Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 27.August 2015, Teil 5
Kirsten Liese
Berlin (Weltexpresso) - Es ist nicht leicht, Polizist zu sein, weil die Menschen, die er dazu anhalten soll, besser miteinander umzugehen, ihre Fehler oft nicht einsehen. Der Frieden muss also mit Gewalt durchgesetzt werden, und das muss man lernen.
Ein Jahr lang hat Marie Wilke eine Gruppe von Polizeischülern in Sachsen-Anhalt bei ihrer Ausbildung begleitet, beim Schießtraining, bei der Vereidigung, lebensnahen Rollenspielen und ersten Einsätzen im Bereitschaftsdienst. Sie wertet nicht, sondern zeigt lieber, wie die Aspiranten damit kämpfen, ihr Selbstverständnis als Staatsdiener und ihre hehren Ansprüche in die Niederungen eines Alltags zu transferieren, der von häuslicher Gewalt, Alkoholmissbrauch, Tiermisshandlungen, Armut, Selbstmitleid und Stumpfsinn geprägt ist.
Unwillkürlich gehen einem viele Fragen durch den Kopf: Wie bringt man frustrierte Menschen dazu, Vernunft anzunehmen? Wie stark muss sich ein Staatsdiener anpöbeln lassen? Motiviert ihn das Freund- und Helfer-Syndrom oder der sichere Beamtenstatus? „Ich bin der Staat!“, sagt einer der Eleven trotzig, als es darum geht, ob er im Falle einer Festnahme seinen Namen preisgeben muss. Seine Kollegen lachen, auch der Bürger hat legitime Rechte. Aber wo fangen sie an und wo hören sie auf?
Für einen kurzen Moment berührt der Film aktuellen Zündstoff unserer Zeit: Da empören sich Wutbürger über ihre Regierung, von der sie sich nicht mehr verstanden und beschützt fühlen. Was kann, was darf die Polizei für sie tun? Leider wird darüber nicht weiter reflektiert. Wilke belässt es bei kurzen Eindrücken von der Demo. „Staatsdiener“ bietet somit zwar spannende Einblicke hinter die Kulissen, entlässt einen zugleich aber auch besorgt. Jedenfalls erscheinen die Polizeischüler, so wie sich einige schwer damit tun, in prekären Situationen mit der nötigen Autorität aufzutreten, nicht hinreichend gerüstet für eine Zukunft, die sie zwischen Masseneinwanderungen, Integrationsproblemen, gewaltbereiten Rechtsextremen und ebenso renitenten Asylbewerbern noch vor große Herausforderungen stellen wird.