Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 27.August 2015, Teil 3

 

Kirsten Liese

 

Berlin (Weltexpresso) - An die wilden Siebziger erinnern sich offenbar nicht nur Feministinnen mit Wehmut. Auch wenn sie in Gestalt der beiden wunderbaren Schauspielerinnen Martina Gedeck und Micaela Ramazotti im Zentrum eines berührenden, nostalgischen, schönen Films stehen, der mit leiser Ironie von den Lebenslügen der Linken und der Heuchelei des Kunstbetriebs erzählt, vor allem aber vom gesellschaftlichen Befreiungsschlag und dem Erwachen weiblicher Selbstbestimmtheit.

 

Anna Felici- Barfuß durchs Leben“ ist der autobiografisch gefärbte, persönlichste Film des Italieners Daniele Luchetti („Mein Bruder ist ein Einzelkind“), der 1960 in Rom geboren wurde und nun auf jenen ereignisreichen Sommer 1974 zurückblickt, in dem er seine Liebe für die Kamera entdeckte. Mit leichter Hand und zartem Humor verknüpft er Kindheitserinnerungen mit Zeitgeschichte.

 

Die Beziehung seiner Eltern ist angespannt. Als selbstverliebter, exhibitionistischer Künstler scheint Vater Guido (Kim Rossi Stuart), der sich in seinen Installationen gern nackt inszeniert und mit seinen Models schläft, gar nicht zu merken, wie er seiner Frau Serena (Micaela Ramazotti) permanent vor den Kopf stößt. Vor allem die Kinder, Dario (Samuel Garofaldo) und Paolo (Niccolo Calvagnà), leiden unter dem Rosenkrieg. Hilflos werden die Jungen Zeugen von Liebesentzug, leidenschaftlichem Streit und erneuter Versöhnung.


Aber eines Tages lernt ihre Mutter die emanzipierte, lesbische Galeristin Helke (Martina Gedeck) kennen. Sie ermutigt Serena, mit ihr und den Kindern ohne ihren Mann Urlaub zu machen, und weist sie ein in die gleichgeschlechtliche Liebe. Endlich fühlt sich Serena lebendig, und Dario dreht im französischen Frauencamp mit seiner Super-8-Kamera seinen ersten Film.

 

Luchetti beweist großes Einfühlungsvermögen für seine Figuren, deren Egoismus allein aus dem Bestreben resultiert, zwischen avantgardistischen Trends, freier Liebe und antiautoritären pädagogischen Idealen und das richtige Leben führen zu wollen. Mit leuchtenden, sonnendurchfluteten 16- und 35mm-Bildern einer untergegangenen Zeit ist „Anni Felici" bei alledem eine wunderbare Hommage an das Medium Film selbst.