Serie: Die heute anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 22. März 2012, Teil 1

 

Romana Reich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Gerade erst wurde Statistisches zum Filmbesuch 2011 veröffentlicht. Die Deutschen gehen weniger ins Kino als ihre europäischen Nachbarn. Sehr viel weniger. Es sind 1, 6 Mal, während der Durchschnitt 1, 9 beträgt. Zu befürchten ist, daß ein so wundersam zwischen Poesie und Groteske angesiedelter Film, wie der libanesische vom Frauenaufstand, erst in einer Fernsehausstrahlung richtig gewürdigt wird.

 

 

WER WEISS, WOHIN

 

Unorthodox müssen Frauen sich verhalten, wollen sie die tödlichen Kriegsspiele ihrer Männer und Buben als das entlarven, was sie sind: Aufschneidereien von sich als Helden fühlenden Männern, die den Gegner deshalb brauchen, weil sie allein für sich doch nur ein kleiner, gewöhnlicher Mann sind. Gegner in diesem Dorf im Libanon sind traditionell Christen und Moslems, die über Jahrhunderte friedlich miteinander lebten, was die Auseinandersetzung der Araber und Israelis derzeit aufmischt, aber doch nur einen Stellvertreterkrieg zeigt.

 

Allein für diesen Filmanfang muß man die libanesische Regisseurin Nadine Labaki lieben – ihr Kino-Erstling CARAMEL machte Furore  und auch dieser war für den Auslandsoscar nominiert. Da kommen im rhythmischem Schreiten mit eigenartigen Hand-aufs Herz-Bewegungen eine Schar schwarzgekleideter Frauen – nur wenige tragen ein Kopftuch – über die von der Sonne ausgebrannte Landschaft daher, sie knicken – ebenfalls im Gleichschritt – ein, richten sich auf, gehen weiter. Das hat eine ungeheure Suggestion und man hätte diesem Schreiten lange zuschauen mögen. Das wiederholt sich. Dieses Gefühl von Die-Zeit-anhalten-wollen, weil einem manche Szenen gar zu gut gefallen.

 

Es geht also um das große Ganze in einem kleinen staubigen Kaff im Libanon, nur über eine baufällige Brücke zu erreichen, in dem jede Gelegenheit von den Männern genutzt wird, der anderen Gruppe etwas wegzunehmen, aufs Brot zu schmieren, auf jeden Fall einen kleineren oder größeren Kampf zu wagen, damit man sich so richtig männlich fühlt in einer Gesellschaft, wo die Frauen die eigentliche Arbeit machen, wo sie nicht nur das emotionale Gefüge der Familien aufrecht erhalten, sondern in ganz wörtlichem Sinn Hand anlegen, denn auf solche Männer ist einfach kein Verlaß.

 

Wir erleben also, wie mit der List von Frauen, zu der auch der Import ukrainischer Stripperinnen und das Backen von Haschischkeksen gehören, die sich feindlich gesinnten Dörfler zu Brüdern werden. Das hat überhaupt nichts Kitschiges oder Unwahrscheinliches an sich, sondern scheint das Vernünftigste von der Welt, was diese Frauen hier wagen, um auf Erden sinnvoll leben zu können. Denn sie haben nur das eine Leben.

 

Dem kommt der Film mit Komik nach und man staunt, mit welcher Leichtigkeit, mit welchem musikalischen Rhythmus Nadine Labaki  diesen so richtig menschelnden Film komponiert, in dem sie auch selbst mitspielt, wie überhaupt die einzelnen Charaktere, seien es Männer oder Frauen, von einer hinreißenden Einzigartigkeit sind, die sowohl das Individuelle wie auch die gleichzeitige Typisierung ohne Probleme in Eins bringen. Wo lernt man solches Filmemachen?