mutter das Geld nicht mehr aufbringen kann.“Weil du unser Erspartes für Taxifahrten ausgibst!“, schimpft Adel, der ihr schon ihre sexuelle Zurückweisung zum Vorwurf macht.

 

Fayza ekelt sich vor Berührungen, doch nicht wegen ihm. Sie nimmt das Taxi, doch nicht aus Bequemlichkeit. Sie ist in Eile, doch nicht wegen der Kinder und selbst wenn sie nirgendwo hin muss, erinnert ihre Gehetztes an die eines in die Enge getrieben Tieres. Nichts anderes ist sie für die Männer im Bus und auf der Straße, die Frauen als Freiwild betrachten. Seine Thematik greift der differenzierte Gesellschaftseinblick, mit dem Mohamed Diab nach einer Reihe von Action-Erfolgen im ernsthaften Genre debütiert, aus dem Leben. Im Heimatland des ägyptischen Regisseurs zählt es zum Alltag der Frauen bedrängt, angepöbelt und begrapscht zu werden.

„Um sich zu verteidigen braucht man keine Waffe.“, erklärt die Selbstverteidigungslehrerin Seba (Nelly Karim), die selbst Opfer eines Massenübergriffs wurde. „Man muss entschlossen sein.“ Das ist die junge Stand-up-Comedian Nelly (Nahed El Sebai), die als erste wagt, den Schritt in die Öffentlichkeit zu gehen und eine Anzeige wegen sexueller Belästigung zu erstatten, und die zwischen Konservativer Doktrin und Leidensdruck zerrissene Fayza – zu allem. Statt zu rechtlichen Mitteln greift sie zur Nagelfeile, zur Kleidernadel und schließlich zum Messer, bis aus ihrem Mund die Worte kommen, mit denen die männlichen Täter ihr Opfer aburteilen: „Sie haben es verdient.“

Sind alle Frauen verrückt, wie es ein Radiosong in einem der beiläufigen Verweise auf den allgegenwärtigen Sexismus in der arabischen Gesellschaft behauptet? Dann bliebe die einzige Hoffnung die der zornigen Seba und ihrer von Familie und Partnern verunsicherten Mitstreiterinnen: das der Wahnsinn nie ein Ende finde. Eine Verbesserung der sozialen oder rechtlichen Situation für Frauen, wie sie gegen Ende des ungeschönten Kritikfilms, den die intensiven Darstellerinnen über den Mangel an dramaturgischem Feinschliff hinausheben, scheint, enthüllt die Texttafeln vor dem Abspann als Idealismus.

Wie weit der Weg in die Liberalität ist, den das Land nach der Revolution noch vor sich hat, zweigt eine verbitterte Bemerkung Sebas: „Nichts hat sich geändert. Alles ist wie früher.“

Oneline: Ungeschminktes Drama, das Hand an ein vertuschtes Thema legt.