Lida Bach

 

„Du hast einfach etwas an dir, dass so lästig ist.“ Die Worte der bösen Königin (Julia Roberts) gelten nicht nur für den Hofdiener Brighton (Nathan Lane), der in einer deplatzierten Referenz an Franz Kafka in eine Küchenschabe verzaubert wird. Etwas Lästiges hat auch Tarsem Sings Variation von „Schneewittchen“, welche als erste von zwei diesjährigen Filmadaptionen des Grimmschen Märchens in die Kinos kommt, und die Verwandlung, die der indische Regisseur dem Originalstoff aufzwingt, ist ähnlich nachteilig.

 

„Ich habe mir poetische Freiheiten erlaubt.“, verkündet einer der Zwerge, die zu Witzfiguren degradiert werden, während Roberts als eitle Herrscherin in austauschbaren Goldgewändern mit austauschbaren Gesichtsausdrücken durch die steifen Schlosskulissen rauscht. Dort ersinnt sie den Niedergang ihrer Stieftochter, die im Wald von Brighton mangels eines Jägers ermordet werden soll. Schnee, wie die ursprüngliche Titelfigur von den Protagonisten genannt wird, muss tun „...was Schnee am besten tut: Schnee muss fallen.“ Schnee fällt in einem enervierenden Kunstschnee-Nieselregen, der die Stilübung in Hofschranzentum mit einer weißen Pulverschicht überzuckert, die so synthetische wirkt wie die aufgesetzten Emotionen der manirierten Märchenverballhornung.

 

Titelgestalt ist nicht mehr Schneewittchen (Lily Tomlin), die sie von der anmutigen femme fragile des Märchens zur dümmlichen Moralpredigerin wandelt. „Jemand sollte diesen Kinder eine Lektion erteilen!“, proklamiert der Prinz (Armie Hammer), der entsprechend seines arroganten Gebarens nicht mehr Charming, sondern Andrew Alcott heißt, brüsk die verkappte Intention des Regisseurs. Eine Modernisierung des Zeitlosen und eine Emanzipierung des Symbolischen behauptet Singh mit seiner psychologischen und motivischen Verstümmelung des Grimms Märchens zu liefern und schafft dabei eine visuell und inhaltlich gleichermaßen reaktionär-verstaubte Filmeitelkeit.

 

„Schneewittchen ist tot“, verbreitet ein öffentlicher Aushang in der filmischen Kunstwelt und bestätigt damit unfreiwillig das Fantasielose und Gefühlstote „Der wirklich wahren Geschichte von Schneewittchen“. Letztes ist der hiesige Untertitel von „Spieglein, Spieglein“, dessen Ungelenkes die krude Diskontinuität des Drehbuchs spiegelt. Dass ausgerechnet der Regisseur der malerischen „The Cell“ und „The Fall“ die biedere Familienunterhaltung schafft, macht das blasierte Kinoungetüm umso trauriger. Hätte Singh nur auf das Titelemblem von „Spieglein, Spieglein“ gehört: „Alle haben Magie in sich, aber wenige verstehen es, sie weise einzusetzen.“

 

Oneline: Alles Märchenhaften beraubte Kinomär.