Serie: Die heute anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 22. März 2012, Teil 2
Romana Reich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Spitzenreiter beim europäischen Kinobesuch 2011 sind die Iren, die 3,6 Mal im Jahr ins Kino gehen und damit mehr als doppelt so oft wie die Deutschen. Es folgen die Franzosen mit 3,4 Mal und auch die Engländer sind gut dabei mit 2,7 Mal. Nimmt man allerdings die Bevölkerungsdichte zum Maßstab, weiß man, warum die Filmindustrie der Welt so sehr in Deutschland wirbt.
RUHM
Seltsam. Seltsam ist es, daß man einem Film den Vorwurf machen möchte, zu gut, zu perfekt, zu clever, zu durchdacht, mit zu guten Schauspielern und einem zu guten Platt daherzukommen. Aber so ist es. Was schon am Roman auffiel, setzt der Film konsequent fort: eine kunstvolle Vermischung differenter Lebenssituationen von Menschen, die in einzelnen Geschichten die Hauptpersonen sind, aber auch in anderen Kurzgeschichten des Bandes RUHM des Daniel Kehlmann auftauchen, so daß dieses Zusammenfallen kurzweg Roman genannt wird oder hier Film.
Es ist also ein klassischer Episodenfilm, in dem mit Senta Berger, Heino Ferch, Justus von Dohnanyi, Matthias Brandt, Julia Koschitz, Stefan Kurt, Axel Ranisch, Gabriele Maria Schmeide und Thorsten Merten hervorragende Schauspieler agieren, von denen man manche bisher durch Fernsehen nur als Gesicht wahrnahm und die nun auch über die Leinwand einen Namen erhalten.
Eigentlich ist also nur Gutes über diesen Film zu sagen, wie auch Kehlmanns Buch zu loben ist. Das Gemeine daran sind die Erwartungen. Kehlmann hatte zuvor mit DIE VERMESSUNG DER WELT ein so phänomenales Buch geschrieben – das nicht mal den Deutschen Buchpreis gewann, was für diesen ewig eine Schande bleiben wird, denn Kehlmanns Buch war im Jahr 2005 der beste Roman - , daß das nächste Buch unter großem Erwartungsdruck stand. So geht es auch dem Film, in dem Isabel Kleefeld Regie führt und auch das Drehbuch verfaßte.
Im Mittelpunkt steht erst einmal ein Handy, das, was woanders mobiles Telefon genannt wird. Der biedere Elektroingenieur Joachim Ebling (von Dohnányi) hat es sich gerade gekauft und ist des Umgangs damit noch nicht so ganz kundig. Er merkt schnell, daß die Anrufe von Frauen, vorzugsweise nachts, die nach seiner Anwesenheit girrend verlangen, nicht ihm gelten. Und umgekehrt fällt von einem auf den anderen Tag der umschwärmte Filmstar Ralf Tanner (Ferch) in ein tiefes Loch, denn sein Telefon schweigt. Daß dies zusammenhängt, wissen wir gleich, wie es zusammenhängt, erst später.
Und diese freche Auflösung wollen wir genauso verschweigen, wie wir unmöglich über alle Einzelschicksale berichten können, die uns in Situationen verfrachten, in denen wir nie und nimmer sein wollten, wie die Krimiautorin Maria Rubinstein (Schmeide), die eine alptraumhafte Odyssee im aufgelassenen Ostblock, der wie früher funktioniert, erlebt. Doch, doch, läßt man diese miteinander verschränkten Geschichten noch einmal Revue passieren, merkt man erst, wie feinsinnig sie Kehlmann ausgesucht und wie überlegt kunstvoll sie Kleefeld ins Bild setzt. Eben zu feinsinnig und zu überlegt kunstvoll. Aber wir wollen uns nicht wiederholen, sonst käme jetzt wieder dran: wie gut sie sind, diese Geschichten im Buch und im Kino.
Daniel Kehlmann, Ruhm. Ein Roman in neun Geschichten. Rowohlt Taschenbuch Verlag 2009